Strafen für Frankreichs Freier
13. Juni 2015Die Nationalversammlung in Paris hat ein Gesetz gegen Prostitution verabschiedet. Mit der Mehrheit der regierenden Sozialisten stimmten die Abgeordneten in zweiter Lesung für die ursprüngliche Fassung eines Gesetzentwurfs, aus dem der Senat zuvor die Bestrafung von Freiern wieder herausgestrichen hatte.
Fast zeitgleich hatte ein Gericht im nordfranzösischen Lille den einstigen IWF-Chef und früheren sozialistischen Spitzenpolitiker Dominique Strauss-Kahn als einfachen "Kunden" von Prostituierten vom Vorwurf der Zuhälterei freigesprochen. Kunden von Prostituierten werden derzeit in Frankreich nicht bestraft. Strauss-Kahn hatte an ausschweifenden Sexpartys mit Callgirls teilgenommen, die Partys nach Ansicht des Gerichts aber nicht mitorganisiert.
Das Parlament entschied nun, dass Kunden von Prostituierten künftig mit bis zu 1500 Euro Geldstrafe belegt werden können. Zudem sieht der Gesetzentwurf zum verstärkten Kampf gegen Prostitution eine Reihe von Maßnahmen vor, um Prostituierten den Ausweg aus dem Gewerbe zu ermöglichen. Die Nationalversammlung strich auch einen Straftatbestand des "Kundenfangs" wieder. Dabei drohen den Prostituierten bislang zwei Monate Haft und 3750 Euro Geldbuße. Der Gesetzentwurf geht nun wieder zurück in den Senat. Allerdings hat bei Gesetzentwürfen die Nationalversammlung das letzte Wort.
Straftat Aufreizen
Der Straftatbestand des "Kundenfangs" war 2003 unter dem damaligen konservativen Innenminister und späteren Präsidenten Nicolas Sarkozy gesetzlich verankert worden. Unter Strafe gestellt wurde auch das "passive" Anwerben von Kunden. Es genügt also, dass Prostituierte sich beispielsweise mit einer als aufreizend empfundenen Kleidung an einschlägig bekannten Orten aufhalten, um sich strafbar zu machen.
Für Kritiker machte das Gesetz Prostituierte nicht nur zu potenziellen Opfern von Polizeiwillkür. Vor allem zwang es die Frauen nach Einschätzung von Hilfsorganisationen, im Verborgenen zu arbeiten und sich damit einer größeren Gefahr auszusetzen. Befürworter halten die Regelung aber im Kampf gegen Zuhälter- und Menschenschlepperbanden für hilfreich, weil die Befragung von Prostituierten den Ermittlern Erkenntnisse liefern könnte.
Bei den Plänen, statt der Prostituierten die Freier zu bestrafen, ist Schweden Vorbild, das diese Maßnahme bereits 1999 einführte. Die sozialistischen Abgeordneten Catherine Coutelle und Maud Olivier betonten, 90 Prozent der Prostituierten seien Opfer von Menschenhandel und sollten aus dieser Form "moderner Sklaverei" befreit werden.
Allerdings argumentieren Kritiker, dass auch eine Strafandrohung gegen Freier die Prostituierten zwinge, heimlich zu arbeiten und damit in ständiger Gefahr von Gewalt. Zahlreiche Prominente, unter ihnen Filmlegende Catherine Deneuve und der Erfolgs-Schriftsteller Frédéric Beigbeder, haben sich gegen eine Bestrafung von Freiern ausgesprochen - außerdem Prostituiertenverbände und Hilfsorganisationen.
In Frankreich gibt es Schätzungen zufolge rund 30.000 Prostituierte. Die meisten der Frauen kommen aus Osteuropa, Afrika, China und Südamerika.
stu/wl (afp, dpa)