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Gamestop-Turbulenzen gehen in nächste Runde

Mischa Ehrhardt Frankfurt am Main
29. Januar 2021

Das Drama um Gamestop geht weiter. Handelsplattformen haben den Handel mit Aktien des Spielehändlers zeitweise eingeschränkt. Das wird als Parteinahme für etablierte Hedgefonds gesehen - und heftig kritisiert.

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GameStop
Bild: Rick Wilking/REUTERS

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel: So lautet eine gern benutzte Fußballweisheit. So verhält es sich auch mit dem Drama David gegen Goliath, dass derzeit unter dem Hashtag #Gamestop im Internet für Aufruhr sorgt. Doch nicht nur dort - auch in der hohen Politik in den USA und Berlin findet der Aufstand der Kleinanleger seinen Widerhall. Und der US-TV-Sender CNN sprach schon von einer Reddit Revolution. 

Mittlerweile sorgen sich einige Beobachter auf Grund der Kurskapriolen rund um Gamestop und andere kleinere Aktien um die Stabilität des Finanzsystems. "Eine Schieflage bei Hedgefonds kann zu drastischen Verwerfungen führen", sagte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. Das ist die eine Seite der Geschichte. Chris Weston, Chef-Analyst des Brokerhauses Pepperstone bringt sie auf einen noch simpleren Punkt: "Die Nerven liegen blank."

Das liegt daran, dass ein milliardenschwerer Hedgefonds namens Melvin Capital gerade noch an einer Pleite vorbei geschrammt ist. Auch der Shortseller Citron soll sich an Gamestop gehörig die Finger verbrannt haben. Beide hatten sich, unter anderem mit Gamestop-Aktien, verzockt. Melvin Capital musste vor wenigen Tagen mit einer Finanzspritze in Höhe von 2,75 Milliarden Dollar gestützt werden. Das weckt böse Erinnerungen die Geschichte von Long-Term Capital Management. Die Schieflage dieses Hedgefonds brachte 1998 das internationale Finanzsystem ins Wanken.

New York City | Robinhood Proteste vor der New Yorker Börse
Proteste gegen die Handelsbeschränkungen auf der Plattform Robinhood vor der Wall StreetBild: Tayfun Coskun/AA/picture alliance

Zwei Seiten der gleichen Geschichte

Beide Investmenfonds haben - offenbar mit hohen Einsätzen - auf einen Kursverfall der Gamestop-Aktie gewettet. Allerdings sind ihnen Kleinanleger erfolgreich in die Parade gefahren. Das ist die zweite Seite dieser irrsinnigen Börsengeschichte.

In Online-Foren wie Reddit haben sich die Community-Mitglieder ausgetauscht und gegenseitig ermuntert, Gamestop-Aktien zu kaufen. Damit haben sie den Kurs in schwindelerregende Höhen getrieben, was die Wetten der Hedgefonds auf fallende Kurse platzen ließ. Zum Teil erklärt sich das sicherlich einfach aus Gewinngier. Denn nach solchen Verabredungen ist die Wahrscheinlichkeit vor allem bei kleineren Aktien groß, dass sie Kurssprünge hinlegen. Zum anderen war es bei vielen dieser überwiegend jungen Kleinanleger aber auch erklärtes Ziel, die Wetten der Hedgefonds zu vereiteln und den milliardenschweren Berufsspekulanten eins auszuwischen.

Und tatsächlich hat im Fall Gamestop der Schwarm der Kleinstanleger in seiner Masse den Sieg bei diesem Kräftemessen davongetragen. Die Wetten der Hedgefonds schlugen fehl, es türmten sich milliardenschwere Verluste auf. Denn in den vergangenen Tagen kannten die Gamestop-Papiere kaum mehr ein Halten: Das Plus der Aktie summiert sich in den vergangenen zwei Wochen auf mittlerweile rund 2000 Prozent. Mit Schwankungen von zig Prozent von der einen auf die andere Minute ist das Papier allerdings ziemlich unberechenbar.

Robinhood-Cehf Vlad Tenev sagt zum teilweisen Handelsverbot: "Wir mussten unsere Firma und unsere Kunden schützen."
Robinhood-Cehf Vlad Tenev sagt zum teilweisen Handelsverbot: "Wir mussten unsere Firma und unsere Kunden schützen." Bild: STRF/STAR MAX/IPx/picture alliance

Schafe gegen Wölfe?

"Das ist Wahnsinn, dass hier Hedgefonds mit ihren eigenen Waffen geschlagen werden", sagt Börsenhändler Oliver Roth vom Wertpapierhandelshaus Oddo Seydler gegenüber der DW. "Es ist ja nicht so, dass es hier Schäfchen erwischt. Das sind doch eher Wölfe, die versuchen, mit ihren Mitteln Preise nach unten zu drücken, um daraus Kapital zu schlagen." Doch offenbar haben die Wölfe Einfluss.

So musste der bei Kleinanlegern beliebte Online-Broker Robinhood am Donnerstag bekannt gegeben, Käufe der Gamestop-Papiere zu sperren. Verkäufe ließ das Unternehmen dagegen weiter zu. "Die Leute an der Wall Street interessieren sich nur für die Regeln, wenn ihnen etwas weh tut", konnte man am Donnerstag auf Twitter lesen. Und zwar nicht von einem der betroffenen Privatanleger. Sondern vom zukünftigen Vorsitzenden des Bankenausschusses im US-Senat, Sherrod Brown. Der kündigte zugleich Anhörungen "zum Zustand des Aktienmarktes" an. "Es wird Zeit, dass die SEC und der Kongress dafür sorgen, dass die Wirtschaft für alle funktioniert", erklärte er. Die SEC ist die US-Börsenaufsicht. Parteiübergreifend äußerten sich Senatorinnen und Senatoren in ähnlicher Weise.

Heute Gamestop, morgen ein anderes Opfer?

Solche Restriktionen nach dem Aufstand der Kleinaktionäre sorgen auch im politischen Berlin für Unverständnis und Kritik. "Handelsplattformen müssen offen für alle Marktteilnehmer sein. Es kann nicht sein, dass eine Vielzahl von Kleinanlegern in einer volatilen Phase vom Handel ausgeschlossen wird und große Hedgefonds weiter Marktzugang haben", sagte Florian Toncar von der FDP. Nun müssten Aufsichtsbehörden diese Grundsätze rigoros durchsetzen, weil sie zum Kernbestand offener Kapitalmärkte gehörten. Auch der finanzpolitische Sprecher der Linken, Fabio Di Masi, spricht von einem Skandal. "Wenn Broker den Handel zum Schutz von institutionellen Anlegern aussetzen, zeigt dies, wie empfindlich Finanzhaie reagieren, wenn ihnen ein Schwarm einen Strich durch die Rechnung macht." Auch er forderte ein Einschreiten der Aufsichtsbehörden.

Schließlich hat auch Facebook reagiert. Das Online-Netzwerk hat nach dem Gamestop-Drama die beliebte Aktienhandels-Gruppe Robinhood Stock Trades geschlossen. Der Gründer des Wall-Street-Diskussionsforums, Allen Tran, sagte, er habe eine Benachrichtigung von Facebook bekommen. Darin hieße es, dass die knapp 160.000 Nutzer starke Gruppe wegen Verletzung des Regelwerks gesperrt werde. Die Rebellen werden sich trotzdem nicht von ihren Aktionen abbringen lassen. Längst haben  sied andere Papiere im Visier: Die Aktien des US-Online-Brokers Siebert Financial lagen am Freitag vorbörslich rund 610 Prozent im Plus.

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.