Frankfurt dominiert die Branche
12. Oktober 2011"Jeder kommt nach Frankfurt, weil jeder nach Frankfurt kommt!" Was sich zunächst wie ein Kalauer anhört, ist seit vielen Jahren das Erfolgsgeheimnis der Frankfurter Buchmesse. Jedes Jahr im Oktober kommen tausende Mitarbeiter von Verlagen, Buchhandlungen, Bibliotheken, Literaturagenturen und vor allem Schriftsteller und Buchliebhaber in die Stadt am Main. Nicht zuletzt die Medien haben die Messe als idealen Ort entdeckt: Weder Olympische Spiele noch Fußball-Weltmeisterschaften können mithalten, wenn es um die Zahl der Berichterstatter geht.
Warum dies so ist, erklärt sich tatsächlich aus dem Zitat vom Anfang des Artikels: Zwar haben inzwischen die meisten europäischen, asiatischen und amerikanischen Länder ihre eigenen Buchmessen, allerdings bietet nur Frankfurt die Gelegenheit, alle diejenigen zu treffen, die wirklich von Bedeutung sind in der Welt der Bücher. Doppelt so viele britische Aussteller wie in London kommen nach Frankfurt. Mehr französische Aussteller kommen nach Frankfurt als nach Paris. Gut zwei Drittel der Aussteller in Frankfurt kommen aus dem Ausland – so etwas nennt man mit Fug und Recht eine internationale Messe.
Buchstandort mit Tradition
Frankfurt hat aber nicht nur die größte Buchmesse der Welt, die Stadt kann auch auf die längste Tradition zurückblicken: Seit dem Spätmittelalter wurden bei den Frankfurter Messen Manuskripte gehandelt, und als Johannes Gutenberg im benachbarten Mainz im 15. Jahrhundert den Buchdruck erfand, da kam er nach Frankfurt, um seine Produkte zu verkaufen. Schon damals kamen Drucker und Händler aus ganz Europa nach Frankfurt; von Köln aus fuhr ein eigenes "Bücherschiff", mit dem die Messebesucher aus Flandern anreisen konnten.
Dieser pan-europäische Buchhandel mit dem Zentrum Frankfurt war möglich, weil seinerzeit das Lateinische als "lingua franca" funktionierte – die Reformation veränderte dies, sie bedeutete die Hinwendung zu Büchern in nationalen Sprachen. Die Reformation brachte auch den Kaiser als Sachwalter der Belange der katholischen Kirche ins Spiel: Frankfurt als freie Reichsstadt war dem Hof direkt unterstellt, wer hier Bücher handeln wollte, musste sich den drakonischen Zensurbestimmungen unterwerfen. Dies brachte Frankfurt ins Abseits, das protestantische Leipzig blühte auf als europäisches Buchhandelszentrum; im 18. Jahrhundert war Schluss mit den Frankfurter Büchermessen.
Neustart nach dem Krieg
Erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs, im Jahr 1949, veranstaltete der Börsenverein des Deutschen Buchhandels - die Branchenorganisation der Buchhändler und Verleger - wieder eine Buchmesse in Frankfurt. In der Folge wuchs die Messe rasant, und 1964 gründete der Börsenverein dafür eine eigene Gesellschaft. Diese "Ausstellungs- und Messe GmbH" vermochte es, die Frankfurter Buchmesse zu einem wirklich globalen Ereignis zu machen: Neben den klassischen "Buchländern" aus Europa und Nordamerika stieg die Teilnahme von Ausstellern aus Lateinamerika, Asien, Afrika und Ozeanien beständig an. Die allmähliche Öffnung gegenüber den Ländern der sowjetischen Einflusszone wurde in Frankfurt vorweggenommen. Heutzutage sind regelmäßig mehr als 7000 Firmen aus rund 100 Ländern in Frankfurt präsent.
Ein wesentlicher Grund für den nachhaltigen Erfolg Frankfurts liegt begründet in der Tatsache, dass man fast immer ein gutes Gespür hatte für die Entwicklung des weltweiten Buchmarktes. Der Internationalisierung des Buchgeschäfts trug man durch die Einführung der Länderschwerpunkte Rechnung, ab Mitte der 90er Jahre wurden elektronische Medien zu einem wichtigen Thema gemacht. Ab 2003 öffnete sich die Buchmesse für die Film- und TV-Industrie und setzte durch die Einführung einer Vielzahl von Veranstaltungsforen einen deutlichen Schwerpunkt auf die Vermarktung von Büchern.
Zum Anfassen und Schmökern
Die heutige Frankfurter Buchmesse ist in weiten Bereichen eine "Messe zum Anfassen" – die lange Zeit des Bemühens um eine Konzentration auf das Fachpublikum ist vorbei. Allenfalls im internationalen Ausstellerbereich, der durch das Geschäft mit Übersetzungsrechten und anderen Lizenzen angetrieben wird, kann heute von einer echten Fachmesse gesprochen werden. Im deutschsprachigen Ausstellerbereich gilt die Konzentration dem Publikum, vor allem, weil die Gepflogenheiten der Branche sich verändert haben: Während bis in die 80er Jahre hinein die Buchmesse ein wichtiger Ort für die Bestellung von Büchern durch den Buchhandel war, kommen heute nur noch wenige Buchhändler zur Messe. Unter den rund 300.000 Besuchern, die jedes Jahr auf das Messegelände strömen, machen Buchhändler weniger als zwei Prozent aus.
Nicht zuletzt das Fehlen von Einkäufern ist in den vergangenen Jahren zu einem Problem der Frankfurter Buchmesse geworden: Vor allem kleinere und mittlere Verlage haben die Illusionen bezüglich der Wirtschaftlichkeit ihres Messeauftritts verloren. Für die Buchmesse bedeutet diese Entwicklung, dass man andernorts nach Wachstumsmöglichkeiten suchen muss: Seit 2003 wird deshalb eine Strategie der Internationalisierung verfolgt. Die Cape Town Book Fair, die seit 2006 jährlich abgehalten wird, ist ein solches Projekt, das gemeinsam mit dem Verlegerverband Südafrikas betrieben wird. In Abu Dhabi ist die Frankfurter Buchmesse an dem Ausrichter der dortigen Buchmesse beteiligt, und neuerdings hat man Brasilien ins Visier genommen. Der Versuch, die London Book Fair durch eine eigene Veranstaltung vom Markt zu fegen, scheiterte im Jahr 2006 allerdings kläglich.
Autor: Holger Ehling
Redaktion: Gabriela Schaaf