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Politik

Der Papst, Joe Biden und die Zukunft der Kirche

Massimo Faggioli
Massimo Faggioli
28. Oktober 2021

Wenn der Katholik Joe Biden Papst Franziskus trifft, geht es sicher um Sakramente und Gesetze zur Abtreibung. Doch indirekt geht es um die Zukunft des Katholizismus weltweit, meint der Kirchenhistoriker Massimo Faggioli.

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Papst Franziskus am Mikrofon im US-Kongress. Im Hintergrund links Joe Biden, rechts Parlamentspräsident John Boehner
Der Papst und Biden sehen sich nicht das erste Mal: 2015 sprach Franziskus vor dem US-Kongress - im Hintergrund der damalige Vize-Präsident BidenBild: Discover+/Courtesy Everett Collection/picture alliance

Wenn US-Präsident Joe Biden und seine First Lady Jill am Freitag von Papst Franziskus empfangen werden, ist die Situation eine ganz andere als beim letzten vergleichbaren Treffen zwischen Paul VI. und John F. Kennedy im Juli 1963. In den frühen 1960er Jahren bestand das Problem für einen katholischen US-Präsidenten oder Präsidentschaftskandidaten in der mangelnden Akzeptanz des Katholizismus durch den amerikanischen Protestantismus und das liberale säkulare Establishment.

Heute geht es vielmehr darum, welche Art von Katholizismus für Bidens katholische Landsleute akzeptabel ist: In den hyperpolarisierten USA prägt die Parteizugehörigkeit nämlich immer stärker auch religiöse Identitäten - nicht nur bei den Evangelikalen, sondern ebenfalls in der katholischen Kirche.

Spannungen zwischen dem Vatikan und den US-Bischöfen

Diese Papstaudienz findet nur zwei Wochen vor der Herbstvollversammlung der katholischen Bischöfe der USA in Baltimore statt. Auf der Tagesordnung steht ein Dokument über die Eucharistie, das einige Bischöfe nutzen möchten, um Abtreibungsbefürworter wie Biden vom Empfang der Heiligen Kommunion in der Messe auszuschließen.

Massimo Faggioli
Massimo Faggioli ist Professor für Theologie und Religionswissenschaft in den USABild: Privat

Der Vatikan hält zwar am traditionellen katholischen Verbot der Abtreibung fest, hat aber in den vergangenen Monaten auf verschiedene Weise versucht, Bidens Zugang zu den kirchlichen Sakramenten vor den Angriffen der US-Bischöfe zu schützen.

Unabhängig davon, ob dieses Dokument nun im November in Baltimore beschlossen wird, hat allein die Diskussion die Bischöfe bereits in nie dagewesener Weise gespalten. Die US-Bischofskonferenz (USCCB) läuft nämlich zunehmend Gefahr, nur noch als Aktionskomitee der republikanischen Partei angesehen zu werden und nicht mehr als die Führung der katholischen Kirche in den USA, die in Einheit mit dem Bischof von Rom steht - was naturgemäß vor allem im Vatikan kritisch beobachtet wird.

Nicht vergessen darf man auch: Die meisten der US-Bischöfe, die Biden jetzt mit dem Ausschluss von den Sakramenten bestrafen wollen, gehören zu denen, die vor drei Jahren die schwerwiegenden Anschuldigungen des ehemaligen päpstlichen Nuntius in den USA und Trump-Anhängers Carlo Maria Vigano gegen Papst Franziskus gutgeheißen haben. Oder zumindest nicht auf diesen Putschversuch gegen den amtierenden Papst reagierten.

Der Papst braucht Biden

Ein gutes Verhältnis zwischen dem Vatikan und der Regierung Biden ist auch für Franziskus sehr wichtig. Bidens Wahl im November 2020 wurde nach vier sehr schwierigen Jahren der Trump-Administration mit noch nie dagewesenen Spannungen zwischen dem Weißen Haus und dem Papst im Vatikan mit einem großen Seufzer der Erleichterung begrüßt.

Aber jetzt, neun Monate nach Bidens Amtsantritt, fragt sich der Vatikan, welche seiner Versprechen der zweite katholische US-Präsident überhaupt noch halten kann, vom Kampf gegen den Klimawandel über humanitäre Einwanderungsregeln bis hin - vor allem nach dem Rückzug aus Afghanistan - zum Multilateralismus in den internationalen Beziehungen. Doch Papst Franziskus braucht Joe Biden für seine internationale Agenda. Aber vor allem auch, um den amerikanischen Katholizismus vor dem Zugriff von Ideologen zu retten.

Das Bemühen des Vatikans, Bidens Zugang zu den Sakramenten zu schützen, ist also keine Billigung der Abtreibungspolitik und der Politik der Demokraten überhaupt, sondern der Versuch, die katholische Kirche der USA vor dem Abgleiten ins Sektiererische zu schützen.

Die USA als Schlüssel für die Zukunft des Katholizismus

Auch im Vatikan weiß niemand, ob die Amtszeit von Papst Franziskus den Beginn eines neuen Zeitalters in der Beziehung zwischen dem Papsttum und der globalen Moderne darstellt. Oder ob es sich nur um ein Zwischenspiel handelt, bevor mit der Wahl seines Nachfolgers eine Rückkehr zu einem konfrontativeren Ansatz erfolgt.

Papst Franziskus gestand kürzlich in einem Interview ein, dass einige Kardinäle sich darauf freuen, ihn abzulösen. Der starke Widerstand gegen das Papsttum von Franziskus unter den US-amerikanischen Bischöfen dürfte das künftige Machtgleichgewicht in der Kirche auf globaler Ebene beeinflussen: Was sich in den Machtzentren des US-Katholizismus abspielt, könnte durchaus eine Vorhersage für die Zukunft des Katholizismus als Ganzes sein.

Was im Vatikan und in den USA geschieht, wird tiefgreifende Auswirkungen auf die Zukunft der katholischen Kirche auf der ganzen Welt haben: Scheitert das Pontifikat von Franziskus bei dem Versuch, den Katholizismus aus der Umklammerung des theologischen Fundamentalismus und des politischen Autoritarismus zu befreien, ist dies ein unheilvolles Zeichen. Zumindest für diejenigen, die hoffen, dass die Trump-Präsidentschaft und der Donald Trump verehrende Katholizismus nur eine Verirrung sind.

Massimo Faggioli (@MassimoFaggioli) ist Professor für Theologie und Religionswissenschaften an der katholischen Villanova University in Pennsylvania, USA, sowie Autor des Anfang 2021 erschienenen Buches "Joe Biden and Catholicism in the United States".

Buchcover Joe Biden von Massimo Faggioli
Bild: Bayard