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Fake News, Lügen, Zeitungsenten

11. Januar 2017

Fake News sind uralt, es gab sie schon immer. Doch mit dem Aufkommen der Sozialen Medien haben sie eine neue Durchschlagskraft erhalten. Darum berichten wir breit über das Thema.

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Symbolbild Facebook - Datenschutz & Gewalt & Hass & Fake News
Bild: picture-alliance/chromorange/R. Peters

Warum reden wir über Fake News?

Nur weil der Begriff in aller Munde ist? Weil Google in einer Drittel Sekunde mehr als 150.000.000 Links zu diesem Thema herausspuckt? "Postfaktisch"zum Wort des Jahres 2016 gekürt wurde? Wenn ein Thema unsere Gesellschaft bewegt, dann sollten wir darüber berichten.

Doch Lügenmeldungen sind mittlerweile nicht nur Gesprächsthema, sondern bestimmen aktiv unsere Politik:

Das Brexit-Referendum und Donald Trump machten schmerzhaft bewusst, dass auch mit einfach zu widerlegenden Lügen verblüffende politische Erfolge erzielt werden können. So behaupteten die Brexit-Befürworter, dass Großbritannien wöchentlich 350 Millionen Pfund an die EU überweist. Fakt war: London zahlte abzüglich des Briten-Rabatts und Gegenzahlungen weniger als ein Drittel dieses Betrags. Dennoch hielten 47 Prozent der Briten die Zahl für richtig. Eine Propagandalüge, die als Fakt wahrgenommen wird und somit die Entscheidung von Wählern beeinflusst.

Auch viele Aussagen des designierten US-Präsidenten Donald Trumps sind als offensichtliche Lügen vielfach belegt. Nach Angaben der Faktenchecker-Seite "Politifact" waren 70 Prozent seiner Aussagen während des Wahlkampfs falsch oder unsinnig und weitere 15 Prozent nur halb wahr. Dennoch wurde er zum Präsidenten der USA gewählt. Die "Washington Post" entwickelte deshalb eigens eine Faktchecker-App.

Schon Gutenberg befeuerte Fake News

Doch Fake News sind kein neues Phänomen: Schon immer wurde mit Gerüchten und falschen Behauptungen Politik gemacht. So ist die Geschichte des Antisemitismus auch eine Geschichte der Fake News: Der Ablauf war immer der gleiche. Juden wurden irgendwo beschuldigt, einen Ritualmord an einem christlichen Kind begangen zu haben. Ein Geständnis wurde unter Anwendung von Folter erpresst, was zu Massenhinrichtungen und blutigen Pogromen führte. Hier zieht sich eine blutige Spur vom Mittelalter bis zum Nationalsozialismus. In der antisemitischen Wochenzeitung "Der Stürmer" fanden sich alle nur erdenklichen obszönen Falschmeldungen über Juden. Der Herausgeber Julius Streicher wurde dafür im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher zum Tode verurteilt. Schon mit der Erfindung des Drucks mit beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg um das Jahr 1440 wurde es möglich, auch Falschmeldungen schnell weit zu verbreiten.

Im jahrhundertelangen Kampf gegen solche Lügen wurde aber auch das Handwerkszeug entwickelt, um richtige Fakten von falschen zu unterscheiden, seien es die Fußnoten in wissenschaftlichen Texten, mit denen Zitatquellen offen gelegt werden,  oder das "Zwei-Quellen-Prinzip" im Journalismus. Danach kann ein Tatbestand erst als dann gesichert erachtet werden, wenn er von zwei unterschiedlichen Quellen berichtet wurde.

Auf- und Abstieg der "Vierten Gewalt"

Mit der Demokratisierung der Gesellschaften entwickelte sich der Journalismus zunehmend zur "Vierten Gewalt", die die drei staatlichen Gewalten Exekutive, Legislative und Judikative überwacht. Am eindrucksvollsten gelang dies den beiden Reportern Bob Woodward und Carl Bernstein, die mit ihren monatelangen Recherchen für die "Washington Post" maßgeblich dazu beitrugen, dass die Watergate-Affäre aufgedeckt wurde und US-Präsident Richard Nixon im August 1974 zurücktreten musste.

War die Aufdeckung der Watergate-Affäre eine Sternstunde des Journalismus, kam es 1983 zu einem Tiefpunkt: Das Magazin Stern präsentierte auf einer internationalen Pressekonferenz die vermeintlichen Tagebücher Adolf Hitlers. In der Ausgabe dazu hieß es: "Die Geschichte des Dritten Reichs muss teilweise umgeschrieben werden." Zwei Wochen später war klar: Die Tagebücher waren Fälschungen und der Stern blamiert.

Deutschland Geschichte Hitler-Tagebücher Stern Cover
Bild: picture-alliance/dpa

Dramatischer als solche Einzelfälle ist das gleichzeitige Versagen mehrerer Medien: In den Jahren 2002/03 folgten fast sämtliche führenden US-Medien der Argumentation der Regierung von George W. Bush, wonach der Irak Massenvernichtungswaffen besitze und Saddam Hussein an der Planung der Anschläge vom 1. September 2001 beteiligt gewesen sei. Berühmt wurde der Satz des Washington Post-Kolumnisten Richard Cohen, wonach "nur ein Narr, oder vielleicht ein Franzose" die vorliegenden Beweise anzweifeln konnte. Heute wissen wir: Die Angaben waren alle falsch. Es gab keine Beweise. Es gab keine irakischen Massenvernichtungswaffen.

Neuer Graswurzel-Journalismus

Die Unzufriedenheit mit den etablierten Medien und die Entwicklung des Internets führten zum Durchbruch eines von großen Medienhäusern unabhängigen, partizipativen Journalismus: Wir lernten, dass im Netz verbreitete Tagebücher Blogs heißen. Fast täglich entstanden neue Blogs. Frech, unbekümmert und subjektiv eroberten die Blogger das Netz, zum Leidwesen der traditionellen Medien. Auflagen und Reichweiten sanken rapide. 2006 teilte die New York Times mit, dass ihr Web-Auftritt erstmals mehr Leser habe als die gedruckte Ausgabe.

Dem Online-Boom und den Bloggern folgten die Sozialen Medien: Heute kann jeder ohne Aufwand Nachrichten versenden. Das heißt auch: Die traditionellen Medien haben ihre hegemoniale Rolle als Filter und Vermittler von Informationen verloren. Was ist die Auflage einer großen Zeitung gegen die knapp 20 Millionen Follower Donald Trumps? Aber auch mit nur einer Handvoll Followern kann eine Fake-News-Lawine ausgelöst werden. So ermittelte die bayerische Polizei gegen eine 55-Jährige. Sie wird beschuldigt, in einem Facebook-Eintrag geschrieben zu haben, eine 17-Jährige sei in Mühldorf am Inn von einem Asylbewerber vergewaltigt worden. Ärzte hätten sie notoperieren müssen. Nichts davon stimmte jedoch laut den Ermittlungen der Polizei.

Fake News führen zu Hass und Gewalt

Deshalb ist auch der wichtigste Grund, warum wir über Fake News reden: Die Konsequenzen. Eine Entwicklung, die gleichermaßen mit Falschmeldungen an gesellschaftlicher Bedeutung gewann, ist der Hass im Netz. Falschmeldungen, die Fremdenfeindlichkeit befürworten, bestätigen das fremdenfeindliche Weltbild jener, die sich von der Berichterstattung traditioneller Medien nicht verstanden fühlen. Und ihren Unmut offen und hetzerisch in den Kommentarspalten von Facebook und Co. weiterverbreiten.

Mann schießt um sich in Pizzeria aufgrund von "Fake News" über Hillary Clinton

Falschmeldungen resultieren auch in direkter Gewalt, wie #pizzagate zeigte: In Washington D.C. hatte ein Mann in einer Pizzeria um sich geschossen. Im Netz gestreute Lügen hatten ihn überzeugt, dass ein internationaler Pädophilenring rund um Hillary Clinton aus den Hinterzimmern von "Comet Ping Pong Pizza" heraus sein Unwesen treibe.

Schon gibt es Forderungen nach schärferen Gesetzen, um Fake News insgesamt unter Strafe zu stellen. Dabei wird allerdings nicht mehr unterschieden, ob es sich um bewusste Propaganda von Politikern, Hassbotschaften einzelner Social Media-Nutzer oder um eine schlampige Recherche von Journalisten handelt. Margaret Sullivan, Medienkolumnistin der Washington Post, hat deshalb den Vorschlag gemacht, ganz auf den Begriff zu verzichten: "Stattdessen nennen Sie eine Lüge eine Lüge. Nennen Sie einen Hoax ein Hoax. Nennen Sie eine Verschwörungstheorie bei ihren rechtmäßigen Namen. Denn "Fake News" ist von Anfang an ein ungenauer Begriff."