Frankreichs Kandidaten und die Wirtschaft
24. April 2017Das Versprechen, etwas gegen die hohe Arbeitslosigkeit zu unternehmen, gehört zu jedem Wahlkampf in Frankreich. Schon viele Politiker sind daran gescheitert, zuletzt der amtierende Präsident Francois Hollande. Er wolle sich am Kampf gegen die Arbeitslosigkeit messen lassen, sagte er 2012, und versprach eine Millionen neue Arbeitsplätze. Doch geschehen ist nichts, noch immer sind rund 3,5 Millionen Franzosen ohne Arbeit.
Deutschland hatte vor gut zehn Jahren eine noch höhere Arbeitslosigkeit als Frankreich. Seitdem ist die Quote ständig gefallen und liegt heute nach EU-einheitlichen Berechnungen bei 4,1 Prozent. In Frankreich sind es 10,1 Prozent. Die Kandidaten Emmanuel Macron und Marine Le Pen wollen das ändern.
Macron will Arbeit für Unternehmen günstiger machen - durch Steuererleichterungen, zum Teil auch auch durch geringere Sozialabgaben. Le Pen will die französische Firmen stärken, indem sie den internationalen Wettbewerb beschränkt.
Hohe Arbeitslosigkeit ist mit hohen Kosten verbunden. Fast ein Drittel der jährlichen Wirtschaftsleistung wird in Frankreich für Sozialleistungen ausgegeben, in Deutschland sind es nur ein Viertel. Gleichzeitig hat der Staat in Frankreich einen viel größeren Einfluss auf die Wirtschaft: Die Staatsquote, also der Anteil der staatlichen Ausgaben an der gesamten Wirtschaftsleistung, liegt bei 56 Prozent.
Jeder fünfte Arbeitnehmer in Frankreich ist im öffentlichen Dienst beschäftigt. Politiker, die daran etwas ändern wollen, machen sich schnell unbeliebt. Gewerkschaften haben im öffentlichen Dienst großen Einfluss - und scheuen nicht vor Streiks zurück.
Sollte er Präsident werden, will Macron innerhalb von fünf Jahren 120.000 Beamtenstellen abbauen. Außerdem plant er eine Reform der Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Marine Le Pen will Arbeitsverträge mit Ausländern durch eine zusätzliche Steuer belasten.
In Deutschland wurden die Arbeitskosten durch das Reformprogramm "Agenda 2010" verringert. Seitdem gibt es weniger Arbeitslose, aber die Zahl prekärer Beschäftigungsverhältnisse hat zugenommen. Weder Macron noch Le Pen haben sich bislang für diesen Weg ausgesprochen.
Die hohe Staatsquote in Frankreich gilt vielen Ökonomen als ein Grund für mangelnde Dynamik in der Wirtschaft. Hinzu kommt, dass das Land an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt hat. Frankreichs Anteil am weltweiten Warenhandel hat sich in den vergangenen 25 Jahren halbiert.
Innerhalb Europas sind Frankreich und Deutschland die jeweils wichtigsten Handelspartner. Doch Frankreich kauft weit mehr aus Deutschland ein als umgekehrt. Das französische Handelsdefizit mit dem Nachbarn betrug im vergangenen Jahr 36 Milliarden Euro.
Französische Politiker gehören zu den lautstärksten Kritikern der deutschen Exportüberschüsse, auch Macron hat sie im Wahlkampf als "nicht tragbar" kritisiert. Grundsätzlich bekennt sich Macron aber zum Freihandel.
Dagegen steht Le Pen für Protektionismus. Sie will Importe generell mit einer "Sozialabgabe" von zusätzlich drei Prozent belegen. Ähnlich wie US-Präsident Donald Trump plant sie zudem eine Strafsteuer für Firmen, die ihre Produktion von Frankreich ins Ausland verlagert haben. Deren Importe sollen dadurch um bis mit zu 35 Prozent teurer werden.
In Europa wächst die Wirtschaft nur schleppend, und Frankreich ist da keine Ausnahme. Zwischen 2005 und 2015 hat das Bruttoinlandsprodukt hier im Schnitt nur um 0,9 Prozent jährlich zugelegt. In Deutschland waren es 1,4 Prozent.
Beim Staatshaushalt werden die Probleme deutlicher: Auch in diesem Jahr wird es Frankreich nicht gelingen, das Defizit unterhalb der im Euroraum geltenden Grenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung zu halten. Zudem beträgt die gesamte Staatsverschuldung 96 Prozent und entspricht damit fast der Wirtschaftsleistung eines ganzen Jahres.
Macron will die Staatsausgaben innerhalb seiner Amtszeit um 75 Milliarden Euro reduzieren. Gleichzeitig kündigte er ein Investitionsprogramm von 50 Milliarden Euro an. Le Pen hat dagegen kein Sparziel formuliert. Rätselhaft blieb ihre Ankündigung, die französischen Staatsschulden, die zu zwei Dritteln in ausländischer Hand liegen, zu "renationalisieren".
Auch wenn beide Kandidaten in vielen Punkten vage bleiben - der Schuldenstand könnte sich sowohl unter Macron als auch Le Pen erhöhen. Mehr Schulden allerdings würden die Konflikte mit den Stabilitätswächtern in Brüssel noch verschärfen.
Le Pen will daher, dass Frankreich die Eurozone verlässt und über den Verbleib in der EU abstimmt. Aus ihrer Sicht würde das Land so seine Souveränität wiedererlangen.
Macron will dagegen sogar mehr Europa. Im Wahlkampf hat er sich für eine europäische Wirtschaftsregierung und einen gemeinsamen Haushalt der Euroländer ausgesprochen.