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Das Geheimnis der Mumie

Julia Hitz | Torsten Landsberg
2. Dezember 2021

Nicht alle Mumien sind so berühmt wie die von Tutanchamun, Ötzi oder Ata. Auch andere andere liefern wichtige Erkenntnisse, zum Beispiel über die vorspanische Zeit in Lateinamerika.

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Mumienfund in der Nähe Limas
Mumienfund in der Nähe LimasBild: Pieter Van Dalen Luna

Es ist alles andere als einfach, Mumienfunde wissenschaftlich einzuordnen. Eine in der St. Petersburger Eremitage gelagerte Mumie hielten die Forscher lange Zeit für eine Sängerin aus dem Alten Ägypten. Tatsächlich war es aber ein kastrierter Mann.

Oder das mumifizierte Menschenkind in der chilenischen Atacama-Wüste, das als Blaupause für Aliens hinhalten musste. Wie Untersuchungen ergeben handelt es sich um ein frühgeborenes Kind mit mehreren Fehlbildungen.

Vorspanische Geschichte

Zuletzt wurde in Peru eine gut erhaltene Mumie gefunden. Als ein Forschungsteam der Universität San Marcos Ausgrabungen auf dem Cajamarquilla-Komplex in der Nähe der peruanischen Hauptstadt Lima durchführten, stießen sie unter dem Marktplatz eines Dorfes auf die Leiche. Sie könnte bis zu 1200 Jahre alt sein, also vor der Zeit des Inkareiches vom 13. bis zum 16. Jahrhundert datieren.

Ein "ungewöhnlicher und einzigartiger" Fund, so der leitende Archäologe Pieter Van Dalen gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Zum Todeszeitpunkt sei der Mann zwischen 18 bis 22 Jahre alt gewesen, teilten die Archäologen mit. Verschiedene andere Funde in der Grabkammer könnten darauf hinweisen, dass er ein bedeutender Mann - vielleicht ein Händler - gewesen sein könnte. Das Skelett eines Meerschweinchens und eines Hundes sowie Spuren von Mais und anderem Gemüse können Geschenke für den Toten gewesen sein.

Für europäische Augen befremdlich ist die embryonale Haltung: Der Leichnam ist in Stoffe eingewickelt und mit Seilen fixiert. Dies sei in der Zeit von 600 bis 1000 nach Christus in dieser Region aber eine durchaus übliche Praxis zum Begraben gewesen, so Prof. Dr. Markus Reindel vom Deutschen Archäologischen Institut. "Solche Mumienfunde sind nicht selten”, sagt Prof. Dr. Markus Reindel, der selbst viel zu dem etwa zeitgleich lebenden Volk der Nasca gearbeitet hat: "Aber eine gut erhaltene Mumie zu finden, bietet immer viele Möglichkeiten für neue Erkenntnisse.”

Mumie ist nicht gleich Mumie

Allgemein gilt als Mumie, wer nach dem Tod von der Verwesung verschont bleibt; unterschieden wird dabei zwischen Mumifizierung und Mumifikation. Ersteres bezeichnet ein künstliches Verfahren, das zweite einen natürlichen Prozess. Entscheidend ist in beiden Fällen, die vor allem durch Bakterien bewirkte Zerstörung des Weichgewebes zu unterbinden.

Wissenschaftler in Ägypten untersucht Mumie von König Tutanchamun
Die wohl berühmteste Mumie: Tutanchamun bei Restaurationsarbeiten 2019Bild: AFP/Getty Images

Beim künstlichen Prozess werden die inneren Organe entfernt.Im Alten Ägypten stopfte man die leere Bauchhöhle anschließend mit Kräutern aus. Zur Einbalsamierung war Natron das Mittel der Wahl, weil es dem Körper Flüssigkeit entzog. Nachdem der Leichnam mit parfümierten Ölen eingerieben wurde, wickelte man ihn in Leinenbinden. In anderen Gegenden kamen auch Ziegenfelle zur Anwendung. Heute sind bei der Einbalsamierung Formalinlösungen gängig.

Kälte und Hitze halten Bakterien in Schach

Beim natürlichen Prozess mumifiziert sich der Körper quasi im Alleingang: Bei anhaltender Kälte oder trockener Hitze können die den Körper zersetzenden Bakterien nicht arbeiten, er bleibt also weitgehend erhalten. Das wohl bekannteste Beispiel einer Mumifikation ist die Eismumie Ötzi. Auch der neueste Fund in Peru ist durch die Mumifikation so gut erhalten: die extreme Trockenheit hat die Leiche im Sand konserviert.

Was die Toten sagen

Der Fundort Cajamarquilla war eine Siedlung mit 10.000 bis 20.000 Einwohnern, um 200 vor Christus entstanden und bis etwa 1500 bewohnt. "Die Entdeckung dieses Einwohners wirft neues Licht auf die Sitten und sozialen Beziehungen der prähispanischen Zeit", sagt Ausgrabungsleiter Pieter Van Dalen Luna gegenüber dem Nachrichtensender CNN.  Für Archäologen in Lateinamerika birgt ein Mumienfund immer viel Potential, da für die vorspanische Zeit ansonsten keine schriftlichen Quellen zur Verfügung stehen.

Eine Frau und ein Mann sitzen in einem Erdloch, dazwischen eine in Seilen eingeknüpfte Mumie in zusammen gekauerter Haltung
Archäologin Yomira Huamán und Ausgrabungsleiter Pieter Van Dalen mit dem MumienfundBild: Pieter Van Dalen Luna

Neben neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse faszinieren Mumienfunde die Menschen auch durch einen gewissen Gruselfaktor. Und "sie triggern wohl den Dreiklang von Mumie, Gold und Abenteuer”, meint Prof. Dr. Markus Reindel. Wissenschaftlich gesehen werde es aber erst jetzt nach dem Fund richtig spannend: "Mit modernen Mitteln analysiert, etwa mit DNA- und Isotopen-Analyse, kann das sehr interessant werden."