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Fröhlich: "Das Spiel ist sogar noch schneller geworden"

Sinem Özdemir
14. Juni 2020

Der Sportliche Leiter für Profi-Schiedsrichter beim DFB, Lutz Michael Fröhlich, spricht im DW-Interview über die Schiedsrichter und ihren Weg, sich auf die Geisterspiele einzulassen.

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DFB Pokal | FC Bayern Muenchen v Eintracht Frankfurt
Bild: picture-alliance/Witters/Pool/Kokenge/nordphoto

DW: Herr Fröhlich, wie intensiv wurde das Hygienekonzept mit dem Deutschen Fußball Bund (DFB) und den Schiedsrichtern abgestimmt?

Lutz Michael Fröhlich: Was die vorbereitenden Aufgaben zu diesem gemeinsamen Hygienekonzept angeht, gab es eine so genannte "Task Force Sportmedizin / Sonderspielbetrieb" unter der Leitung von DFB-Nationalmannschaftsarzt Tim Meyer. Das Schiedsrichterwesen war eingebunden über die Administration, über die "Abteilung Schiedsrichter" beim DFB, die dann immer wieder die Erkenntnisse mit der sportlichen Leitung der Elite-Schiedsrichter besprochen hat. Über diesen Weg konnten wir unsere wesentlichen Punkte platzieren.

Welche Auswirkungen hätte ein positives Testergebnis bei einem Schiedsrichter?

Wenn ein Test positiv wäre, dürfte der Schiedsrichter nicht eingesetzt werden. Wir müssten dann einen anderen Schiedsrichter einsetzen. Daher testen wir vor dem Spieltag immer ein bis zwei Schiedsrichter und Schiedsrichterassistenten zusätzlich prophylaktisch. Denn wenn dieser Fall eintreten sollte, haben wir dann ein Backup zur Verfügung. Wir hatten aber bis jetzt noch kein positives Testergebnis und hoffen, dass dies auch so problemlos weitergeht.

Es gibt aber auch Kritik an der Umsetzung dieser neuen Regelungen.

Das Hygienekonzept hat letztendlich die oberste Priorität. Die Schiedsrichter beispielsweise verhalten sich im Stadion so, dass sie die Mund- und Nasenschutzmaske tragen und diese dann erst abnehmen, wenn sie auf das Spielfeld gehen. Erst kommt die eine Mannschaft, dann die andere Mannschaft und zum Schluss die Schiedsrichter. Das ist schon alles darauf ausgerichtet, dass man Abstand hält und keine unnötigen Kontakte provoziert. Die Schiedsrichter sind im Umgang mit den Spielern auch angehalten, bei den Dialogen mit Spielern auf den Abstand zu achten.

Wie ist es in Zeiten der Pandemie, ein Spiel zu leiten?

DFB-Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich zieht ein zufriedenes Geisterspiel-Fazit
DFB-Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich zieht ein zufriedenes Geisterspiel-Fazit Bild: picture-alliance/SvenSimon/F.Hoermann

Die ersten beiden Spieltage nach dem Corona-Break waren sehr anständig, sehr sportlich, sehr fair, sehr kooperativ. Fast alles war ein Miteinander auf dem Spielfeld. Alle haben sich gegenseitig geholfen und lösungsorientiert gearbeitet. Die Atmosphäre ohne Zuschauer ist jedoch ungewohnt, auch die Schiedsrichter mussten sich da auf eine neue Situation einstellen. Es reduziert sich alles nur auf den Sport, auf die Emotionalität ausschließlich auf dem Spielfeld. Eine Emotionalität aufgrund der Wechselwirkung zwischen den Fans im Stadion und dem Verhalten der Spieler gibt es im Moment nicht. Aber unser Eindruck ist, dass sich alle ab dem dritten Spieltag nach der Pause daran gewöhnt haben und es auf dem Spielfeld fast wieder normal abläuft. So hat die Zweikampfintensität wieder deutlich zugenommen, auch die Anzahl der gelben Karten, die Anzahl kritischer Spielsituationen und die Unsportlichkeiten sind wieder auf Normallevel.

Heißt das, das Tempo des Spiels blieb gleich und dass es bis jetzt keine zusätzliche körperliche Belastung für die Spieler und Schiedsrichter gab? 

Im Gegenteil, das Tempo selbst im Spiel ist sogar zum Teil höher und hält länger an als vorher. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Mannschaften jetzt die Möglichkeit haben, fünf Mal auszuwechseln. Dadurch haben beide Mannschaften zwei Spieler mehr zum Einwechseln. Sie haben nun ein zusätzliches "Frische-Potential", was sich durchaus auch auf das Tempo auswirkt.

Welche der aktuellen Änderungen im Fußball könnten nach der Krise Bestand haben?

Ich denke da zum Beispiel an die Auswechslungen. Das ist eine Regeländerung, die den Fußball attraktiver machen könnte, weil sie mehr Variabilität und eine höhere Flexibilität im Spiel ermöglicht.

Lutz Michael Fröhlich ist ein ehemaliger Schiedsrichter sowohl in der 1. Bundesliga (200 Spiele) als auch in der 2. Bundesliga (84). Der 62-Jährige beendete seine aktive Karriere im Jahr 2005 im Alter von 47 Jahren. Von 2005 bis 2008 arbeitete er ehrenamtlich im Bereich der Schiedsrichterausbildung und -entwicklung. Von 2008 bis 2016 war er als hauptamtlicher Leiter der Abteilung Schiedsrichter beim DFB in Frankfurt beschäftigt. Seit 2010 ist er Mitglied in der sportlichen Leitung der DFB-Elite-Schiedsrichter. Seit 2016 ist er als Vorsitzender der Schiedsrichterkommission Elite auch Sportlicher Leiter der Elite-Schiedsrichter. Fröhlich ist gelernter Bankkaufmann und hat anschließend ein Studium zum Diplom-Kommunikationswirt abgeschlossen. Er ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern. 

Das Interview führte Sinem Özdemir.