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"Frau Architekt": Wenn Frauen Häuser bauen

12. August 2020

Der Architekturberuf ist eine Männerdomäne. Doch es gibt Frauen, die sich trotz aller Widerstände behauptet haben - wie die Schau "Frau Architekt" zeigt.

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Gebäude, das aussieht wie ein Tunnel, der von der Erde abhebt
Alison Brooks baute 2016 diesen Pavillon für die London Design WeekBild: picture-alliance/dpa/A. Rain

"Es braucht immer noch sehr viel Selbstvertrauen, um seinen Weg als Frau in der Architektur zu machen", sagt die bekannte englische Architektin Alison Brooks in der Ankündigung zur Ausstellung "Frau Architekt" in Düsseldorf. "Wir wachsen mit Helden und Göttern auf, die allesamt männlich sind." Brooks ist die bisher einzige britische Architektin, die den RIBA Stirling Prize, die Manser Medal und den Stephen Lawrence Prize gewonnen hat  Die 58-Jährige gilt als führende Stimme ihrer Generation. Und trotzdem leidet sie unter der mangelnden Gleichberechtigung in ihrem Beruf.

Auch die irakisch-britische Architektin Zaha Hadid, die 2004 als erste Frau den Pritzker-Preis erhielt, betonte bis zu ihrem plötzlichen Tod 2016 immer wieder, wie schwer es ihr gefallen sei, sich in der Männerdomäne Architektur zu behaupten. Als ihr vorgeworfen wurde, ihr Entwurf für das Stadion für die WM 2022 in Katar erinnere an eine Vagina, schüttelte sie, frustriert über soviel Ignoranz, nur den Kopf. Dass sich Frauen noch immer für ihre Bauten rechtfertigen müssen, erscheint mehr als überholt, zumal in Zeiten, in denen Bundeskanzlerinnen und Verteidigungsministerinnen das Sagen haben.

Villa Tugendhat in Brno, im Stil der klassischen Moderne in Weiß gebaut
Lilly Reichs Name wird oft vergessen, dabei hat sie die Villa Tugendhat in Brünn (heute Brno) zusammen mit Mies van der Rohe geplantBild: picture-alliance/dpa/I. Sefr

Vorurteil: Frauen taugen nicht zum Architekten

Hat sich denn noch immer nichts geändert? Wohl nicht, die Vorurteile sitzen tief. Noch immer, seit mehr als hundert Jahren. Sie lauten: Frauen können nicht rechnen und daher keine Budgets verwalten. Frauen können nicht dreidimensional denken. Frauen haben auf Baustellen nichts zu suchen. Solche Klischees hielten Frauen lange Zeit vom Architekturberuf fern. Heute ist das zwar nicht mehr der Fall, wie Zahlen belegen: Mehr weibliche als männliche Erstsemester starten ins Architekturstudium. 2018 absolvierten 60 Prozent ihren Master der Architektur.

Doch Architektinnen bleiben unsichtbar oder geben wegen der schweren Vereinbarkeit von Beruf und Familie auf. Die Erhebung der Bundesarchitektenkammer im Jahr 2016 ist ernüchternd: Der Anteil von Frauen im Bereich freischaffender Hochbauarchitekten beläuft sich gerade einmal auf knapp 22 Prozent. Unter gewerblich tätigen Stadtplanern sind es sogar nur neun Prozent. Hinzu kommt: Frauen verdienen deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen, im Schnitt 20 Prozent.

Rekonstruktion des Café "Samt und Seide" von Lilly Reich mit Einbauten aus Textilfäden
Rekonstruktion des Café "Samt und Seide", ebenfalls 1927 von Lilly Reich in Berlin entworfenBild: Sandra Hernández Yborra

Vor Architektinnen wurde gewarnt

Noch bevor man ihnen vor mehr als hundert Jahren in Deutschland überhaupt den Zutritt zum Studium gewährte, wurde sogar davor gewarnt, was sie anrichten würden, wenn man ihnen gestattete zu bauen. Trotzdem ließen sich viele kämpferische Frauen von soviel Häme nicht entmutigen. Und das sogar noch vor 1919, dem Jahr der vermeintlichen Gleichberechtigung, als Frauen das Wahlrecht zugestanden wurde. Da wäre Elisabeth von Knobelsdorff, die als erste Frau in Deutschland 1911 an der Königlichen Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg den Grad einer Diplomingenieurin der Architektur erwarb. Auch Prinzessin Viktoria zu Bentheim und Steinfurt errichtete eine Vielzahl von Gebäuden auf den Gütern ihrer Familie. Emilie Winkelmann eröffnete 1907 in Berlin als erste Frau in Deutschland ein Architekturbüro. Die Ausstellung "Frau Architekt. Seit über 100 Jahren: Frauen im Architekturberuf", die derzeit in der Architektenkammer in Düsseldorf gastiert, sowie der dazugehörende Begleitband präsentieren Architektinnen, die trotz aller Widerstände Baugeschichte geschrieben.

Fußgängerbrücke in Köln
1982 machte sich Verena Dietrich selbständig; 1993/1994 baute sie eine Fußgängerbrücke in KölnBild: Harald Oppermann

Frauen in der Architektur vor 1945

Frauen mussten besonders engagiert vorgehen, denn ihnen wurden viele Steine in den Weg gelegt. Um die Jahrhundertwende wurde sogar darüber diskutiert, welche Kleidung Frau Architekt denn bei ihrer Arbeit tragen solle. Ein Kittel, wie man ihn von Bildhauern kennt, sei angemessen. Hosen? Ein Skandal. Liberaler ging es in den USA zu: "Meine mit mir selbst gemachten Erfahrungen lehren mich, dass es kein Hindernis gibt, das eine Frau, die für das Fach Interesse und Neigung hat, nicht zu bewältigen vermöchte", gibt die Bostoner Architektin Lois L. Howe 1902 zu Protokoll. Drei der ersten Architektinnen in Deutschland - Emilie Winkelmann, Therese Mogger und Elisabeth von Knobelsdorff - profitierten erst spät davon, was Frauen in den USA vorantrieben. Den nächsten Tiefschlag brachte der Nationalsozialismus. Im Dritten Reich wurde die Bautätigkeit von staatlicher Seite streng kontrolliert. Im Holocaust starben außerdem 100 jüdische Architektinnen, darunter auch die Bauhausstudentinnen Friedl Dicker-Brandeis und Zsuzsanna Bánki.

Männliche Blickweise ist auch in der Nachkriegszeit prägend

In den 1950er und 1960er Jahren herrschte in Deutschland nicht gerade Aufbruchsstimmung. Frauen gehörten an den Herd. In der Architektur bedeutete dies: Rückzug auf weiblich konnotierte Bereiche wie das Entwerfen von Wohnprojekten und Einrichtungen für Jugendliche und Kinder oder auf Innenräume, wie es in dem Begleitbuch zur Ausstellung nachzulesen ist. Einige Frauen konnten dennoch öffentliche Gebäude planen. In der DDR sorgte Iris Dullin-Grund, die 1965 das Haus der Kultur und Bildung in Neubrandenburg entwarf, für Aufmerksamkeit, und in den 1970er und 1980er Jahren Gertrud Schille, die die Pläne für den VEB Carl Zeiss-Jena Planetarien für den internationalen Export zeichnete. Solche Ausnahmearchitektinnen gab es auch in der BRD: Sigrid Kressmann-Zschach in West-Berlin durfte Geschäftshäuser bauen, Ingeborg Kuhler machte sich spätestens 1990 mit dem Museum für Arbeit und Technik in Mannheim einen Namen.

Drei Bauten von Zaha Hadid
Zaha Hadid war eine der wenigen Stararchitektinnen des 2000er JahreBild: Zaha Hadid Architects/dpa/C. Charisius

Und heute? "Architektinnen brauchen die Unterstützung von Frauen, die es bereits geschafft haben", sagte Zaha Hadid, als ihr im Jahr 2012 der Jane Drew Preis, eine Auszeichnung für herausragende Architektinnen, verliehen wurde. "Es gibt heute zwar mehr etablierte und respektierte Architektinnen als jemals zuvor. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass es einfach geworden ist."

Frauen als Inhaberinnen von Büros sind noch immer eine Seltenheit. Das liegt auch an der Unvereinbarkeit dieses zeitfressenden Berufs und dem Kinderwunsch. Der Architekt, der als Halbgott mit schwarzem Anzug, dunkler Brille und Helm auf dem Kopf, ganze Städte entwirft, ist in der öffentlichen Vorstellung nach wie vor männlich.

Die Ausstellung "Frau Architekt" ist in Kooperation mit dem Deutschen Architekturmuseum (DAM), Baukultur NRW und der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen vom 12. August bis zum 2. Oktober 2020 in der Architektenkammer in Düsseldorf zu sehen.

Autorin Sabine Oelze
Sabine Oelze Redakteurin und Autorin in der Kulturredaktion