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Foltern gegen Terror

Daniel Scheschkewitz1. Dezember 2008

Das internationale Folterverbot gilt uneingeschränkt und absolut. Theoretisch. In Wirklichkeit ist es seit den Anschlägen des 11. September systematisch ausgehöhlt worden. Von den USA, aber auch von anderen Staaten.

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Ein Gefangener in Guantanamo wird zu seiner Zelle gebracht (Foto: AP/2002)
Ein Gefangener in Guantanamo wird zu seiner Zelle gebrachtBild: AP

Als "ius cogens", als zwingendes Recht, gilt das Folterverbot uneingeschränkt auch in Kriegszeiten oder während eines Ausnahmezustands. Auf einen solchen hatten sich die USA berufen, als die Bush-Regierung nach den Anschlägen am 11. September 2001 im Kampf gegen den Terror die Absolutheit des Folterverbots in Frage zu stellen begann. Zum Beispiel in den später widerrufenen Foltermemoranden des Justizministeriums aus dem Jahr 2005, durch die umstrittenen Verhörpraktiken im Gefangenenlager Guantanamo oder die Verschleppungsflüge der CIA.

UN-Beauftragter Manfred Nowak (Foto: AP/2005)
UN-Beauftragter Manfred NowakBild: AP

Eine systematische Aushöhlung des Menschenrechts auf Unversehrtheit, die den Menschenrechtsbeauftragten der UNO, Manfred Nowak vor allem deshalb bedenklich stimmt, weil sie von einem Rechtsstaat wie den USA initiiert wurde: "Wir haben die historische Erfahrung gemacht, dass Staaten, die eigentlich nicht foltern und dies dann in Ausnahmesituationen doch tun, einen Tabubruch begehen, der sich, wie in den lateinamerikanischen Ländern in den 1970er Jahren zu beobachten war, sehr schnell zu einer systematischen Praxis ausweiten kann."

Negativer Trendsetter USA

Zwar sei die Folter gegenüber politischen Gefangenen weltweit immer noch die Ausnahme, sagt Nowak, doch die Vereinigten Staaten hätten durch die Aufweichung des Folterverbots ein weltweit negatives Vorbild geliefert. Auch in Jordanien und in der Russischen Föderation wird der Terrorismus bekämpft. Ebenso in Indonesien oder Sri Lanka. "In diesen und anderen Ländern, in denen ich in den vergangenen Jahren Missionen durchgeführt habe, wurde ich immer wieder gefragt: 'Warum kritisiert man uns für Folter, wenn sogar die Vereinigten Staaten, die ja die Begründer der Menschenrechte sind, ganz offen foltern?'", so Nowak.

Irakischer Gefangener mit Elektrokabeln an den Händen im Gefängnis Abu Ghraib, der mit angekündigten Stromstößen unter Druck gesetzt wurde. Die Bilder aus dem US-Gefängnis wurden 2004 veröffentlicht und sorgten für einen Riesenskandal weltweit (Foto: AP/undatiert)
Irakischer Gefangener mit Elektrokabeln an den Händen im Gefängnis Abu Ghraib, der mit angekündigten Stromstößen unter Druck gesetzt wurdeBild: AP

Der Begriff Folter ist in der Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen definiert. Der zentrale Begriff ist dabei "die grausame und erniedrigende Behandlung" des Menschen. Dazu zählt neben dem bewussten Zufügen von körperlichem Schmerz auch die seelische Erniedrigung, wie Wolfgang Heinz, Folterexperte beim deutschen Institut für Menschenrechte, betont. "Dabei wird dieser Schmerz einer Person durch den Angehörigen einer staatlichen Einrichtung zugefügt." Dies können Geheimdienstmitarbeiter sein oder aber - wie im Falle des Irak - durch die US-Regierung beauftragte private Sicherheitsdienste.

Europäische Mitschuldige

Aber an den Verstößen gegen das Folterverbot haben sich nach den Untersuchungen des Europarats, den Wolfgang Heinz als Experte berät, auch EU-Staaten wie Polen oder Rumänien beteiligt. Diese Länder hatten den USA nach 2001 erlaubt, Geheimlager für die von den USA verschleppten Gefangenen im Kampf gegen den Terror auf ihren Territorien einzurichten. Für diese so genannten schwarzen Lager tragen in erster Linie die Betreiber, also die USA die Verantwortung. "Aber auch die 'Gastgeberstaaten', in diesem Falle Polen und Rumänien, tragen eine Mitverantwortung, da sie ja völkerrechtliche Verpflichtungen eingegangen sind, so wie die zum absoluten Verbot der Folter", sagt Heinz. Ob die schwarzen Lager in Rumänien, Polen oder anderswo inzwischen aufgelöst wurden, darüber gibt es bislang nur unzureichende Erkenntnisse.

Rückkehr zum Status quo ante

Für das Jahr 2003 sprach man in den USA von weltweit rund 3000 Terrorverdächtigen, die an Orten, die keiner rechtsstaatlichen Kontrolle unterliegen, festgehalten wurden. Inzwischen ist ihre Zahl in Guantanamo auf ca. 250 Gefangene zurückgegangen.

Der künftige US-Präsident Barack Obama hat angekündigt, das Gefangenenlager auf Kuba schließen zu wollen. Dabei könnte er auch auf die Mithilfe von Drittstaaten angewiesen sein, die unschuldige Gefangene, die in ihren Heimatländern mit erneuter Folter rechnen müssten, bei sich aufnehmen. Dazu haben Menschenrechtsorganisationen bereits international aufgerufen. Der UN-Beauftragte Manfred Nowak erwartet vom künftigen US-Präsidenten aber noch mehr als nur die Schließung der Lager: "Er wird sicherlich alle jene Gesetze, Dekrete und Geheimanweisungen sofort verändern, die darauf abzielen, Folter zuzulassen. Insbesondere durch den Geheimdienst CIA. Aber ich erwarte mir auch von Barack Obama, dass er die vergangenen Fehler und Verbrechen schonungslos untersuchen, aufklären und hoffentlich auch verfolgen wird." Dann könnte auch das internationale Folterverbot seinen Absolutheitsanspruch zurückerlangen.

Gefangener in Guantanamo auf Kuba schließt seine Zellentür von innen (Foto: AP/2007)
Gefangener in Guantanamo auf KubaBild: AP
Im Flur einer rumänischen Luftwaffenbasis, in der untersucht wurde, ob die USA hier illegal Terrorverdächtige verhört haben (Foto: AP/2005)
Im Flur einer rumänischen Luftwaffenbasis, in der untersucht wurde, ob die USA hier illegal Terrorverdächtige verhört habenBild: AP