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Flüchtling von Anwohnern zum Suizid ermuntert

23. Oktober 2016

Im thüringischen Schmölln hat sich ein jugendlicher Flüchtling in den Tod gestürzt. Offenbar wurde er bei seinem Suizid von Schaulustigen angefeuert. Zeugen wollen Rufe wie "Spring doch" gehört haben.

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Deeutschland Thüringen Stadt Schmölln
Schmölln ist eine 12.000-Einwohner-Stadt im ostdeutschen Bundesland ThüringenBild: picture-alliance/dpa/M. Schutt

Laut Polizei hat sich der Flüchtling bereits am Freitag aus dem Fenster seiner Unterkunft gestürzt. Die Beamten gehen von einem Suizid aus. Der nach unterschiedlichen Angaben 17 oder 15 Jahre alte Somalier befand sich auf der Fensterbank im fünften Stock des Gebäudes, als die Polizisten eintrafen. Von dort soll er gesprungen und wenig später seinen Verletzungen erlegen sein.

Kurz vor dem Sprung sollen ihn Umstehende dazu ermuntert haben. "Uns liegen auch Informationen vor, dass einige, ich nenne sie mal Schaulustige, diesem Vorfall lange beigewohnt haben, und wohl auch Rufe gefallen sein sollen wie 'Spring doch'", sagte der Bürgermeister von Schmölln, Sven Schrade (SPD) dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR). So etwas könne man "nur verurteilen". Der Geschäftsführer der Betreuungseinrichtung erklärte ebenfalls, eine Mitarbeiterin habe entsprechende Rufe gehört.

Umstehende filmten und fotografierten

Polizei und Feuerwehr haben die Aufforderungen zum Suizid bislang nicht bestätigt. Eine Polizeisprecherin erklärte auf Anfrage, die Mitarbeiterin sei befragt worden. Ihre Angaben würden nun geprüft.

Ein Passant habe die Szene mit seinem Handy gefilmt. Er sei allerdings noch vor Ort gebeten worden, das Video zu löschen, was er vor den Augen der Beamten auch getan habe. Der stellvertretende Landrat des Altenburger Landes, Matthias Bergmann, hatte zuvor berichtet, dass auch Fotos von umliegenden Balkonen gemacht worden seien.

Jugendlicher war in psychiatrischer Behandlung

Kurz vor seinem mutmaßlichen Suizid randalierte der Jugendliche nach Polizeiangaben in der Unterkunft. Dies sei auch der Grund gewesen, warum die Beamten gerufen wurden.

Der Somalier soll wegen psychischer Probleme in Behandlung gewesen sein. Dem MDR zufolge litt er unter Depressionen und wurde er erst am Freitagnachmittag aus einer psychiatrischen Klinik entlassen.

Ob die Depressionen von Traumata herrührten, die mit seiner Flucht über Libyen, Italien und die Schweiz zusammenhingen, habe bislang nicht geklärt werden können. Unklar sei auch noch, warum er das aufgespannte Sprungtuch der Feuerwehr verfehlt habe.

Bilder mit "unbegreiflichen" Kommentaren 

Bürgermeister Schrade teilte mit, nun müssten die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abgewartet werden. Diese werde in solchen Fällen automatisch eingeschaltet. Von einem Fremdverschulden gehe man nicht aus.

Sollten sich Rufe wie "Spring doch" bewahrheiten, sei dies nicht tolerierbar, schrieb der Bürgermeister auf seiner Facebook-Seite. "Es ist verachtenswert, ja unmenschlich. Ob Geflüchtete oder hier Lebende: Wir alle sind Menschen." Ihn hätten mittlerweile auch Bildaufnahmen des auf dem Fensterbrett sitzenden Jungen erreicht, die "mit unbegreiflichen Kommentaren" versehen seien.   

gri/wa (dpa, mdr.de)