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"Gabriel wird SPD weiter nach links führen"

Daniel Heinreich14. Dezember 2013

Sigmar Gabriel hat die SPD durch die schwierigen Fahrwasser der Koalitionsgespräche geführt. Gleichzeitig konnte er die eigene Basis wiederbeleben, meint Thorsten Faas im Gespräch mit der DW.

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Thorsten Faas (Foto: Peter Pulkowski)
Bild: Peter Pulkowski

Deutsche Welle: Bei den Gegnern der großen Koalition in der SPD gab es die Befürchtung, dass die Partei in einer großen Koalition unter die Räder kommt. Was kann die SPD tun, damit das nicht passiert?

Thorsten Faas: Es gibt historisch zwei Beispiele für eine große Koalition. Beide mit unterschiedlichem Ausgang. Aus den beiden kann man entsprechende Lehren ziehen. Bei der ersten großen Koalition von 1966 bis 1969 mit Willy Brandt hat es die SPD besonders im Bereich der Außenpolitik durchaus geschafft ein eigenes Profil zu entwickeln und sich damit auch bei der nächsten Wahl attraktiv zu machen. Bei der letzten großen Koalition von 2005 bis 2009 ist genau das nicht passiert. Daraus hat man Lehren gezogen. Man hat hart verhandelt. Und das wird auch die Strategie des Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel sein: das Profil der SPD zu schärfen, um so in spätestens vier Jahren mit einem eigenen Profil vor die Wählerinnen und Wähler treten zu können.

Hat sich Sigmar Gabriel durch seine Verhandlungsführung bei den Koalitionsverhandlungen und durch den Mitgliederentscheid zum Strategen gewandelt?

Sigmar Gabriel wird momentan eigentlich von allen Seiten attestiert, dass er das alte Schiff SPD von den Wahlergebnissen im September bis zum heutigen Tage erfolgreich durch schwieriges Fahrwasser manövriert hat. Auch der Schachzug so einen Mitgliederentscheid durchzuführen, war rückblickend betrachtet ein Erfolg. Er hat sicherlich den Mitgliederentscheid dazu genutzt um der Union in dem einen oder anderen Punkt etwas abzuverlangen. Außerdem hat der Mitgliederentscheid die Partei wiederbelebt. Wenn es ihm jetzt noch gelingt diese Belebung in die zukünftige Regierungsarbeit und in zukünftige Wahlkämpfe mitzunehmen, dann hat Sigmar Gabriel die SPD in den letzten Wochen und Monaten sehr erfolgreich aufgestellt.

War das jetzt die Meisterprüfung für einen Kanzlerkandidaten Gabriel?

Nach diesen Entwicklungen geht er natürlich mit großem Vorsprung gegenüber allen innerparteilichen Konkurrenten erstmal in die nächste Legislaturperiode und ist damit natürlich auch der Favorit für eine mögliche Kanzlerkandidatur bei der nächsten Bundestagswahl. Aber andererseits kann bis dahin noch soviel passieren. Da muss er sich auch erstmal in der Regierung bewähren.

Für was steht eine SPD unter Gabriel?

Er ist bemüht die Partei zusammen zu halten und er ist sicherlich darum bemüht gewisse Korrekturen an der Agenda 2010 vorzunehmen. Er wird die SPD wieder ein bisschen weiter nach links führen. Außerdem hat er mit seiner grundsätzlichen Bereitschaft auch mit der Linkspartei zu koalieren auch da eine Weichenstellung herbeigeführt.

Wo liegen die inhaltlichen Schwerpunkte einer großen Koalition?

Klar ist, dass die SPD sehr schnell darauf drängen wird, die Beschlüsse rund um den Mindestlohn in die Praxis umzusetzen. Beim Thema Vorratsdatenspeicherung könnte es schon kompliziert werden, weil ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs besagt, dass diese Regelung gegen Grundrechte verstößt und deswegen nicht umsetzbar ist. Die Regierung muss sich insgesamt auch erst einmal finden. Vermutlich, dafür ist Frau Merkel ja bekannt, wird das vergleichsweise schnell von Statten gehen. Ich glaube jetzt nicht, dass da sofort Kleinkriege losgehen. Und dann werden beide Parteien versuchen die jeweils wichtigen Akzente zu setzen.

Wie soll das alles bezahlt werden?

Natürlich hofft man darauf, dass sich die wirtschaftliche Situation in Deutschland auch weiterhin so entwickelt wie das bis jetzt der Fall gewesen ist, denn das schafft Spielräume für politische Maßnahmen. Richtig ist aber auch, dass mehr Ausgaben und Schuldenabbau ohne Steuererhöhungen eine Quadratur des Kreises ist, die auch der neuen Regierung nicht gelingen wird. Aber das kann man derzeit noch nicht wirklich abschätzen.

Thorsten Fass ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Mainz.

Die Fragen stellte Daniel Heinreich.