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Gastkommentar: "Lösungen für Afrika aus Afrika"

Erastus J. O. Mwencha und Mario Pezzini 9. September 2015

Wer gestaltet die Zukunft Afrikas? Darüber wird an diesem Mittwoch beim Afrika-Forum der OECD in Berlin diskutiert. Unsere Gastkommentatoren finden: Afrika muss selbst Verantwortung übernehmen - und tut es bereits.

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Burundi Schule in Bujumbura
Bild: picture-alliance/dpa/T. Schulze

Während sich die Nationen der Welt auf ihre Zusammenkunft in New York vorbereiten um dort die Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) zu verabschieden, haben sich Afrikaner schon längst selbst kühne Ziele für die wirtschaftliche und menschliche Entwicklung ihres Kontinents gesteckt. In der Agenda 2063 der Afrikanischen Union (AU) steckt eine ambitionierte Vision.

Sie reflektiert die enge Zusammenarbeit zwischen der AU-Kommission, der UN-Wirtschaftskommission für Afrika, der Afrikanischen Entwicklungsbank und der Neuen Partnerschaft für Afrikanische Entwicklung - denn Lösungen für Afrika müssen aus Afrika selbst kommen. Oberste Priorität hat der wirtschaftliche und soziale Wandel durch verstärkte Industrialisierung, Modernisierung, sowie eine menschenorientierte Entwicklungsstrategie, die Geschlechtergleichstellung einschließt, eine demokratische Regierungsführung und Frieden und Sicherheit gleichermaßen würdigt.

Der entscheidende Aspekt für die Vision von nachhaltigem Wohlstand in der Agenda 2063 wird vermutlich die Verflechtung zweier unterschiedlicher Triebkräfte für Wirtschaftswachstum sein: produktive Transformation und regionale Entwicklung. Regionale Entwicklung reagiert auf die breiteren demographischen und räumlichen Dimensionen des Strukturwandels. Entwicklungsstrategien, die lokale Akteure einbeziehen und lokale Stärken betonen, können unerschlossene Potentiale freisetzen, indem sie die Vielfalt afrikanischer Regionen besser wertschätzen und diese besser miteinander verbinden. So werden die Voraussetzungen für einen nachhaltigeren und beschleunigten Strukturwandel geschaffen.

Erastus Mwencha
Erastus Mwencha: Regionale Stärken nutzenBild: IFPRI

Bevölkerungswachstum: Chance oder Herausforderung?

Afrikas beispielloser demographischer Umbruch ist der Hauptgrund für die zunehmende Koppelung zwischen produktiver Transformation und regionaler Entwicklung. Während Afrikas Bevölkerung wächst - um 1,2 Milliarden Menschen in den nächsten 35 Jahren -, sinkt gleichzeitig die Abhängigkeit zwischen Jungen und Alten. Diese Entwicklung ist eine Chance, kann aber auch zur Herausforderung werden: Durchschnittlich mehr als 29 Millionen junge Menschen werden bis 2030 jährlich ins Erwerbsleben eintreten - und nach Arbeitsplätzen verlangen. Diese Arbeitsplätze zu schaffen, wird eine Unmenge von Strategien erfordern.

Natürliche Ressourcen müssen besser und nachhaltiger abgebaut werden. Botswana hat jüngst seine Verhandlungsmacht als größter Diamantenproduzent der Welt ausgenutzt, um den Diamantabbau durch einen internationalen Konzern und dem Schleifen und Polieren durch lokale Betriebe stärker miteinander zu verknüpfen. Ein Modell, auf dem wir aufbauen können?

Weniger Regulierung für formellen Sektor

Afrika muss dabei unterstützt werden, einen größeren Anteil an den globalen Wertschöpfungsketten zu bekommen. Aktuell findet in Afrika lediglich 2,2 Prozent der Weltproduktion an Zwischengütern statt. Eine stärkere Partizipation an globalen Wertschöpfungsketten birgt große Chancen für Afrika, gerade bei die Schaffung von Arbeitsplätzen in Unternehmen der formellen Wirtschaft.

Zur Stärkung des afrikanischen Unternehmertums muss mehr Raum für privatwirtschaftliche Aktivitäten geschaffen werden. In den meisten Ländern in Subsahara-Afrika trägt der informelle Sektor derzeit bis zu 70% der Gesamtwirtschaftsleistung bei. Damit Unternehmer wettbewerbsfähiger werden und in den formellen Sektor überwechseln können, müssen wirtschaftliche, institutionelle und soziale Einschränkungen abgeschafft werden.

Mario Pezzini
Der formelle Wirtschaftssektor muss gestärkt werden, findet Mario PezziniBild: OECD

Auch der öffentliche Sektor muss gestärkt werden um selbst als Reformmotor wirken zu können. Vor dem Hintergrund des starken Bevölkerungswachstums und dem Bedarf an finanzieller Effizienz könnte die Bedeutung des öffentlichen Sektors als Arbeitgeber zwar ohnehin zunehmen, doch das alleine reicht nicht aus. Derzeit beschäftigen afrikanische Regierungen rund 25 Millionen Menschen zwischen 30 und 64 Jahren - das entspricht etwa zehn Prozent aller Afrikaner in dieser Altersgruppe. Im Vergleich dazu arbeiten in der Altersgruppe zwischen 15 und 29 Jahren nur 14 Millionen Menschen im öffentlichen Sektor, ein Anteil von lediglich fünf Prozent.

Entwicklungskonzepte von Afrikanern für Afrikaner

Tatsächlich wird eine einzige Strategie zur Schaffung von Arbeitsplätzen kaum ausreichen. Im aktuellen "African Economic Outlook" schlägt die OECD stattdessen vor, einen maßgeschneiderten Strategiemix für die verschiedenen Regionen Afrikas zu erarbeiten. Innovative Entwicklungsstrategien könnten so das vielfältige Potential der unterschiedlichen Regionen maximieren.

Die Umsetzung sowohl der Agenda 2063 als auch der SDGs in Afrika bekräftigen eine fundamentale Wahrheit: Entwicklungskonzepte müssen von Afrikanern für Afrikaner gemacht werden. Gleichzeitig können Dialog und konstruktiver Erfahrungsaustausch zwischen entwickelten Ländern und Entwicklungsländern – Deutschland und die Mitgliedsstaaten des OECD Developing Centers eingeschlossen - den Afrikanern entscheidende Erkenntnisse und Informationen liefern, um so Entwicklungspolitik und -praktiken zu verbessern.

Erastus J. O. Mwencha ist stellvertretender Vorsitzender der Kommission der Afrikanischen Union (AUC) in Addis Abeba, Äthiopien. Mario Pezzini ist Direktor Zentrums für Entwicklung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Übersetzt aus dem Englischen von Jan Philipp Wilhelm.