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Extrem niedrige Beteiligung bei Kommunalwahlen in Kroatien

19. Mai 2005

Am 15. Mai haben in Kroatien Kommunalwahlen stattgefunden. Die Wahlbeteiligung war mit 30 Prozent äußerst niedrig. Stimmen eingebüßt haben alle großen Parteien. Die Rechte ist indes leicht im Vormarsch.

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Ministerpräsident Ivo Sanader an der WahlurneBild: Ap

Wer ist der Gewinner der vierten Kommunalwahlen in Kroatien seit der Unabhängigkeit? Die regierende Kroatische Demokratische Gemeinschaft, HDZ, und die oppositionelle Sozialdemokratische Partei, SDP, klopfen sich selbst lobend auf die Schultern: sie, beziehungsweise die Koalitionslisten, mit denen sie angetreten sind, hätten die Wahlen gewonnen. Politische Analytiker weisen indes darauf hin, die beiden großen politischen Parteien, aber auch alle anderen, sollten besser darüber nachdenken, warum zu diesen Kommunalwahlen weniger Wähler gegangen sind als zu allen anderen Urnengängen, die in den letzten 15 Jahren stattfanden - nämlich gerade einmal 30 Prozent.

Unzufriedene Bürger

In ihrer Euphorie erklärten einige Politiker, die geringe Wahlbeteiligung zeige, dass Kroatien ein normales demokratisches Land geworden sei. Aber diese Äußerungen sind wohl eher ein Ausdruck von Ohnmacht. Denn die Ergebnisse sind auch ein Indiz dafür, dass die Bürger weder mit ihnen noch mit ihrer Arbeit zufrieden sind. Nach den ersten, nicht vollständigen und inoffiziellen Ergebnissen für die Stadtratswahlen hat die HDZ etwa um die 23 Prozent der Stimmen erhalten, die SDP gut 19 Prozent. Auf Gespanschaftsebene liegt die HDZ bei 22 und die SDP bei gut 20 Prozent.

HDZ in Zagreb ohne Chance zur Regierungsbildung

In Zagreb ist die SDP gemeinsam mit der Kroatischen Bauernpartei und der Rentnerpartei sowie in Rijeka mit dem von ihr angeführten Acht-Parteien-Bündnis in der Lage, selbständig eine Regierung zu bilden. Die ersten Resultate zeigen auch, dass die SDP geführten Listen in der Mehrheit der Gespanschaften führt. Dies hat jedoch Ministerpräsident Ivo Sanader nicht davon abgehalten, zu behaupten, dass der Erfolg der HDZ auf lokaler Ebene das Ergebnis guter Politik auf nationaler Ebene sei. "Wir sind viel stärker als wir vorher waren, zum Beispiel in den Gespanschaften Virovitica und in Brodsko-Posavska. Zu den Städten, in denen wir bisher nicht an der Macht waren, gehört Karlovac - usw. Das sind die neuesten Ergebnisse. Die HDZ hat nicht nur unterstrichen, dass sie die stärkste Partei ist, sondern sie ist sicherlich auch die Gewinnerin dieser Kommunalwahlen. " So die offizielle Position von Sanader. Doch nach den bisher inoffiziellen Resultaten hat die HDZ insgesamt 27 Mandate weniger erzielt als 2001.

Auch die SDP muss Verluste hinnehmen

Der SDP-Vorsitzende Ivica Racan sagte, nach dem Geschenk zu den Präsidentschaftswahlen zeigten die ersten Ergebnisse der Kommunalwahlen, dass die SDP ein Set zu ihren Gunsten gewonnen habe. Dies sei eine gute Voraussetzung für das Match, also ein Sieg bei den kommenden Parlamentswahlen. In einem ersten Kommentar wies er die Einschätzung Sanaders über einen Sieg der HDZ zurück. "Die Art der HDZ ist es, große Versprechen zu machen und sie dann nicht einzuhalten. So sieht es aus, noch kennen wir die Wahlergebnisse nicht, aber Herr Sanader hat schon sich und seine Partei zum Sieger erklärt. Ein wenig mehr Bescheidenheit und Realitätssinn würden ihm nicht schaden."

Der Erfolg der SDP in Zagreb, Rijeka und noch einigen anderen Städten kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie insgesamt auf sieben Mandate weniger als bei den vergangenen Wahlen gekommen ist. Der große Verlierer allerdings ist die Kroatische Bauernpartei, HSS, die ganze 45 Mandate im Vergleich zu der letzten Wahl verloren hat.

Unklare Mehrheiten

In den kommenden Tagen, nach der Verkündigung der endgültigen und offiziellen Ergebnisse der Wahlen, werden die Koalitionsgespräche beginnen. In vielen Orten, so zum Beispiel auch in Split, stellt sich die Frage, ob der Gewinner auch der Regierende für die nächsten vier Jahre sein wird. Auch in Osijek hat keine Partei eine klare Mehrheit, so dass Ante Djapic, Vorsitzender der nationalistischen Kroatischen Partei des Rechts (HSP), schon von der Möglichkeit einer Wahlwiederholung sprach.

Nationalisten leicht auf dem Vormarsch

Die HSP hat im Vergleich zur Wahl vor vier Jahren ihre Mandate verdreifacht, so dass manche sie für die eigentliche Gewinnerin der Wahl halten. Auch die Kroatische Rentnerpartei kann einen großen Anstieg verzeichnen, so hat sie in acht Gespanschaften, in denen sie allein angetreten ist, die erforderliche Fünf-Prozent-Hürde übersprungen. Hinzu kommt ihre Beteiligung in Wahllisten, die sie in einigen Städten und Gemeinden in die politische Verantwortung bringt.

Vorgezogene Parlamentswahlen?

Die Lokalwahlen sind nach Ansicht politischer Analytiker auch ein besonderer Test für die Regierung der rechten Mitte von Ministerpräsident Ivo Sanader. Denn Kroatien steht möglicherweise vor vorgezogenen Parlamentswahlen. Auch Präsident Stipe Mesic ist tief überzeugt davon, dass in Kroatien noch vor Ende des Jahres vorgezogene Parlamentswahlen stattfinden werden, weil die HDZ seinen Worten nach erkennen muss, dass sie bei diesen Wahlen in die Knie gegangen ist. Die HDZ selbst werde das Resultat nicht so beurteilen, es sei aber - so die politischen Kommentatoren - die Folge einer Kombination zweier Tatsachen: die völlige Unfähigkeit bei der Lösung sozialer und wirtschaftlicher Probleme sowie der ernsthafte Misserfolg in Bezug auf die Aufnahme in die EU.

Serbische Kroaten hoffen auf Mitsprache

An den Wahlen nahmen insgesamt auch etwa 3.000 kroatische Serben teil, die seit dem Krieg in Serbien-Montenegro oder Bosnien-Herzegowina leben. Sie konnten nach dem Modell der internationalen Gemeinschaft wählen, nach dem alle während der Kriege auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien Vertriebenen in ihren Heimatgemeinden ihre Stimme abgeben dürfen, unabhängig davon, wo sie derzeit wohnen. Die meisten von ihnen gingen in Vukovar und Knin zur Wahl. In Knin hat die Unabhängige Serbische Partei (SDSS) acht der 17 Mandate im Stadtrat erhalten, die HDZ sechs, der Kroatische Block zwei und die HSS einen. Die SDSS, die auf nationaler Ebene an der Regierungskoalition Ivo Sanaders beteiligt ist, hofft, an der Stadtregierung beteiligt zu werden. Alllerdings hat die Listenführerin der HDZ, Josipa Rimac, bereits verkündet, diese werde von den Parteien mit kroatischem Vorzeichen gestellt. Der Vizepräsident der SDSS und Parlamentsabgeordnete Milorad Pupovac hofft dennoch, dass sich die gemeinsame Arbeit im Zagreber Parlament auch auf die lokale Ebene ausweiten lässt: "Ich bin ziemlich sicher, dass der Regierungschef und Chef der HDZ es nicht zulassen wird, dass man in Knin das einreißt, was man in Zagreb und ganz Kroatien versucht hat, aufzubauen und zu bewahren."

Gordana Simonovic, Zagreb
DW-RADIO/Kroatisch, 18.5.2005, Fokus Ost-Südost