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Fader Beigeschmack

Christiane Hoffmann31. August 2005

Die Gründung von "Solidarnosc" vor 25 Jahren ebnete den Weg zum Zerfall des kommunistischen sowjetischen Machtsystems. Doch ganz wohl kann einem bei den Feiern heute nicht sein. Christiane Hoffmann kommentiert.

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Wenn die Gewerkschaft "Solidarnosc" 25 Jahre nach ihrer Gründung jetzt groß gefeiert wird, dann hat das Fest innen- wie außenpolitisch einen faden Beigeschmack.

Innenpolitisch, weil die politische Klasse und mit ihr auch alte Kommunisten versuchen, die Geschichte der Gewerkschaft "Solidarnosc" für sich zu nutzen. Die Streikführer von einst hingegen rufen laut "Verrat" und wollen nicht an den Feiern teilnehmen. Ihre Ideale von 1980 seien aufgegeben worden. Und überhaupt sei es heute eine andere "Solidarnosc": eine, die während der Transformation in den 1990er Jahren das Land zu radikal reformierte und damit auch soziale Errungenschaften preisgab. Viele der Streikenden von damals sind heute ohne Arbeit - von den einst 15.000 Werftarbeitern in Danzig haben noch 3000 einen Job. Die Gewerkschaften haben im marktwirtschaftlichen Polen von heute eine kaum hörbare Stimme - geschweige denn Einfluss. Und von einer sozialen Absicherung, wie sie in Westeuropa seit Jahrzehnten üblich ist, sind Polens Arbeiter noch meilenweit entfernt.

Die Folgen gefürchtet

Ganz wohl kann einem bei der 25-Jahr-Feier auch aus außenpolitischer Sicht nicht sein. Denn auch westeuropäische Politiker werden den damals manifestierten Drang der Polen nach Freiheit mitfeiern. Doch aus dem Westen konnten die Streikenden seinerzeit keine wirkliche Hilfe erwarten. Im Gegenteil: Vor 25 Jahren wollte der Westen nichts von einer Änderung der Verhältnisse wissen. Die streikenden, aber gleichzeitig auch betenden Arbeiter wurden von westlichen Politikern und Gewerkschaften heftig kritisiert. Die Dimensionen des polnischen Freiheitswillens hatte man völlig unterschätzt - und die Folgen wohl gefürchtet.

Denn man hatte es sich bequem gemacht im waffenstarrenden Gleichgewicht des Kalten Krieges. Zudem brauchte der westliche Wohlstand keine Veränderung. Und die Sowjetunion wollte trotz des verlustreichen Krieges in Afghanistan niemand in Europa herausfordern. Parallelen dazu finden sich auch in der heutigen Politik gegenüber nach Demokratie strebenden Bevölkerungsgruppen in autoritär geführten Ländern.

Ruhe an der östlichen EU-Flanke

Zwar haben die "alten" europäischen Demokratien die Länder Mittel- und Osteuropas mittlerweile in der Europäischen Union akzeptiert. Denn die politisch Verantwortlichen heften sich gern die Unterstützung demokratischer Bewegungen ans Revers, wenn es gerade passt. Dennoch hält sich die Begeisterung für die neuen EU-Länder und für andere nach Westen drängende Staaten in Osteuropa bis heute in Grenzen - sei es in der Ukraine im vergangenen Jahr, wo nur dank des Drängens der polnischen Regierung die Unterstützung durch die EU zustande kam. Denn eigentlich wollte man Russland nicht vergraulen und so schnell wie möglich wieder Ruhe an der östlichen EU-Flanke.

Oder aber zuletzt in Zentralasien, in Usbekistan, wo das Militär von Präsident Islam Karimow ohne Ankündigung eine friedliche Demonstration blutig niederschlug und mehr als 700 Menschen starben. Schwache Forderungen nach Aufklärung der Ereignisse wurden laut - dann fiel das Ereignis schnell dem Vergessen anheim. Mit Russland und möglicherweise auch China, die die Region als ihre Einflusssphäre sehen, will man es sich nicht verscherzen.

Unterstützung nur vom Papst sicher

Umso bemerkenswerter war vor 25 Jahren der Mut und die Risikofreude der Arbeiter und Intellektuellen in Polen, die über Jahre dem kommunistischen Regime trotzten - und sich moralischer und finanzieller Unterstützung nur durch den in Rom residierenden Papst aus Polen sicher sein konnten.

Im globalisierten Dorf von heute gilt umso mehr: Um Erfolg zu haben, brauchen demokratische Bewegungen in autoritären Regimes Unterstützung und Aufmerksamkeit von außen. Auch und gerade jenseits strategischer Interessen.