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Folter und Polizeiwillkür in Ägypten

24. September 2010

Der Ägypter Khalid Said war im Juni von zwei Polizisten zu Tode geprügelt worden. Mit großem Interesse beobachten Menschenrechtler den Prozess gegen die Täter, der in dieser Woche in Alexandria fortgesetzt wird.

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Ägypter demonstrieren mit einem Plakat von Khalid Said gegen die Polizeiwillkür in ihrem Land (Foto:ap)
Ägypter demonstrieren mit einem Plakat von Khalid Said gegen die Polizeiwillkür in ihrem LandBild: AP
Ägyptische Polizisten werfen mit Steinen auf Demonstranten (Foto:ap)
... und sie agieren nicht gerade zimperlich bei der Auflösung von ProtestkundgebungenBild: AP

Die Anklage gegen die beiden Polizisten lautet "grundlose Festnahme und exzessiver Einsatz von Gewalt". Sie hatten Khalid Said in Alexandria in ein Wohnhaus gezerrt und seinen Kopf mehrfach gegen eine Treppenstufe geschlagen. In einem ersten gerichtsmedizinischen Bericht hatte es dann geheißen, Said sei erstickt, nachdem er ein Päckchen mit Drogen geschluckt habe. Der Prozess gegen die Täter war im Sommer vertagt worden, weil ein Antrag vorlag, die Anklage um den Vorwurf der Folter und des vorsätzlichen Mordes zu ergänzen.

Khalid Saids Fall verkörpert, so die Befürchtung vieler Ägypter, nur die Spitze des Eisbergs. Seit Saids Tod finden deshalb immer wieder Demonstrationen und Proteste in Ägypten statt. Die im Internet dokumentierten Aktionen zeigen junge Menschen die sich auf Kairos Straßen drängen und Plakate hochhalten. Meist sind darauf zwei Fotos zu sehen: Das eine zeigt Khalid Said selbstbewusst lächelnd, auf dem anderen ist sein Gesicht blutverschmiert und bis zur Unkenntlichkeit entstellt.

Schockierende Brutalität der Polizei

Spezialeinheit der Polizei in kairo (Foto:ap)
In Ägypten tauchen Polizeieinheiten schon mal in Mannschaftsstärke auf...Bild: AP

Lokale und internationale Medien berichteten über die brutale Ermordung des jungen Ägypters. Im Internet-Netzwerk Facebook entstand eine Seite mit dem Namen "Ich heiße Khalid Said", auf der bisher 265.000 Nutzer ihre Solidarität mit dem Opfer bekundeten.

"Was passiert ist, war ein Schock für jeden Ägypter", sagt der Menschenrechtsaktivist Mustafa el-Nagar. Dank der neuen Medien wie Facebook oder Twitter hätten viele Ägypter von diesem Fall erfahren. Das hat eine Bewegung gegen die staatliche Gewalt in Gang gesetzt, meint El- Nagar. Nicht nur europäische und amerikanische Diplomaten hatten interveniert. Auch die Menschen in Ägypten hätten mit ihren Aktionen Druck ausgeübt, sagt der Menschenrechtler, so dass die Täter von der Staatsanwaltschaft angeklagt werden mussten. Damit steht nicht nur der Polizeiapparat, sondern auch die Regierung am Pranger. Mustafa el-Nagar hofft, dass damit der öffentliche Druck wächst, Folterungen zukünftig zu unterlassen.

Notstandsgesetze befördern Willkür

Ägyptens Präsident Hosni Mubarak (Foto:dpa)
Seit fast 30 Jahren regiert Hosni Mubarak Ägypten mit Hilfe von NotstandsgesetzenBild: picture-alliance/dpa

Dass Folter in Ägypten eine gängige Praxis ist, bestätigt auch die Menschenrechtsorganisation "Amnesty International" in einem Bericht vom Juni diesen Jahres. Im Schutz der Notstandsgesetze werde Folter von der Polizei regelmäßig angewendet und nur selten bestraft, so die Einschätzung von Amnesty. Ähnliches beschreibt die Organisation "Human Rights Watch" in ihrem "World Report 2010", der die Menschenrechtssituation in über 90 Ländern zusammenfasst.

Ägypten wird seit 1981 mit Hilfe von Notstandgesetzen regiert. Diese erlauben die Verhaftung von Menschen ohne Haftbefehl. Allein der Verdacht, Terrorist oder Drogendealer zu sein, reicht aus für eine Festnahme. Nihal Nasr el-Din, Menschenrechtlerin aus Ismailiyya, kritisiert dieses Gesetz, dass zur Willkür einlade. "Die Polizei kann es sich erlauben, Menschen zu foltern, denn sie weiß, dass sie vom Notstandsgesetz geschützt wird." Sie fordert deshalb die Abschaffung der Notstandsgesetze. Das fordert zwar auch der ehemalige Polizist Nabil Luca Babawy, der Mitglied der in Ägypten regierenden Nationaldemokratischen Partei ist. Allerdings nicht sofort. Erst wenn es irgendwann Gesetze gegen Terror und Drogenmissbrauch gäbe, könne Ägypten auf die Notstandsgesetze verzichten, sagt er.

Werden die Täter wirklich bestraft?

Babawy vertraut auf das ägyptische Gericht. Er sieht kein Problem und vertraut auf einen fairen Prozess gegen die beiden Angeklagten. Kritik übt er jedoch an der gegenwärtigen Situation in Ägypten, da jede politische Richtung den Fall Khalid Saids für ihre eigenen Interessen ausnutze. "Menschen, die gegen die Polizei sind, haben die Gelegenheit zum Anlass genommen, mit den Polizisten abzurechnen", meint er.

Ägyptische Polizisten schreiten in Kairo gegen wütende Demonstranten ein (Foto:ap)
Ägyptische Polizisten schreiten in Kairo gegen wütende Demonstranten einBild: AP

Menschenrechtler erwarten weitere Proteste

Die Menschenrechtsaktivistin Nihal Nasr el-Din dagegen glaubt nicht, dass die Demonstranten politische Motive haben. "Sie fordern nur ein friedvolles, gewaltfreies Leben für sich".

Dass die Menschen auch am 27. September, dem Tag an dem der Prozess fortgesetzt wird, wieder auf die Straße gehen werden, davon ist sie überzeugt. So könnten die Portraits von Khalid Said, das lächelnde genauso wie das entstellte, ein weiteres Mal den Anblick der Straßen von Kairo und Alexandria prägen.

Autorin: Magdalena Suerbaum
Redaktion: Ulrike Mast-Kirschning