Freispruch im Prozess um NS-Kriegsverbrechen
18. Juli 2011Sandor Kepiro war angeklagt, 1942 im serbischen Novi Sad die Hinrichtung von 36 Menschen, hauptsächlich Juden, angeordnet zu haben. Dort waren damals bei einem Massaker mehr als tausend Zivilisten getötet worden. Die Region stand unter ungarischer Besatzung.
Die Staatsanwaltschaft Budapest hatte am Montag (18.07.2011) eine lebenslange Haft gefordert sowie die Übernahme der Kosten des Verfahrens in Höhe von umgerechnet 16.500 Euro durch den Angeklagten. Kepiro hatte alle Beschuldigungen zurückgewiesen und als Lügen bezeichnet.
Das Gericht in Budapest hat den 97-jährigen nun in erster Instanz vom Vorwurf freigesprochen, an den Kriegsverbrechen beteiligt gewesen zu sein. Historiker, die als Experten in den Zeugenstand gerufen worden waren, schätzten die für die Anklage herangezogenen Dokumente als unvollständig oder als schlecht übersetzt ein.
Der meistgesuchte NS-Verbrecher?
Der frühere ungarische Gendarmerie-Offizier wurde bereits 1944 und 1946 von ungarischen Gerichten angeklagt. Im zweiten Verfahren wurde er in Abwesenheit zu 14 Jahren Haft verurteilt. Die Urteile wurden jedoch nie vollstreckt, weil Kepiro über Österreich nach Argentinien geflüchtet war. Dort lebte er fast 50 Jahre. 1996 kehrte Kepiro nach Ungarn zurück.
In Budapest spürte ihn 2006 der Direktor des auf der Suche von Kriegsverbrechern spezialisierten Simon-Wiesenthal-Zentrums, Efraim Zuroff, auf. Kepiro war auf Platz eins in der im Mai 2011 aktualisierten Liste der meistgesuchten NS-Kriegsverbrecher, die diese Menschenrechtsorganisation herausgibt. In der vorherigen Liste vom April 2008 war er nach Aribert Heim und John Demjanjuk die Nummer drei der gesuchten NS-Verbrecher. Nachdem 2009 bekannt wurde, dass Aribert Heim bereits 1992 gestorben war, und nachdem John Demjanjuk im Mai 2011 in München verurteilt war, rutschte Kepiro auf Platz eins.
Berufung möglich
Die Urteilsverkündung sollte am Dienstag in Budapest fortgesetzt werden. Jetzt wurde sie auf zwei Tage aufgeteilt, weil sich der Angeklagte aus Gesundheitsgründen täglich nur 45 Minuten lang konzentrieren kann. Gegen das Urteil des Stadtgerichts Budapest kann Berufung eingelegt werden.
Autorin: Olga Kapustina (dpa, afp, dapd)
Redaktion: Hajo Felten