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Frühwarnung

Christine Elsaeßer10. April 2007

Auch im Mittelmeer gibt es Tsunamis - Riesenwellen, die an den dicht besiedelten Küsten Katastrophen verursachen könnten. Forscher diskutieren nun über ein Frühwarnsystem. Es sind noch viele Fragen zu klären.

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Menschen am Strand von Valencia, Spanien
Ein Tsunami könnte an den Küsten des Mittelmeers mehrere Millionen Menschen treffenBild: AP

Nachdem ein riesiger Tsunami an Weihnachten 2004 mehrere tausend Kilometer Küstenregion im Indischen Ozean verwüstete, wurden auf der ganzen Welt Projekte zur Entwicklung von Frühwarnsystemen angestoßen. Das Potsdamer GeoForschungsZentrum (GFZ) montiert sein System derzeit vor Indonesien. Doch nicht nur in Asien sind Tsunamis eine akute Bedrohung. Auf einer Mittelmeerkonferenz der mediterranen Wissenschaftskommisson CIESM diskutieren internationale Experten seit Montag in Istanbul (9.4.07) auch über Frühwarnsysteme für das Mittelmeer.

Alleine dreißig Prozent aller Tsunamis entstehen im Atlantik und im Mittelmeer, sagt Professor Jochen Zschau, Leiter der Sektion Erdbebenrisiko und Frühwarnung des GFZ. 2003 schwappte ein zwei Meter hoher Tsunami an die algerische Küste, richtete jedoch wenig Schaden an. Ein Tsunami im Jahre 1908 tötete auf Sizilien 75.000 Menschen. Auch aus historischen Zeiten sind die Riesenwellen bekannt. Schon aus dem Jahr 479 v. Chr. wird von einer gewaltigen Naturkatastrophe in der nördlichen Ägäis berichtet.

Frühwarnsystem im Mittelmeer erst in fünf bis zehn Jahren

Weltkarte mit tektonischen Platten
In vielen dicht besiedelten Gebieten treffen Erdplatten aufeinanderBild: U.S. Geological Survey

Fast alle Tsunamis werden durch Erdbeben unter Wasser ausgelöst, wenn an Bruchstellen in der Erdkrsute ozeanische und kontinentale Platten aufeinander treffen. Diese können sich verhaken und es baut sich eine Spannung auf, die sich in einem unterseeischen Erdbeben löst. Diese Erschütterung verursacht eine oder mehrere Wellen, die bis zu 30 Meter hoch werden können und eine Geschwindigkeit von bis zu 1000 Kilometern pro Stunde haben können. Sie unterscheiden sich von normalen Riesenwellen dadurch, dass nicht nur die oberste Wasserschicht betroffen ist, sondern sich die gesamte Wassersäule verändert.

Im Mittelmeer treffen die Afrikanische und Eurasische Platte aufeinander. "Tsunamis können hier jederzeit auftreten und katastrophal sein", sagt Zschau. Das Gefahrenpotenzial ist groß, schließlich wohnen in den Küstengebieten des Mittelmeers 140 Millionen Menschen. Doch die Koordinierung eines Frühwarnsystems ist schwierig. Alle Anrainerstaaten müssten sich einig werden, sich für ein gemeinsames Projekt aussprechen und dies auch umsetzen, so Zschau, das brauche eine Menge Vorbereitungszeit. Er schätzt, dass es ein Tsunami-Frühwarnsystem im Mittelmeer erst in fünf bis zehn Jahren geben wird. Angestoßen wurde dieses Projekt von einem der größten bisher bekannten Tsunamis, der am 26. Dezember 2004 auf Indonesien, Malaysia, Thailand, Indien und Sri Lanka traf und 227.000 Menschen das Leben kostete.

Schnellere Warnung durch Echtzeit-Übertragung

Boje im Indischen Ozean
Die Bojen erhalten Informationen von den Drucksensoren am MeeresbodenBild: DW-TV

Das deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung entwickelte daraufhin zusammen mit deutschen Forschern das Tsunami-Early-Warning-System (TEWS), das derzeit im indischen Ozean aufgebaut wird. Das 45 Millionen Euro teure Projekt wird Indonesien von Deutschland im Rahmen der Tsunami-Hilfe zur Verfügung gestellt. Bereits im November 2005 wurden die ersten Bojen augesetzt. Wenn 2008 die Installation abgeschlossen ist, folgt eine zweijährige Betriebsphase mit deutscher Unterstützung. Es sollen außerdem Trainingskurse angeboten werden, die die Partner in Indonesien mit dem System vertraut machen sollen.

Das System besteht aus Drucksensoren am Meeresboden, die ihre Informationen an die Bojen weitergeben. Diese Informationen laufen mit denen von Seismometern und Satelliten in Datenzentren zusammen. Hier werden sie ausgewertet und mögliche Tsunamis simuliert. Durch Echtzeit-Datenübertragung soll die Vorwarnzeit deutlich verkürzt werden. Aufgrund dieser Daten können dann Warnungen ausgelöst werden. Ein Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung war, dass das System auch auf den Atlantik und das Mittelmeer übertragbar sein soll.

Satellitenaufnahme vom Mittelmeer (Foto: AP)
Ein Tsunami im Mittelmeer hätte eine Vorwarnzeit von nicht einmal einer StundeBild: AP

"Vieles ist vom Frühwarnsystem im Indischen Ozean auf das Mittelmeer übertragbar", sagt Professor Jochen Zschau vom GFZ, "aber natürlich sind nicht alle Gegebenheiten gleich und so muss das Warnsystem an die entsprechende Region angepasst werden." Zum Beispiel seien die Zeiten, die ein Tsunami braucht, bis er das Land trifft, im Mittelmeer sehr kurz, weil die Wege kürzer sind. Man wisse auch nicht, ob sich ein Tsunami aus dem östlichen Mittelmeer auch ohne Probleme ins westliche ausbreiten könne und es so überhaupt zu Mega-Tsunamis wie im Indischen Ozean kommen könne oder ob sie vorher gestoppt werden würden. Große Tsunamis kommen im Mittelmeer im Durchschnitt alle hundert Jahre vor.

Warnung in fünf Minuten

Ein Frühwarnsystem im Mittelmeer würde ein Zeichen gegen die bisherige Praxis setzen. Denn bis jetzt waren Warnsysteme erst dann installiert worden, wenn es bereits zu einer großen Katastrophe gekommen war. Auch im Pazifik handelten die betroffenen Staaten erst, nachdem ein Tsunami 1960 in Chile mehr als 1000 Menschen tötete. Hier laufen heute die Informationen aus 170 Überwachungsstationen im Pacific Tsunami Warning Center auf Hawaii zusammen. Die 26 angeschlossenen Anliegerstaaten können innerhalb von fünf bis sechs Minuten gewarnt werden.

Parallel gibt es Forschungen für ein zukünftiges globales System. Deutschland strebt nach dem deutsch-indonesischen Projekt die Zusammenarbeit mit weiteren Ländern an. Malaysia und Sri Lanka haben bereits Interesse bekundet. Die globale Organisation eines Frühwarnsystems wird von der Intergovernmental Oceanographic Commission der Vereinten Nationen koordiniert.