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Festnahmen im Mordfall von serbischem Journalisten

Nemanja Rujevic 17. Januar 2014

Der Journalist Slavko Ćuruvija wurde zum Opfer des Milošević-Regimes. Fast 15 Jahre nach seiner Ermordung hat die Polizei zwei Verdächtige verhaftet. Ob die politischen Auftraggeber auch angeklagt werden, ist ungewiss.

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Der 1999 ermordete serbische Journalist Slavko Curuvija (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Das Osterfest am 11. April 1999 wurde in Serbien nicht groß gefeiert. Zu der Zeit waren dieNATO-Luftangriffe, die den damaligen Präsidenten Slobodan Milošević vom militärischen Vorgehen gegen die albanische Bevölkerung im Kosovo abbringen sollten, im vollen Gange. An diesem Osterabend wurde Slavko Ćuruvija vor seiner Haustür erschossen. Er war Herausgeber und Chefredakteur des unabhängiges Blattes "Dnevni Telegraf" und damals der einflussreichste Kritiker des Milošević-Regimes. Die staatliche Propaganda sprach damals vom "blutrünstigen westlichen Aggressor" - und richtete sich gleichermaßen gegen sogenannte "innere Feinde".

Am Dienstag (14.01.2014) wurden Milan Radonjić und Ratko Romić, frühere hochrangige Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes, als Verdächtige in diesem Mordfall festgenommen. Der Auftraggeber der beiden soll der ehemalige Geheimdienstchef Ratko Markovic gewesen sein, der bereits hinter Gittern ist - unter anderem, weil er Anschläge auf Oppositionspolitiker angeordnet haben soll.

Milorad Ulemek (rechts) wurde für den Mord an Đinđić verurteilt (Foto: AP)
Milorad Ulemek (rechts) wurde für den Mord an Zoran Đinđić verurteiltBild: AP

Fragwürdiger Zeuge

Ein weiterer mutmaßlicher Täter ist Miroslav Kurak, der nach Angaben der Ermittler die tödlichen Schüsse auf den Journalisten abgefeuert haben könnte. Die serbische Polizei hat ihn aber noch nicht gefasst: Laut Medienberichten soll er als Veranstalter von Safaris in Tansania arbeiten. Jüngste Fotos zeigen ihn in heroischer Pose mit einem toten Leoparden auf den Schultern.

Eine der Aussagen, die zu den Festnahmen führten, kam aus dem bekanntesten serbischen Gefängnis Zabela - von Milorad Ulemek, genannt "Legija", weil er sieben Jahre in der Fremdenlegion verbracht hatte. Er verbüßt eine Hafstrafe von vier Jahrzehnten - als Organisatordes Attentats auf den ersten demokratischen Ministerpräsidenten Serbiens, Zoran Đinđić, im Jahr 2003."Legija" war der gefürchtete Anführer einer von Milošević geschaffenen Sondereinheit der serbischen Sicherheitskräfte.

"Milorad Ulemek hat vielleicht die Erleuchtung erlebt oder Gott entdeckt", sagt der investigative Journalist Milos Vasić von der serbischen Wochenzeitung "Vreme" sarkastisch. Er beschäftigt sich seit langer Zeit mit Kriminalfällen und hat ein Buch über das Attentat auf Đinđić geschrieben. "Doch Ulemek hat seine Glaubwürdigkeit längst zerstört, vor allem durch seine falschen Aussagen im Đinđić-Prozess. Sein Zeugnis im Fall von Ćuruvija lässt sich einfach überprüfen, und bald wird es klar sein, ob er wieder lügt oder die Wahrheit erzählt".

Mächtige Feinde

Die serbische Öffentlichkeit debattiert, ob in Folge der aktuellen Ermittlung auch die politischen Strippenzieher des Mordes angeklagt werden. Es wäre eine Farce, wenn sich die Justiz nur auf Marionetten des damaligen Systems - also direkte Täter - begrenzen würde, sagt Branka Prpa. Die Historikerin und damalige Lebensgefährtin von Ćuruvija war an seiner Seite, als er ermordet wurde. "Ein Staat muss seine Bürger schützen", sagt Prpa im DW-Gespräch. "In Serbien hatten wir eine kafkaeske Situation: Der Staat tötete seine Bürger. Deswegen muss man das ganze System rekonstruieren, um die Verantwortlichen in der Politelite zu finden."

Slobodan Milošević (rechts) und seine Frau Mira Marković (Archivbild)
Slobodan Milošević (rechts) und seine Frau Mira MarkovićBild: picture alliance/dpa

Zu den mächtigen Feinden des ermordeten Journalisten gehörte Mira Marković, die Witwe von Slobodan Milošević: Nur wenige Tage vor dem Mord hatte sie Ćuruvija auf einer Parteisitzung als "Staatsfeind Nummer eins" bezeichnet. Sie lebt seit 2006 in Russland, wo sie politisches Asyl erhalten hat.

Unbequeme Suche

Die Suche nach den Strippenziehern ist für die heutigen Machthaber eine unbequeme Aufgabe. Denn viele wichtige Belgrader Politiker gehörten 1999 zum inneren Kreis des damaligen Regimes: Premierminister Ivica Dačić war damals Sprecher Milosevićs und der heutige Vizepremier Aleksandar Vučić bekleidete das Amt des Informationsministers. Letzterer hat jetzt den Durchbruch im Fall Ćuruvija öffentlich in einer TV-Sendung verkündet - in einem triumphierenden Ton. "Das war reine Selbstdarstellung", meint der Journalist Milos Vasić. "Denn Vučić ist nicht wohl dabei, dass er während der Ermordung noch Informationsminister war. Ich glaube, dass er damals zwar nicht in den Fall verwickelt war, aber dass er den Mord kommen sehen konnte."

Premier Ivica Dačić (links) und Vizepremier Aleksandar Vučić bei einem Gottesdienst in der orthodoxen Kirche (Foto: dpa)
Premier Ivica Dačić (links) und Vizepremier Aleksandar Vučić bei einem GottesdienstBild: picture-alliance/dpa

Gerade Vučić war zur Zeit Miloševićs für die Umsetzung eines umstrittenen Informationsgesetzes zuständig, welches das Regime für den Kampf gegen kritische Medien nutzte. Unter anderem sah das Gesetz Geldstrafen für die Verfasser von regimekritischen Berichten vor. Damals wurde DW-Redakteur Bahri Cani, der für die Belgrader Zeitung "Naša borba" arbeitete, mitten in Belgrad entführt und drei Tage lang verhört. "Ich wurde als Kosovo-Albaner und Mitarbeiter der Deutsche Welle als ‘Spion' verdächtigt. Meine Familie war überzeugt, dass ich schon tot bin", erinnert sich Cani. Der Fall ereignete sich nur eine Woche nach dem Mord an Ćuruvija. "Das Attentat war ein klares Signal, dass alle Kritiker das Schicksal von Ćuruvija erleiden könnten“, so Cani.

Branka Prpa sieht in den aktuellen Ereignissen eine gewisse Ironie der Geschichte: Ehemalige Funktionäre des Apparats, der damals für Übergriffe gegen Journalisten verantwortlich war, würden heute für die Aufklärung des Mordes an Ćuruvija sorgen. Auch der Politiker Vučić zeigt sich heute in einem ganz anderen Licht: Früher träumte er als Nationalist von "Großserbien", heute wird er als Pro-Europäer dieBeitrittsverhandlungen seines Landes mit der EUstarten. Doch es dürfte gerade Journalisten schwer fallen, sein früheres Leben aus der Zeit des Milosević-Regimes zu vergessen.