Deutschland: Adoptionen von Kindern sollen einfacher werden
22. Oktober 2024Patchwork- und Regenbogenfamilien gehören für viele Menschen in Deutschland längst zum Alltag. Doch laut Bundesjustizminister Marco Buschmann von der liberalen FDP hinkt die Gesetzgebung der "gesellschaftlichen Realität" hartnäckig hinterher. Das wollen er und sein Ministerium mit neuen Plänen zur Liberalisierung des Adoptions- und Familienrechts ändern. Noch in diesem Monat (Oktober) soll der Entwurf einer Gesetzesreform vorliegen. Er soll dann zunächst mit Vertretern der Bundesländer diskutiert werden.
Die vorgeschlagene Reform sieht vor: Erwachsene in einer unverheirateten Partnerschaft sollen gemeinsam ein Kind adoptieren können; genauso soll nur ein Erwachsener in einer Ehe rechtlicher Elternteil eines adoptierten Kindes werden können.
Bisher gilt: In Deutschland können sowohl verheiratete als auch unverheiratete heterosexuelle und gleichgeschlechtliche Paare adoptieren. Verheiratete Paare müssen das Kind jedoch beide rechtlich adoptieren, während in einer unverheirateten Partnerschaft nur ein Erwachsener rechtlicher Elternteil des Adoptivkindes werden kann.
Der Bundesverband für Pflege- und Adoptivfamilien (PFAD) begrüßte die Reformvorschläge im Adoptionsrecht: "Die rechtliche Entwicklung sollte sich an der gelebten Familienwirklichkeit orientieren".
"Die Wirklichkeit von Familien heute zeigt, dass die Ehe keine Dauerhaftigkeit verspricht, wie es bisher im Adoptionsrecht vermutet wurde", teilte Carmen Thiele, Leiterin des Berliner PFAD-Büros, der DW mit.
Wie sieht das Adoptionsrecht in Deutschland aus?
Nach deutschem Recht können Erwachsene ab 25 Jahren ein Kind adoptieren. Bei Ehepaaren muss mindestens ein Ehepartner mindestens 25 Jahre alt sein; der jüngere Ehepartner muss mindestens 21 Jahre alt sein. Es gibt keine Altershöchstgrenze für Adoptiveltern. Die Vorschriften sehen jedoch vor, dass der Altersunterschied zwischen Adoptiveltern und Kind einem "natürlichen Abstand" entsprechen sollte.
Auch Alleinstehende können adoptieren, dies wird jedoch nur in besonderen Fällen in Betracht gezogen, beispielsweise wenn bereits eine langfristige Beziehung zwischen dem Erwachsenen und dem Kind besteht.
Dazu kommt, dass es in Deutschland sehr viel mehr Menschen gibt, die adoptieren wollen, als es Kinder gibt, die zur Adoption freigegeben wurden.
Bestimmte Kriterien entscheiden darüber, wie geeignet ein Paar oder eine Einzelperson für eine Adoption ist. Darunter die Stabilität einer Partnerschaft, die körperliche und geistige Gesundheit der Adoptiveltern, die Motivation zur Adoption, die Lebensbedingungen und die finanzielle Situation. Paare, die ein Kind adoptieren möchten, müssen einen Antrag bei einer Vermittlungsstelle einreichen. Sie werden von örtlichen Jugendämtern oder staatlich anerkannten Adoptionsdiensten unter der Leitung von kirchlichen und nichtreligiösen Organisationen betrieben.
Die internationale Adoption wird durch das Haager Adoptionsübereinkommen von 1993 geregelt, das in Deutschland seit 2002 in Kraft ist. Es handelt sich um einen multilateralen Vertrag mit 106 Vertragsparteien, darunter die USA, Großbritannien, Kanada, Deutschland, Brasilien, China und Indien. Dabei gibt es klare Verfahrensregeln, die unangemessene finanzielle oder sonstige Gewinne sowie illegale Praktiken wie Entführung, Verkauf und Handel von Kindern verbieten.
Kinder sollen zwei Mütter haben können
Neben Änderungen des Adoptionsrechts für verheiratete und unverheiratete Paare sieht der Entwurf des Reformgesetzes auch vor, dass ein Kind von Geburt an zwei "Co-Mütter" haben kann. Nach geltendem deutschem Recht muss die Partnerin der Frau, die das Kind in einer lesbischen Beziehung zur Welt bringt, das Kind durch eine Stiefkindadoption adoptieren. Dieses langwierige rechtliche Verfahren, bei dem die Eignung der Frau zur Adoption geprüft werden muss, steht seit langem in der Kritik.
Der LSVD+-Verband Queere Vielfalt, die größte Bürgerrechts- und Selbsthilfe-Organisation der queeren Gemeinschaft in Deutschland, begrüßt, dass die Regierung die lang erwarteten und versprochenen Reformen vorantreibe. "Der Aufwand bei Stiefkindadoptionen für Zwei-Mutter-Familien muss ein Ende haben. Denn Kinder aus Regenbogenfamilien haben von Geburt an ein Recht auf zwei Elternteile, unabhängig von deren Geschlecht", sagt LSVD+-Vorstandsmitglied Patrick Dörr der DW.
Nach dem Vaterschaftsrecht ist es in Deutschland derzeit rechtlich nicht möglich, dass ein Kind zwei Väter hat: Der rechtliche Vater ist entweder der biologische Vater des Kindes oder der Partner der Mutter, der in einer "sozial-familiären Beziehung" zum Kind steht. Bei Kindern mit schwulen Eltern kann einer der Männer die Vaterschaft anerkennen, aber nicht sein Partner, da es nach deutschem Recht neben der biologischen Mutter nur ein Elternteil gibt. Stattdessen kann er das Kind im Wege der Stiefkindadoption adoptieren. Daran wird sich auch durch die geplanten Reformen nichts ändern.
Es könnte sich allerdings auf anderem Wege daran etwas ändern. Denn das Gesetz zu diesem speziellen Thema war kürzlich Gegenstand eines Falles vor dem Bundesverfassungsgericht. Karlsruhe entschied im April 2024, dass biologische Eltern immer die Möglichkeit haben müssen, die elterliche Verantwortung für ihre Kinder zu behalten und auszuüben. Dies eröffnet die Möglichkeit der Anerkennung von Familien mit mehreren Elternteilen. Das würde bedeuten, dass ein Kind zwei Väter und eine Mutter haben kann.
Das Urteil definierte biologische Eltern jedoch als "der Mann und die Frau, die das Kind durch Geschlechtsverkehr mit ihren Keimzellen gezeugt haben, wenn diese Frau anschließend das Kind geboren hat." Es würde daher nicht für biologische Eltern im Falle einer künstlichen Befruchtung gelten. Das Gericht hat das Urteil nicht für verbindlich erklärt und stattdessen den Gesetzgeber verpflichtet, bis spätestens 30. Juni 2025 zu entscheiden, wie das Vaterschaftsrecht geregelt werden soll.
Rechtssysteme noch zeitgemäß?
Der vom Justizministerium ausgearbeitete Reformentwurf betont vorerst, dass einige grundlegende Rechtsgrundsätze nicht geändert werden. Erstens werde eine Frau, die ein Kind zur Welt bringt, immer als Mutter des Kindes betrachtet, ohne dass ihr rechtlicher Status anfechtbar sei oder einer Vereinbarung unterliege. Zweitens besagt der Gesetzentwurf, dass ein Kind weiterhin nur zwei rechtliche Elternteile haben werde.
Rechtssysteme auf der ganzen Welt stehen vor der Herausforderung, dass sich Familiengefüge verändern, einschließlich der Zunahme von Polyamorie. In den USA, wo Adoptionen weitgehend in den einzelnen Bundesstaaten geregelt werden, entschied der Oberste Gerichtshof im Jahr 2017, dass beide Ehepartner in gleichgeschlechtlichen Ehen das Recht haben, als Elternteil in der Geburtsurkunde eines Kindes aufgeführt zu werden. Nur wenige Staaten, wie zum Beispiel Kalifornien, erlauben, dass Kinder mehr als zwei rechtlich anerkannte Eltern haben.
In Kanada wurde in mehreren Gerichtsurteilen entschieden, dass mehr als zwei Personen die rechtlichen Eltern eines Kindes sind. So entschied beispielsweise der Oberste Gerichtshof von British Columbia im Jahr 2021, dass alle drei Mitglieder einer polyamourösen Lebensgemeinschaft als Eltern des Kindes eingetragen werden sollten, das sie gemeinsam als Familie großzogen.
Familien mit mehr als zwei Elternteilen sind derzeit in keinem europäischen Land rechtlich anerkannt. In einem Bericht eines staatlichen Beratungsgremiums in den Niederlanden aus dem Jahr 2016 wurden Gesetzesänderungen empfohlen, um die Mehrelternschaft für bis zu vier Elternteile und zwei Haushalte anzuerkennen. Dies ist bislang aber nicht umgesetzt worden.
Dieser Text wurde aus dem Englischen adaptiert.