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Spaniens Exportschlager

Ralf Bosen23. August 2012

Die Finanzen sind ein Desaster, die Politik wirkt immer hilfloser, die Menschen schwanken zwischen Wut und Verzweiflung: Spanien ist von der Finanzkrise schwer gezeichnet. Aber es gibt einen Lichtblick.

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eine Frontansicht des Parlamentsgebäudes in Madrid (Foto: Getty Images)
Bild: Getty Images

Sie heißen ZARA, Telefonica oder Santander. Sie sind die Strohhalme, an die sich die spanische Wirtschaft wie ein Ertrinkender klammert. Während Spanien seit der geplatzten Immobilienblase vom Sog der Finanzkrise immer tiefer hinabgerissen wird, sorgen diese Unternehmen neben der Fußballnationalmannschaft für die wenigen positiven Meldungen auf der iberischen Halbinsel. Denn trotz des Eurodebakels erwirtschaften diese Firmen Exportüberschüsse.

Telefonica gehört mittlerweile zu den wichtigsten global agierenden Telekommunikationsunternehmen und Santander zu den wertvollsten Bankhäusern der Eurozone. Besonders erfolgreich ist der Textilkonzern Inditex. Die Filialen seiner Tochterunternehmen, unter anderen ZARA und Massimo Dutti, dominieren weltweit viele Einkaufsstraßen. Inditex ist mit mehr als 5500 Geschäften und rund 110.000 Angestellten in 82 Ländern vertreten.

Von New York bis Mekka

Bei den genannten Firmen handelt es sich nicht um Einzelfälle. "Wenn man vom Bekleidungsanbieter ZARA spricht, muss man eigentlich gleich hinterher setzen: Mango, Desigual, Imaginarium. Das sind alles Marken, die zunehmend bekannt werden", sagt Walther von Plettenberg, Geschäftsführer der Deutschen Handelskammer für Spanien in Madrid der Deutschen Welle. Und wenn man Dienstleister wie Santander oder Telefonica nenne, müsse man "im gleichen Atemzug die ganzen Bauunternehmen nennen, die weltweit tätig sind. Stichworte: Metro London, Metro New York, Metro Moskau, Hochgeschwindigkeitszug zwischen Mekka und Medina. Überall stehen die Spanier in der Konkurrenz."

Eine Porträtaufnahme Plettenbergs (Foto: ahk)
Walther von Plettenberg sieht spanische ExportchancenBild: AHK

Die spanischen Konzerne spielen im Ausland nicht nur mit, sondern haben auf europäischer Ebene ein fast schon rekordverdächtiges Wachstumstempo bei den Exporten hingelegt, wie der Ökonom Guntram Wolff von der Brüsseler Denkfabrik "Thinktank Bruegel" der Deutschen Welle bestätigt: "Die spanischen Unternehmen haben in den letzten drei, vier Jahren eine der stärksten Exportwachstumsraten im ganzen Euroraum aufgewiesen." Spanien habe stärkere Wachstumsformen als jedes andere Land in der Eurozone, abgesehen von Estland.

Kaum Entlastung für Arbeitsmarkt

Doch dies lässt Spanien nicht wirklich aufatmen. Denn das Wachstum im Ausland reicht nicht aus, um die Misere im Inland wirkungsvoll zu bekämpfen. Schließlich stehen die Export-Unternehmen nur für einen kleinen Teil des spanischen Arbeitsmarktes. Sie tragen meist lediglich dazu bei, inländische Arbeitsplätze zu sichern. Neue Jobs werden vorwiegend im Ausland geschaffen. Die rund 5,5 Millionen spanischen Erwerbslosen profitieren daher kaum von den prosperierenden Auslandsgeschäften.

Umso wichtiger sind die Exporterfolge als Balsam für das angeschlagene spanische Selbstbewusstsein. In den Augen der Bevölkerung beweisen sie, dass Spanien in der Welt noch etwas darstellt und kein Pleitestaat ist, dem unternehmerische Potenz fehlt. Mehr oder weniger offen nehmen prominente Spanier aus Wirtschaft und Politik den Außenhandel zum Anlass, um sich von Griechenland, dem anderen europäischen Sorgenkind, zu distanzieren.

Der Eingang einer Santanderfiliale (Foto: Getty Images)
Hier kriselt es nicht: das Bankhaus SantanderBild: Getty Images/AFP

Der Export ist somit zum Trostpflaster Spaniens geworden, der verwundeten, viertgrößten Volkswirtschaft Europas. Dies könne man auch in den Tageszeitungen verfolgen, erklärt Walther von Plettenberg: "Jedes Mal, wenn irgendein größeres Projekt im Ausland Spanien zugeschlagen wird, kommt das in die Presse und der Spanier weiß, das ist für ihn wichtig. International wird er wahrgenommen."

Unzählige Sekflaschen, die in einem Keller lagern (Foto: Getty Images)
Ein Keller des Sektkonzerns Codorniu. Der spanische Marktführer verkauft 55 Prozent seiner Produktion ins Ausland.Bild: Getty Images

Von deutschen Erfolgen inspiriert

Und der Trend scheint anzuhalten. Nach jüngsten Informationen der deutschen Handelskammer für Spanien sind die Exporte im ersten Quartal dieses Jahres noch mal um 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Von 2000 bis 2011 seien die Exporte gegenüber Deutschland fast um 50 Prozent angestiegen, gegenüber dem Weltmarkt sogar um 72 Prozent. Diese Erfolgsgeschichte ist kein Zufall. Auf der Suche nach neuen Wachstumsmöglichkeiten und um die Industrie nach dem Zusammenbruch des Bausektors zu stützen hatte die Regierung in Madrid Wachstum und - mit Blick auf große Exportnationen wie Deutschland - die Förderung des Außenhandels zur nationalen Priorität erklärt.

Der Ökonom Guntram Wolff ist überzeugt, dass die Exporterfolge aber in erster Linie klugem Unternehmertum zu verdanken sind: "Was wir da sehen, ist weniger ein Ergebnis der spanischen Wirtschaftspolitik, sondern reflektiert die Stärke einiger Unternehmen." Vor allem einiger großer Firmen, die insbesondere in Lateinamerika und in Afrika sehr stark seien und dort ihre Erfolge feierten.

Eine Porträtaufnahme von Guntram Wolff (Foto: Bruegel)
Guntram Wolff glaubt an kreatives UnternehmertumBild: Gleamlight/Ph. Molitor

Kreditklemme bremst Expansion

Auf dem Weltmarkt glänzen also meist die Konzerne, die spanischen Industrieflagschiffe. Kleinere und mittelständische Unternehmen sind kaum an diesem Geschäft beteiligt. Ein Haupthindernis dafür liegt in der Finanzierung von Investitionen. Spanische Unternehmen haben derzeit massive Probleme, Zugang zu Finanzierungen am Kapitalmarkt zu bekommen. Gerade kleinere und mitteständische Firmen sind aber auf Kreditspritzen angewiesen, um den Schritt ins Ausland wagen zu können.

Es gibt aber auch andere Schwierigkeiten. "Es fehlt ihnen einfach auch an Exportfähigkeit, es fehlt ihnen an Sprachkenntnissen, es fehlt ihnen an einer gewissen Exporttradition", sagt Walther von Plettenberg. Dies sei eine größere Hausaufgabe, die Spanien noch zu leisten habe. "Aber wenn man das positiv sieht, hat Spanien eine Menge an Potenzial noch vor sich, wenn der Mittelstand in die Lage versetzt wird, zu exportieren."

Eine ZARA-Mitarbeiterin prüft Blazer
Endkontrolle in einer ZARA-TextilfabrikBild: presse

Noch sind es die großen Unternehmen, die für Exportüberschüsse sorgen. So will das Bekleidungshaus ZARA beispielsweise auf dem deutschen Markt expandieren. ZARA Deutschland kündigte für Ende September die Eröffnung einer weiteren Filiale in München an. Es wäre bereits das sechste ZARA-Geschäft in der bayerischen Hauptstadt.