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Gesellschaft

Falscher Schönheitschirurg vor Gericht

18. November 2021

Der 23-jährige Sava Knezevic aus Belgrad hat Dutzende medizinische Eingriffe durchgeführt. Fünf Jahre dokterte er an Frauen herum, obwohl er gar kein Arzt war. Jetzt steht er wegen Betrugs vor Gericht.

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Schönheitsmedizin | Botox-Injektion
Schönheitsmedizin - ein profitables Pflaster für ScharlataneBild: Jakub Mrocek/Zoonar/picture alliance

Serbien: Dubioses Geschäft mit der Schönheit

Lippen- und Brustvergrößerung, Fettabsaugung, Gesichtsstraffung: Die Nachfrage nach ästhetischen Eingriffen ist hoch. Und immer wieder tauchen Scharlatane auf, die sich als Ärzte ausgeben und ihren Patientinnen Wunder versprechen. Auch auf dem Balkan.

In einer eleganten Praxis im Zentrum der serbischen Hauptstadt Belgrad führte der 23-jährige Sava Knezevic als Schönheitschirurg mit internationaler Erfahrung medizinische Eingriffe durch. Freundliche Gesichter des "Fachpersonals", 26 Diplome an den Praxis-Wänden und eine hochmoderne Ausstattung reichten aus, um Vertrauen zu erwecken.

Knezevic gab sich als 32-jähriger Spezialist für ästhetische Chirurgie und regenerative Medizin aus, aber auch als Wissenschaftler und weltbekannter Dozent. "Ich bin der medizinische Direktor der ‘La Clinique de Paris‘-Kette von Anti-Aging-Medizinkliniken, internationaler Pädagoge und Dozent desselben Instituts", behauptete Knezevic in einer Mail-Korrespondenz, die von einer Patientin publik gemacht wurde.

Nicht nur in Belgrad, sondern auch in Dubai, Zürich und Tirana will der falsche Arzt erfolgreich gearbeitet haben. In einer Werbekampagne für Kundinnen im Nachbarland Albanien behauptete Knezevic: "Wir sind die ersten in Albanien, die Stammzellenbehandlungen und regenerative Medizin anbieten. Ich rede von Hormonersatz, Stammzellen, ästhetischer Medizin, Ernährung und Lebensmedizin."

Der Chirurg, der eigentlich Masseur ist

"Dr." Knezevic wäre noch weiter gegangen, hätten einige seiner Opfer nicht gesprochen. Eine Frau, die anonym bleiben möchte, erzählte im DW-Interview, sie habe sich bei Knezevic Lippen und Brüste vergrößern und das Gesicht straffen lassen. "Mein Mund ist jetzt defekt. Ich versuche das eine zu sagen und der Mund tut etwas anderes. Ich habe kein Gefühl mehr in den Lippen", erzählt die ehemalige Patientin.

Symbolbild | Schönheits-Operationen
Schönheitschirurgie scheint besonders attraktiv für Betrüger zu sein - auch in SerbienBild: Jens Schierenbeck/dpa Themendienst/picture alliance

Als ob das nicht genug gewesen wäre, geriet die Frau sogar in Lebensgefahr, nachdem ihr der "Arzt" Bauchfett in die Brust eingespritzt hatte. Unmittelbar nach dem Eingriff kam sie ins Krankenhaus: "Meine Nebennieren drohten zu versagen, ich bekam eine Blutvergiftung und bin fast gestorben. Fünf Tage lang haben die Ärzte um mein Leben gekämpft", erzählt sie.

Wegen vieler solcher Geschichten muss sich der falsche Arzt jetzt vor Gericht verantworten. Sein eigentlicher Beruf? Masseur! Betrug scheint in der Familie zu liegen: Seine Mutter, eine Blumenverkäuferin, agierte in der Praxis ihres Sohnes als Krankenschwester. Als der Betrug aufflog, behauptete Knezevic, die Medien hätten gelogen. Aber kurz danach schloss er aber seine Praxis.

Flucht, Festnahme und Gerichtsprozess

Zusammen mit seiner Mutter flüchtete der falsche Doktor. Sie versteckten sich bei Verwandten in einem kleinen Dorf in Serbien. Nach knapp einem Monat wurden die beiden von der Polizei gefunden und festgenommen. Unzählige Beweise für den jahrelangen Betrug - hunderte Akten aus der Praxis - konnten im Haus der Verwandten sichergestellt werden. 

Der Prozess gegen den falschen Arzt und seine "Krankenschwester" soll am 26. November 2021 beginnen. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Freiheitsstrafe von achteinhalb Jahren und eine Geldstrafe von 800.000 Dinar (ca. 7000 Euro) für Knezevic sowie ein Jahr Hausarrest für seine Mutter.

DW-Reporter haben versucht, Knezevic bei seinen Verwandten im Dorf zu kontaktieren - ohne Erfolg. Nur ein paar verärgerte Nachbarn kamen aus ihren Häusern: "Lasst die Leute in Ruhe, sie sind unschuldig!", "Geht zurück nach Deutschland und dreht dort!". Die Dorfbewohner sind fest davon überzeugt, dass die Medien lügen und falsche Geschichten fabrizieren würden.

Ein Präzedenzfall

Knezevics Strafverfolgung ist in Serbien zum Präzedenzfall geworden. Mindestens acht weitere falsche Ärzte wurden seitdem entlarvt. Alle hatten mit aggressiven Kampagnen in den sozialen Netzwerken um Patientinnen geworben, keiner aber besaß eine Zulassung bei der Ärztekammer oder eine Arbeitsgenehmigung.

Für den serbischen Schönheitschirurgen Predrag Matejin ist dieses Phänomen keineswegs überraschend. Er sagt, dass Unternehmen, die Produkte wie Hyaluronsäure und Botox verkauften, gegenüber Kunden ziemlich "unkritisch" seien und weder Diplome noch Lizenzen ihrer Käufer überprüften. So kämen Betrüger leicht ins Geschäft.

Symbolfoto Botox Gesicht
Missbrauch in der Schönheitschirurgie: Kundinnen werden oft mit ihren Problemen alleine gelassenBild: imago/CHROMORANGE

"Solche Betrüger zu ertappen, ist für die Gesundheitsämter schwierig, vor allem, wenn sie nicht korrekt registriert sind. Es ist schon ein bisschen paradox, dass die Schönheitssalons nicht kontrolliert werden, die neuerdings zunehmend ästhetische Eingriffe vornehmen", sagte Matejin, Arzt für plastische, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie im DW-Interview.

Somit werde die Entscheidung, wem sie ihren Körper anvertrauen, allein den Kundinnen und Kunden überlassen. Zudem nutzten die Betrüger die Ablehnung anderer Ärzte aus, bestimmte unnötige Schönheitseingriffe durchzuführen: "Vor Kurzem hatte ich eine Patientin, die zu jung für den Eingriff war, den sie haben wollte. Ich habe die Intervention abgelehnt. Da sagte sie: 'Ok, wenn Sie es nicht machen wollen, finde ich jemanden, der es machen wird'."

Und Alternativen gibt es immer, denn die Betrüger schrecken vor nichts zurück - auch wenn das die Gesundheit und das Leben anderer Menschen gefährdet.