Frontberichte via E-Mail
22. Oktober 2001In der Bibliothek des US-Flugzeugträgers "Carl Vinson" herrscht zu jeder Tag und Nachtzeit dichtes Gedränge. Doch die Seeleute auf dem Schiff, das zurzeit irgendwo im Arabischen Meer kreuzt, interessieren sich weniger für die Bücher, sondern vor allem für die dort aufgestellten Computer. In Zeiten der modernen Kriegführung ist der PC für die US-Soldaten zu dem Kommunikationsmittel schlechthin geworden: Um Kontakt zu Freunden und Familien in der fernen Heimat zu halten werden von dem Schiff mit 5000 Menschen an Bord Tag für Tag 30.000 E-Mails versandt.
Einmal am Tag möchte jeder mal an den PC
Vom Reinigungspersonal bis zum Kapitän versucht so ziemlich jeder einmal am Tag für ein paar Minuten einen der Computer zu ergattern, um nach Hause zu schreiben und die neuesten elektronischen Nachrichten abzurufen. "Dies ist die erste Fahrt, bei der die Leute ziemlich direkten Zugang zu einem Computer haben, um ihre persönlichen E-Mails zu schreiben", sagt die Netzwerk-Administratorin der "Carl Vinson", die sich aus Sicherheitsgründen nur Deb nennt. Es gebe für die Soldaten keine Beschränkungen, wohin sie ihre Nachrichten verschickten. Die Mannschaft sei lediglich angewiesen, keine Angaben über ihren genauen Aufenthaltsort und über die Art des Militäreinsatzes zu machen.
E-Mails von Verwandten, Freunden und Unbekannten
Der regelmäßige Kontakt mit der Außenwelt sei für die Soldaten enorm wichtig, sagt Deb. "Die Leute arbeiten hier 18, 19, 20 Stunden am Tag. Wenn man etwas hat, mit dem man auf dem Laufenden bleiben kann, mit dem, was zu Hause los ist, in der weiten Welt, dann wird das ein bisschen tolerierbarer."
Der 22-jährige Josh aus dem Bundesstaat Illinois ist einer der vielen E-Mail-Schreiber. Er arbeitet in einem Büro an Bord und sagt, er sende jeden Tag duzende von Nachrichten. "Ich schreibe an meine Familie, Freunde und E-Mail-Freunde", erzählt er, während er bei einer Pause in der Bibliothek seine Bibel liest. Zu seinen Internet-Bekanntschaften zähle auch eine 65-jährige Frau, die ihm einfach gerne schreibe. Auch Mumbles, eine Pilotin des Kampfflugzeug-Typs F-14, ist begeisterte E-Mail-Schreiberin. "Ich habe E-Mails von Freunden und von Menschen bekommen, die ich noch nie getroffen habe, die uns unterstützen und das ist sehr motivierend", sagt sie.
Die Internet-Sicherheit wird von acht Personen überwacht
Alle Internet-Verbindungen der "Carl Vinson" werden per Satellit hergestellt. Sie seien nicht die verlässlichsten und schnellsten, sagt Deb. E-Mails seien daher wegen ihrer vergleichsweise kleinen Dateigrößen bei den Soldaten beliebter als das Surfen im Netz. Die Zahl handgeschriebener Briefe sei im Vergleich zu früheren Einsätzen stark zurückgegangen. Es würden aber noch immer zahlreiche Päckchen verschickt, erzählt Deb, die seit 25 Jahren für die Marine arbeitet.
Neben privaten Nachrichten verlassen auch jede Menge geschäftliche E-Mails die "Carl Vinson" und Deb ist stolz darauf, dass das schiffseigene Netzwerk noch nie von Hackern lahm gelegt worden sei. "Wir sind ziemlich unnachgiebig, wenn es um Informations-Sicherheit geht", sagt sie. Auf dem Flugzeugträger seien acht Leute eigens dafür angestellt, die Internet-Sicherheit zu überwachen und Computer-Viren aufzuspüren. Und wenn tatsächlich einmal ein bösartiges Programm im Umlauf sei, der den Datenbestand bedrohe, trenne sich das Schiff einfach vom restlichen Internet ab.