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Görlach Global: Neue Zusammenschlüsse im Westpazifik

Alexander Görlach
11. September 2024

Im Westpazifik rücken die Anrainerstaaten enger zusammen, um dem immer aggressiveren Vorgehen Chinas etwas entgegenzusetzen. Dabei emanzipieren sie sich aber zunehmend auch von den USA, meint Alexander Görlach.

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Ein Schiff der vietnamesischen Küstenwache wird von Angehörigen der philippinischen Marine in Manila begrüßt
Die Küstenwachen der Philippinen und Vietnams bei ihrer ersten gemeinsamen Übung Anfang AugustBild: JAM STA ROSA/AFP

Mit den zunehmenden chinesischen Provokationen im West-Philippinischen Meer rücken dessen Anrainer-Staaten näher zusammen. Chinas Machthaber Xi Jinping hat diese Region, die Peking das Südchinesische Meer nennt, seit einigen Jahren fest im Blick: Sein Ziel ist es, mit Hilfe der chinesischen Marine das Gewässer und die damit verbundenen Seefahrtsrechte unter seine Kontrolle zu bringen.

Damit ist vor allem Manila nicht einverstanden und kann sich dabei auf ein Urteil des höchsten Schiedsgerichts in Den Haag berufen. Aber Peking gibt auf das internationale Recht nicht viel, wenn es den Interessen Xis im Weg ist. Chinas Marine versucht deshalb seit Jahren, frei fahrende Schiffe in dem Meer abzudrängen. Sie gerät dabei auch immer wieder, absichtlich, in Konfrontation mit der Marine der Philippinen. Zudem hat Peking künstliche Inseln aufschütten und militarisieren lassen, Fakten, die auch Fregatten von westlichen Staaten, die dort völlig legal fahren, das Fürchten lehren sollen.

Zwischen Peking und Washington

Das hat die Anrainerstaaten des Westpazifik, die teilweise auch miteinander um die genauen Grenzen ihres Seeterritoriums im Streit liegen, zusammengeschweißt und führt zunehmend zu konzertiertem Auftreten und gemeinsamem militärischem Engagement. Dabei geben sich die politisch Verantwortlichen auf den Philippinen und in Taiwan, Brunei, Indonesien und Vietnam keinen Illusionen hin: Auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Volksrepublik China kann keines der Länder verzichten. Gleichzeitig suchen sie allesamt (nicht nur die Anrainer-Staaten des west-philippinischen Meeres, sondern unter anderem auch Indien, Thailand, Südkorea und Japan) die sicherheitspolitische Nähe zu Washington.

Satellitenbild einer zu einer Marinebasis ausgebauten Insel im Südchinesischen Meer
Teile der Spratly-Inseln hat China aufgeschüttet und zu einer Marinebasis ausgebautBild: CPA Media/UIG/IMAGO

Die Biden-Regierung hat in den vergangenen dreieinhalb Jahren alle Allianzen der USA in der Region gestärkt. So werden zum Beispiel auf Bitten der Philippinen vier neue US-Basen in dem Land errichtet, um gegebenenfalls auf einen chinesischen Angriff schnell reagieren zu können. US-Präsident Biden hat das Land im vergangenen Jahr besucht und dabei die sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit Vietnam zu einer "comprehensive strategic partnership" heraufgestuft. Aber Washington hat in diesen drei Jahren auch verstanden und gelernt, dass die Akteure der Region so weit wie möglich ohne Koordinierung durch die USA gegen chinesische Provokationen oder gar auf einen chinesischen Angriff reagieren können müssen.

Bilaterale Abkommen statt "pazifischer NATO"

Washington unterhält zu nahezu jedem Land in Asien in der einen oder anderen Weise geartete militärische Allianzen. Ein großes Bündnis allerdings wie das atlantische, die NATO, wird es auf der anderen Seite des Globus nicht geben. Vielmehr arbeiten die Kräfte in der Region verstärkt zusammen. Zuletzt haben die bereits genannten Nationen, Vietnam und die Philippinen, in diesem Sinne eine vertiefte Zusammenarbeit begonnen. Sie zeigen, wie Mittelmächte, also mittelgroße Länder, künftig zusammenarbeiten können. Obwohl Vietnam nun den Status eines engen US-Allierten besitzt, hat man in Hanoi nicht die Hände in den Schoß gelegt und sich in Sicherheit gewogen, sondern die Fühler in Richtung Manila ausstreckt, um sich gegen Chinas Aggression zusammenzutun. 

DW-Kolumnist Alexander Görlach
DW-Kolumnist Alexander GörlachBild: privat

Das Ende der "Weltpolizei USA"?

Über Mittelmächte und ihre Rolle in der Welt wird derzeit viel diskutiert, vor allem im Hinblick auf das Gebaren von Nationen wie Brasilien oder Indien als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Ein anderes Beispiel aus dem Jahr 2011 kann illustrieren, wie die Professionalisierung dieser Entwicklung zu verstehen ist: Die USA waren die einzige verbliebene Supermacht in jenem Jahr, mit der größten Armee und der größten Wirtschaft auf dem Globus. Aber um den Erzfeind der Vereinigten Staaten, Osama bin Laden, zu fassen, brauchten die USA das Vertrauen und das Know How Pakistans. 

In diesem Sinne wird es künftig regionale Mittelmächte geben, die sich, unter Umständen, über ihr Verhältnis zu den USA hinaus oder mittels der Hilfe Washingtons koordinieren. Dass die USA aber alleine als "Weltpolizei", wie sie gerne kritisiert wurden und werden, alles richten wollen und werden, kann mit Fug und Recht bezweifelt werden. Es ist also an Ländern wie Vietnam und den Philippinen, ihr neues Zueinander anlassbezogen gut zu vermessen und es nicht bei Ankündigungen zu belassen.

Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Adjunct Professor an der Gallatin School der New York University, wo er Demokratietheorie unterrichtet. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die Demokratien in Asien bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und den Universitäten von Cambridge und Oxford inne. Alexander Görlach lebt in New York und in Berlin.