Fantastische Kunst: Die starken Frauen des Surrealismus
Fetisch, Kindfrau oder Traumwesen – Künstlerinnen kamen bei den Surrealisten eher als Modelle vor. Sie brachen aus diesem Rollenklischee aus und schufen unabhängige Werke. Zu sehen in der Frankfurter Schirn.
Frida Kahlo (1907-1954)
Die mexikanische Malerin kommt 1939 das erste Mal nach Paris. André Breton hatte sie ein Jahr zuvor in Mexiko besucht und ihr, begeistert von ihrer Malerei, eine Ausstellung in Europa versprochen. Doch was Frida Kahlo bei ihrer Ankunft vorfindet, stößt sie eher ab. Mit der Männerwelt der französischen Surrealisten, die Frauen als Objekt sehen, kann sie nichts anfangen.
Patron des Surrealismus: André Breton
Zur Gruppe der französischen Surrealisten um André Breton gehören Künstlerinnen und Künstler unterschiedlichster Art: Musiker und Maler, Filmemacher, Schriftsteller und Modeschöpfer. 1924 hat Breton mit dem ersten "Manifest des Surrealismus" die literarische und philosophische Grundlage geschaffen. Eine neue Einstellung - zur Kunst, zum Verhältnis der Geschlechter und zur Realität kam auf.
Toyen, Die Safes (1946)
Inspiriert von der Psychoanalyse von Siegmund Freud folgen die Surrealisten der neu entdeckten Kraft des Unterbewusstseins. Traumbilder und assoziative Collagen, wie dieses Bild der tschechischen Künstlerin Toyen, entwickeln einen surrealen Bilder-Kosmos, der sich gegen die "bürgerliche" Kunst richtet. Ausgehend von Frankreich breitet sich der Surrealismus über ganz Europa nach Amerika aus.
Meret Oppenheim, Urzeit-Venus (1962)
Paris wird das Zentrum der neuen Bewegung. Keine Stilrichtung, sondern eine andere Denkweise, die auch im Privaten gelebt wird. Androgyne Frauen, die ihre Weiblichkeit selbstbewusst zum Thema ihrer Kunst machen, tauchen Anfang der 1930er Jahre in den intellektuellen Kreisen der Surrealisten auf. Prominente Vertreterin ist Meret Oppenheim, die später mit ihrer "Pelztasse" berühmt wird.
Leonora Carrington und José Horna, Die Grande Dame (1951)
Schon in ihrer Jugendzeit war die Britin Leonora Carrington rebellisch und eigensinnig. In London studiert sie Kunst und trifft an der Londoner Akademie den Maler und Bildhauer Max Ernst, dessen Kunst sie seit langem bewundert. 1937 geht sie mit ihm nach Paris und tritt der Gruppe der Surrealisten bei. Der Austausch mit Künstlern wie Picasso, Dalí und Joan Miró inspiriert sie zu starken Arbeiten.
Eileen Agar, Engel der Gnade (1934)
Eileen Agar ist in Buenos Aires geboren und in London aufgewachsen. Gegen den Willen ihrer vermögenden Eltern studiert sie Freie Kunst und zieht 1928 in die Metropole Paris. Dort trifft sie auf André Breton und Paul Éluard, mit dem sie eine leidenschaftliche Beziehung aufbaut. 1933 bekommt sie ihre erste Einzelausstellung - in London. Henry Moore überredet sie, der "London Group" beizutreten.
Dorothea Tanning, Spannung (1942)
Selbstbewusst und mit Ironie nehmen Malerinnen wie Dorothea Tanning die Motivwelt männlicher Künstler aufs Korn. Salvador Dalí, Max Ernst und Pablo Picasso bevorzugen Frauen als Modelle oder inspirierende Musen. In ihrer Malerei reduzieren sie den weiblichen Körper häufig auf Torso und Körperformen - ohne Arme, ohne Kopf, gesichtslos und austauschbar. Tanning beantwortet das auf ihre Weise.
Leonor Fini, Selbstportrait (1941)
Im Kreis der Pariser Surrealisten spielen Künstlerinnen bald eine wichtige Rolle. Mit ihren Selbstportraits und extrem weiblichen Skulpturen loten sie den Spielraum in der Kunst genussvoll aus. Und sie arbeiten mit künstlerischen Techniken, die sich aus der psychoanalytischen Methodik ableiten. Die Namen dieser begabten Frauen tauchen in der Kunstgeschichte oft nicht auf, wie hier Leonor Fini.
Lee Miller, Stumme Remington (1940)
Die Amerikanerin Lee Miller kommt 1929 nach Paris. In den USA war sie als Model für das Modemagazin "Vogue" entdeckt worden. Aus ihrer Karriere als Fotomodell erwächst auch ihr Interesse an der Fotografie. Im Pariser Studio von Man Ray, dem sie bald Geliebte und Assistentin ist, lernt sie die künstlerische Fotografie kennen. 1932 zieht sie nach New York - und kehrt 1937 wieder nach Paris zurück.
Louise Bourgeois, 1932 (1947)
Die Französin Louise Bourgeois (1911 -2010) entdeckt ihr künstlerisches Talent erst spät. 1932 beginnt sie, an der Pariser Sorbonne Mathematik zu studieren, nebenbei hilft sie in der väterlichen Tapisserie-Werkstatt aus - und beginnt zu malen. In den Künstlerateliers beobachtet sie die Maler und Bildhauer bei der Arbeit und trifft dort auch auf die Surrealistenkreise um André Breton.
Kay Sage, Morgen ist nie (1955)
Die Künstlerinnen, die zum direkten Umkreis der Pariser Surrealisten gezählt werden, lösen sich schnell aus der männlichen Fremdbestimmung. Die Amerikanerin Kay Sage, Spross einer wohlhabenden Senatorenfamilie, studiert erst in Rom Malerei, bevor sie 1936 in Paris auf Breton und Yves Tanguy trifft. Nach Kriegsbeginn geht sie zurück nach New York und finanziert vielen Surrealisten die Emigration.
"Fantastische Frauen"
Der Titel "Surreale Welten von Meret Oppenheim bis Frida Kahlo" setzt mit den Namen dieser prominenten Künstlerinnen nur Eckpunkte. Ein Großteil der 34 ausgestellten Künstlerinnen aus Europa, Mexiko und den USA ist unbekannt. Ihre Namen sind in Katalogen und Nachschlagewerken zum Surrealismus selten zu finden. Bis zum 24. Mai ist die Ausstellung in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt zu sehen.