Mal lautstark, mal zögerlich
12. Juli 2010Für eine Bankenabgabe haben sich die EU und Deutschland auf dem G20-Gipfel Ende Juni stark gemacht, mit wenig Erfolg. Einige Länder wollen sie trotzdem einführen, darunter auch Deutschland. Die Idee ist, die Banken stärker an der Finanzierung von Rettungsaktionen bei künftigen Finanzkrisen zu beteiligen. Ein entsprechendes Gesetzt soll spätestens Ende des Jahres in Kraft treten. Demnach zahlt ein Finanzinstitut bis zu 0,04 Prozent der Bilanzsumme abzüglich aller Spareinlagen der Kunden im Jahr.
Andreas Neukirch, Vorstand der GLS Gemeinschaftsbank bezeichnet die Bankenabgabe als ein stumpfes Instrument, weil sie nicht in das Tagesgeschäft der Banken eingreife. Sie könnte sogar zu einer höheren Risikobereitschaft führen, "dass Banker, die im Bewusstsein dieser Abgabe aktiv sind, sagen: Na ja, wir haben ja eine Versicherung bezahlt und müssen es nachher auch wieder bekommen."
Noch einen Alleingang wagen?
Er plädiert für die Einführung einer Transaktionssteuer, also eine umsatzbezogene Besteuerung. Die Bundesregierung hat sich mit dieser Idee auf der EU-Ebene durchgesetzt, um dann auf dem G20-Gipfel auf ganzer Linie zu scheitern. Schwellenländer und Industrienationen außerhalb Europas sind strikt dagegen. Bei einer tatsächlichen Umsetzung auf europäischer Ebene würde sich aber auch Großbritannien, das über einen starken Finanzsektor verfügt, querstellen.
Deutschland soll hier einen Alleingang wagen, fordert Andreas Neukirch. Er sei der Ansicht, dass, wenn führende Wirtschaftsnationen wie Deutschland mit so etwas beginnen, dann würden sich die Wirtschaftsströme wegen dieser Steuer nicht von Deutschland abwenden, sondern es würden sich immer mehr an diesen Arbeitsweisen orientieren und das für sich selber auch machen. "So ist zumindest das Signal vieler kleiner europäischer Staaten, die sofort aufspringen, wenn Deutschland startet."
Doch sieht es im Moment nicht danach aus, dass Deutschland die Vorreiterrolle übernehmen würde. Zu groß ist die Angst, dass solch ein Alleingang dem Finanzstandort Deutschland großen Schaden zufügen könnte. Andreas Schmitz, Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, warnt: "Das hätte zur Folge, dass entsprechende Börsenumsätze zukünftig nicht mehr über Frankfurt abgewickelt würden, sondern über Luxemburg, über Singapur, über London, über New York."
Löwenstadt in den Startlöchern
Der südasiatische Stadtstaat Singapur steht bereits in Startlöchern und will den Hedgefonds-Managern aus Europa ein nagelneues Viertel für ihre Aktivitäten anbieten - mit niedrigen Steuersätzen und modernsten Handelssystemen, versteht sich.
Vielleicht melden sich bald erste Interessenten aus Deutschland. Denn hier hat die Bundesregierung gerade ungedeckte Leerverkäufe verboten. Nach dem Bundestag stimmte auch der Bundesrat am vergangenen Freitag (09.07.2010) dem "Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivatemärkte" zu. Demnach sind alle ungedeckten Leerverkäufe mit Aktien und Staatsanleihen der Euro-Zone an deutschen Börsen unterbunden. Das sind Geschäfte, bei denen ein Investor Wertpapiere verkauft, ohne sie vorher gekauft oder geliehen zu haben. Dabei wird auf fallende Kurse gewettet. Geht es gut, winken hohe Renditen; geht es schief, drohen drastische Verluste.
Den Spekulanten Fesseln anlegen?
Dieser nationale Alleingang hat der Bundesregierung heftige Kritik aus dem In- und Ausland eingebracht. Sogar Altbundeskanzler Helmut Schmidt meldete sich zu Wort. Dem Magazin "Cicero" gegenüber nannte er den Versuch von Kanzlerin Merkel, mit diesem Gesetz das globale Spekulationsgeschäft einzudämmen, eine Politik zum "Schieflachen". Auch Karl-Heinz Paqué, Finanzwissenschaftler aus Magdeburg, urteilt hart: "Hier hat offenbar die Bundesregierung nur ein Signal setzen wollen, das noch nicht mal wirksam sein wird. Denn die große Mehrzahl der Leerverkäufe wird am Londoner Finanzmarkt getätigt. Ich halte das für keine sinnvolle Politik; das ist Aktionismus."
Tatsächlich sind über 80 Prozent der in Europa aktiven Hedgefonds in London beheimatet. Somit würde das neue Gesetz weder die globalen Spekulationen empfindlich treffen noch dem deutschen Finanzstandort richtig wehtun. Soll doch nur die deutsche Öffentlichkeit beruhigt werden? Andreas Neukirch von der GLS Bank kann auch dem Aktionismus etwas Positives abgewinnen: "Ja, es mag ja auch Aktionismus geben, der dann doch mal eine Weiche verstellt. Und bei den Leerverkäufen bin ich sehr zuversichtlich, dass das ein Aktionismus ist, der die Bürger in Deutschland nicht schädigen wird." Es würde nur dazu führen, dass wirklich abenteuerliche, nicht mehr nachvollziehbare Kursschwankungen unterbleiben würden, sagt Neukirch: "Also Leerverkäufe verbieten, da kann man, glaube ich, nicht viel falsch machen."
Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Rolf Wenkel