Frankreichs Nationalheiligtum: Restauration in Rekordzeit
4. Dezember 2024Notre Dame ist nicht irgendeine Kirche, sondern in Frankreich so etwas wie ein Nationalheiligtum. Wohl deshalb wandte sich Staatspräsident Emmanuel Macron sofort nach der Brandnacht am 16. April an die geschockte Nation: In nur fünf Jahren sollte die schwer beschädigte gotische Bischofskirche renoviert und wiederaufgebaut werden, versprach Macron, und zwar "schöner als vorher".
Für das "nationale Projekt" floss denn auch reichlich Geld. Bürokratische Hürden existierten praktisch nicht. So kam es, dass die generalstabsmäßig geplanten Arbeiten bis zuletzt im Zeitplan lagen, offiziell zumindest. Am 7. Dezember soll Notre Dame nun mit einer feierlichen Zeremonie wiedereröffnet werden. Macron will in Anwesenheit zahlreicher Staats- und Regierungschefs eine Ansprache auf dem Vorplatz halten; immerhin gehört die Kathedrale dem Staat. Tags darauf soll Erzbischof Laurent Ulrich eine erste feierliche Messe feiern, bei der auch der neue Altar geweiht wird.
Alte Kirche in neuem Glanz
Wer Notre Dame noch aus der Zeit vor dem Brand kennt, wird staunen: Die Wände sind von jahrhundertealtem Ruß und Dreck befreit. Durch die gereinigten Fenster fällt mehr Licht als vorher, was die frischen Farben und das Blattgold der Wandmalereien zum Strahlen bringt. Auch die 2300 Statuen und 8000 Orgelpfeifen sind frisch geputzt. Erst kürzlich hat man 1500 neue Stühle eingebaut, nicht ohne sie vorher zu segnen. Gut eintausend Kubikmeter Steine mussten bewegt, 2.000 Tonnen Gerüst aufgestellt und wieder abgebaut werden. Fast 250 Unternehmen und Ateliers waren an der Restaurierung beteiligt.
Wer hätte gedacht, dass die zwischen 1163 bis 1345 errichtete Kirche noch einmal zur "Jahrhundertbaustelle" würde? Kosten bis dato: 700 Millionen Euro. In einer beispiellosen Spendensammlung waren rund 840 Millionen Euro zusammengekommen. Mit den verbleibenden 150 Millionen will man die ohnehin nötige Restaurierung der Apsis und der Strebepfeiler angehen. Die Arbeiten beginnen nach der Wiedereröffnung und dauern noch einmal drei Jahre.
"Das Wunder von Notre Dame"
Fünf Jahre liegt die Brandkatastrophe zurück, die damals weltweites Entsetzen auslöste: Die Feuerwehr kämpfte vier Stunden, bis sie den Brand auf den hölzernen Dachstuhl eingrenzen konnte. Das Ausmaß der Zerstörung war nicht so groß wie zunächst befürchtet: Zwar stürzte der Vierungsturm ein und mit ihm drei Gewölbefelder. Im Chor klaffte ein Loch. Doch die gotische Madonna blieb unversehrt, obwohl neben ihr der Vierungsturm herabstürzte. "Das Wunder von Notre Dame", nannte das Barbara Schock-Werner, die deutsche Kathedralen-Expertin seinerzeit im DW-Interview.
"Die Gefahr, dass die ganze Kirche einstürzt, war groß", erinnert sich Schock-Werner, "es hätte nur einen Sturm gebraucht, und der Schaden wäre immens gewesen." Doch Paris hatte Glück im Unglück. Viel verheerender wirkte sich das "Bleiproblem" aus: Vom Bleidach der Notre Dame fielen Platten herab, andere schmolzen. Blei verteilte sich im Gewölbe. Giftiger Bleistaub legte sich auf alles. Die Bauarbeiten wurden erschwert. "Das waren schon ziemlich große Herausforderungen", so Schock-Werner.
Gebäude noch zu feucht?
Gemeinsam mit dem damaligen deutsch-französischen Kulturbeauftragten Armin Laschet koordinierte die ehemalige Kölner Dombaumeisterin die deutschen Hilfen. So konnten vier Obergadenfenster der Basilika in der Kölner Dombauhütte vom Bleistaub befreit und repariert werden. Die Klöppel für die Glocken von Notre Dame lieferte ein Familienbetrieb aus dem niederbayerischen Anzenkirchen.
Die schnelle Restaurierung der Notre Dame nötigt der deutschen Expertin viel Respekt ab. Doch die Mischung aus Zeitdruck und Geld hat auch ihre Schattenseite: "Das Gebäude ist eigentlich noch zu feucht", warnt die Architektin und Kathedralen-Expertin, "man kann nur hoffen, dass die Schlämme (isolierender Wandputz, Anm. d. Red.) im Innenraum hält." Mehr Zeit zum Trocknen hätten wohl auch die frischen Eichenhölzer für den Dachstuhl gebraucht. "Normalerweise lässt man Eiche liegen, bis sie trocken ist und verwendet sie erst dann. Aber das war natürlich dem Zeitdruck geschuldet. Und man kann nur hoffen, dass das gut geht."
"Ein französischer Erfolg"
Noch unklar ist, wie Paris den erwarteten Besucheransturm auf Notre Dame bewältigen will. Frankreichs Kulturministerin Rachida Dati möchte Eintrittsgebühren erheben, die katholische Kirche lehnt das ab. Die Stadt Paris erwägt, die Tiefgarage vor der Kathedrale in ein Besucherzentrum zu verwandeln.
Frankreichs innenpolitisch angeschlagener Präsident Macron verbucht den Kraftakt von Notre Dame, laut Elysée-Palast, jedenfalls als " französischen Erfolg". Die Kathedrale erstrahlt in neuem Glanz - und darin wollen sich am Eröffnungswochenende auch viele der rund 3.000 eingeladenen Gäste sonnen, unter ihnen 50 Staatschefs und Prominente. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reist ebenso an die Seine wie der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.
Im letzten Moment hat - via Truth Social - auch der designierte US-Präsident Donald Trump sein Kommen angekündigt. Macron habe mit der Restaurierung einen "tollen Job gemacht", so Trump. Paris dürfte während der Eröffnungsfeier einer Festung gleichen: rund 6000 Sicherheitskräfte sind im Einsatz.