Jury-Präsident Darren Aronofsky
7. Februar 2015Für ihn müsste der Job des Jury-Vorsitzenden in den kommenden Tagen eigentlich leicht zu meistern sein. Im Vergleich zu den Schwierigkeiten beim Dreh seines letzten Mammut-Projekts, der Bibelverfilmung "Noah", dürfte die Frage, wer zum Abschluss der Berlinale den Goldenen Bären gewinnt, ohne große Probleme zu beantworten sein. Darren Aronofsky muss sich mit einer Handvoll prominenter Filmschaffender in der Jury schließlich nur auf einen Siegerfilm einigen.
Da hatte es Aronofsky in seiner bisherigen Karriere als Regisseur mit ganz anderen Problemen zu tun. Sein letzter Film "Noah" verschlang das gewaltige Budget von 130 Millionen Dollar, die Dreharbeiten waren kompliziert und langwierig. Dabei hatte Aronofsky ganz klein und bescheiden angefangen. Sein Debütfilm "Pi" hatte 1998 lediglich 60.000 Dollar gekostet.
Mathematik als Kinothema
In grobkörnigem Schwarz-Weiß mit unbekannten Darstellern gedreht, erzählt "Pi" von den Wahnvorstellungen eines Mathematikers. Aronofskys Erstlingswerk erschien pünktlich zum Start der 65. Berlinale (bis 15.02.2015) gemeinsam mit zwei anderen Filmen des Regisseurs in einer Blu-ray-Edition - eine gute Gelegenheit, sich mit den früheren Arbeiten Aronofskys auseinanderzusetzen.
Klassische Vorgaben der Filmindustrie zu erfüllen, war nie Sache dieses eigenwilligen Regisseurs. Aronofsky hatte sich schließlich vor seinem Filmstudium noch mit ganz anderen Dingen beschäftigt. An der Harvard University hatte er neben Film und Animation auch Anthropologie studiert. Dieses Interesse für die Wissenschaft vom Menschen ist auch seinen späteren Arbeiten anzumerken.
Autorenkino aus den USA
Insofern hat Festival-Chef Dieter Kosslick eine gute Wahl getroffen. Mit Darren Aronofsky hat die Berlinale einen der vielseitigsten US-Regisseure der letzten Jahre ins Boot geholt, einen Filmemacher, der beides kann: die ganz großen Budgets in Hollywood stemmen, aber auch unabhängig produzierte, mit weniger Geld finanzierte Filme drehen. "Darren Aronofsky hat sich als einer der herausragenden Protagonisten des zeitgenössischen Autorenkinos profiliert", so Kosslick: "In seiner künstlerischen Herangehensweise lotet er immer wieder die filmische Sprache und deren ästhetische Möglichkeiten aus."
Nach dem mit wenig Geld hergestellten, experimentell anmutenden Film "Pi" drehte Aronofsky im Jahr 2000 das Drogendrama "Requiem for a Dream", das erstmals das ganze visuelle Talent dieses begabten Regisseurs zeigte. Sein nächstes Projekt war der Film "The Fountain", ein auf drei Zeitebenen erzähltes Epos über nichts weniger als die Wiedergeburt und den Ursprung des Lebens. "The Fountain" feierte bei den Filmfestspielen 2006 in Venedig Premiere - und fiel durch.
Esoterisches auf der Leinwand
Sieht man den Film heute wieder, ahnt man, warum er damals nur Wenigen gefiel. "The Fountain" ist Esoterik-Kino im großen Stil. Das ist nicht jedermanns Sache. Viele hielten das Werk für kitschig. Wenn Hauptdarsteller Hugh Jackman kahlrasiert im Lotussitz in einer Raum-Zeitblase durch den Orbit fliegt, stockt einem als Zuschauer schon der Atem. Und dennoch: Lässt man sich auf den Kino-Kosmos des filmischen Sinnsuchers Darren Aronofsky ein, wird man am Ende mit einem überwältigenden Bilderstrom belohnt.
Triumphal sollte dann Aronofskys Rückkehr an den Lido zwei Jahre später ausfallen. Für das Ringerdrama "The Wrestler", das dem abgehalfterten US-Star Mickey Rourke zu einem phänomenalen Comeback verhalf, gewann der Regisseur den Goldenen Löwen. Auch Aronofskys nächster Film, der Psychothriller "Black Swan", der im Ballettmilieu spielt, wurde ein künstlerischer und kommerzieller Erfolg. Eine Oscar-Nominierung für die Beste Regie folgte.
Religiöses aus Hollywood
Die Bibelverfilmung "Noah", die im vergangenen Jahr auch in den deutschen Kinos lief, war Aronofskys bislang teuerstes und aufwendigstes Projekt. Die Reaktionen der Presse fielen allerdings zwiespältig aus. Aronofsky habe sein visuelles Talent an eine gesichtslose Hollywood-Verfilmung verschenkt, lautete ein Vorwurf.
Über sein nächstes Projekt gab Aronofsky vor kurzem Auskunft. Für den US-Sender HBO wird er die apokalyptische "MaddAddam"-Trilogie nach einer Buch-Vorlage der Schriftstellerin Margaret Atwood verfilmen - als TV-Serie. Die Roman-Trilogie führt in eine Welt der Zukunft, die von Krankheiten und Naturkatastrophen bedroht wird. Ein Stoff, der Aronofskys visuellem Talent viele Möglichkeiten einräumen dürfte, der aber auch seinen Fragen nach dem tieferen Sinn des Lebens auf unserem Planeten entgegenkommen könnte: "Ich denke, dass die Umweltzerstörung zurzeit das wichtigste Problem der Welt darstellt", sagte der eigenwillige Regisseur im Vorfeld der Berlinale.
Freude auf das Festival
Nach den nervenaufreibenden Dreharbeiten und der Promotion-Tour für "Noah" dürfte Darren Aronofsky seine Arbeit als Jury-Vorsitzender bei der Berlinale als Erholung empfinden. Übung hat er bereits: Vor vier Jahren leitete er die Jury der Filmfestspiele in Venedig. "Bei der Berlinale gibt es immer spannende und faszinierende Filme", sagte Aronofsky. "Ich freue mich darauf, die jüngsten Werke großartiger Filmemacher in einer der tollsten Städte der Welt zu sehen", schmeichelte der Regisseur seinen Gastgebern vorab. Man darf gespannt sein, welchem Kollegen Aronofsky und seine Jury-Mitstreiter am Ende den Goldenen Bären überreichen werden.
Die Blu-ray-Edition des Anbieters "Studiocanal" enthält die Filme "Pi", "The Fountain" und "The Wrestler". Sie ist mit umfangreichem Zusatzmaterial, wie Audio-Kommentaren des Regisseurs und einem Making-of, ausgestattet.