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Tag 1 nach der Bundestagswahl

28. September 2009

Während die Verlierer der Bundestagswahl noch ihre Wunden lecken, streben die Sieger rasche Koalitionsverhandlungen an. Schon in der nächsten Woche soll es losgehen.

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Frank-Walter Steinmeier, Guido Westerwelle und Angela Merkel (Foto: AP)
Sieger und Verlierer trafen sich am Wahlabend im TV-StudioBild: AP
Entsetzen bei Anhängern der SPD über die Prognose am Wahlabend (Foto: AP)
Entsetzen bei Anhängern der SPDBild: AP

Freude und Aufbruchstimmung bei Union und FDP, Verzweiflung bei der SPD, Tatendrang bei Grünen und Linken - so lässt sich der Tag nach der Wahl in Berlin zusammenfassen. Für die Sozialdemokraten war es ein bitteres Erwachen nach einer rabenschwarzen Wahlnacht. Die Partei hat mit nur noch 23 Prozent der Wählerstimmen ihr bisher schlechtestes Ergebnis erzielt und ein Drittel ihrer Abgeordneten verloren.

Entsprechend deprimiert war am Montagmorgen die Stimmung. Die nordrhein-westfälische Parteivorsitzende Hannelore Kraft, die im Mai die SPD in ihrem Bundesland in die nächste Wahl führen muss, sprach von einer Katastrophe und Generalsekretär Hubertus Heil nannte das Ergebnis eine "bittere Niederlage". "Jeder, der ein sozialdemokratisches Herz hat, und das haben nicht nur Sozialdemokraten, sondern viele, ist getroffen worden von diesem Ergebnis", sagte Heil. Die Partei müsse sich nun in der Opposition neu aufstellen müssen und in den nächsten Jahren ihren Anspruch als Volkspartei erneuern.

Keine Schadenfreude bei der Linken

Linke-Fraktionschef Gregor Gysi und Parteichef Oskar Lafontaine freuen sich am Waghlabend über die Zugewinne für ihre Partei (Foto: AP)
Gregor Gysi und Oskar Lafontaine feiern ihre ZugewinneBild: AP

Keine Schadenfreude löste der Niedergang der SPD bei deren ehemaligem Vorsitzenden Oskar Lafontaine aus. Er steht heute an der Spitze der Linkspartei, die ihre Position um 3,2 Prozentpunkte auf 11,9 Prozent deutlich verbessern konnte und nun mit 76 Abgeordneten in den Bundestag einziehen wird. Er könne sich über den Absturz der SPD nicht freuen, denn die Schwäche der Sozialdemokratie habe Union und FDP die Mehrheit gesichert, erklärte er.

Viele sozialdemokratische Wähler seien zu Hause geblieben, und das habe dann zu einem Ergebnis geführt, das "eigentlich paradox" sei: "In einer Zeit, in der die ganze Welt nach Regulierung und Staat ruft, wird die Truppe hier in Deutschland regieren, die immer gesagt hat: schlanker Staat und Deregulierung."

Freude und Stolz bei der FDP

Schlanker Staat und Deregulierung, das ist das Mantra der Freien Demokraten. Sie sind die großen Gewinner der Wahl. Mit 14,6 Prozent erreichten sie ihr bislang bestes Ergebnis und werden mit 93 Abgeordneten die drittstärkste Kraft im Parlament sein. Selbstbewusst trafen sich die liberalen Spitzenpolitiker am Morgen nach der Wahl zu ihren Gremiensitzungen.

FDP-Parteichef Guido Westerwelle am Wahlabend (Foto: AP)
FDP-Parteichef Guido Westerwelle am WahlabendBild: AP

Neben Parteichef Guido Westerwelle, der ins Auswärtige Amt strebt, dürfte auch sein Stellvertreter Rainer Brüderle für ein Ministeramt in Frage kommen. Von Personaldebatten wollte er aber zunächst nichts hören. Man müsse jetzt erst einmal in aller Ruhe beraten, sagte Brüderle. Das Wahlergebnis sei nur der erste Schritt, nun müsse man den Wählerauftrag in den Verhandlungen mit dem Koalitionspartner erfüllen.

Die Union: Sieger und Verlierer zugleich

Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht am Wahlabend im Konrad-Adenauer-Haus zu ihren Anhängern (Foto: AP)
Bundeskanzlerin Merkel am WahlabendBild: AP


Bei CDU und CSU war die Stimmung durchwachsen. Man hat zwar die Wahl gewonnen und Bundeskanzlerin Angela Merkel wird auch in Zukunft an der Spitze der Regierung stehen, aber dennoch musste die Union Einbußen hinnehmen. Sie verschlechterte ihr Ergebnis von 35,2 auf 33,8 Prozent, Verluste, die vor allem der bayerischen CSU zuzuschreiben sind. Trotzdem denkt man bei der Union nach vorn. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla kündigte an, dass man schon in der nächsten Woche mit den Koalitionsverhandlungen beginnen wolle: "Wir sind der Auffassung, sie sollten auch möglichst schnell zum Ende kommen. In einem Monat, das ist zumindest unser Ziel, sollte der Koalitionsvertrag stehen."

Wahlsieger und Verlierer zugleich sind auch die Grünen. Sie haben ihr Ergebnis zwar verbessern können. Ihr Wahlziel, drittstärkste Kraft zu werden, haben sie jedoch deutlich verfehlt. Stattdessen werden die Grünen im neuen Bundestag mit 68 Abgeordneten die kleinste Fraktion stellen.

Die Grünen: Oppositionspartei mit Schwung

Spitzenkandidat Jürgen Trittin zeigte sich am Morgen nach der Wahl mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Es schmerze ihn schon, dass die Grünen mit 10,1 Prozent der Wählerstimmen zwar ein Rekordergebnis eingefahren hätten und dennoch die katastrophalen Verluste der SPD nicht hätten ausgleichen können, sagte er. Trotzdem zeigten sich die Grünen am Tag 1 nach der Bundestagswahl kämpferisch. Man werde sich mit Leidenschaft in die Oppositionsarbeit stürzen, kündigten Parteichefin Claudia Roth an.

Autorin: Bettina Marx
Redaktion: Thomas Grimmer