Expertenrat: Deutschlands Klimaziel so nicht erreichbar
5. Februar 2025Fördergelder, Kaufanreize, Vergünstigungen: Der Staat tut einiges, um den Klimaschutz in Deutschland zu fördern. Ziel ist es, bis zum Jahr 2030 den Ausstoß des Klimagases Kohlendioxyd gegenüber 1990 um 65 Prozent zu mindern. Das hat Deutschland im globalen Kampf gegen den Klimawandel völkerrechtlich verbindlich zugesagt. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg und die Zeit wird offenbar langsam knapp.
Der von der Bundesregierung eingesetzte Expertenrat für Klimafragen hält trotz Fortschritten das deutsche Klimaziel 2030 ohne zusätzliche Instrumente für kaum zu schaffen. Das Gremium aus unabhängigen Experten sei zu dem Ergebnis gekommen, "dass das Erreichen der Ziele des Klimaschutzgesetzes ohne wesentliche Anpassungen in der Ausrichtung eher fraglich erscheint", sagte der Ratsvorsitzende Hans-Martin Henning jetzt bei der Vorstellung der Studie in Berlin. Henning ist Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg im Breisgau.
Zwar habe sich der Rückgang der Treibhausgas-Emissionen zuletzt beschleunigt und die jeweiligen Jahresziele wurden insgesamt erreicht. Allerdings müsste dem Gremium zufolge das Tempo ab diesem Jahr für das angestrebte Ziel um 50 Prozent zunehmen. Besonders Gebäude- und Verkehrssektor seien problematisch. Wälder und Moore würde zudem unterm Strich CO2 produzieren, obwohl ihnen in den Planungen eigentlich ein positiver Effekt zukommen sollte.
Regelmäßige Gutachten
Dem Expertenrat für Klimafragen kommt eine zentrale Rolle im deutschen Klimaschutzgesetz zu. Das Gremium muss in regelmäßigen Abständen überprüfen, ob Deutschland das verbindliche Ziel bis 2030 einhalten kann, klimaschädliche Emissionen innerhalb von 40 Jahren um fast zwei Drittel zu senken.
Bereits im vergangenen Jahr hatten die Expertinnen und Experten deutlich gemacht, dass dies ohne Nachbesserungen kaum erreichbar ist. Kommt das Gremium zwei Jahre in Folge zu so einem Ergebnis, muss die Bundesregierung nachsteuern. Der nächste Bericht wäre erst nach der vorgezogenen Bundestagswahl fällig. Allerdings sieht das Klimagesetz ohnehin vor, dass jede neue Regierung innerhalb eines Jahres nach Antritt ein aktualisiertes Klimaschutzprogramm vorlegen muss.
Das jetzt vorliegende Zwei-Jahres-Gutachten hat in erster Line die Aufgabe, die Wirkung bisheriger Entwicklungen und Instrumente zu überprüfen. Neuerdings nehmen die Experten auch Wirtschaftlichkeit und soziale Folgen der Klimaschutzmaßnahmen unter die Lupe.
Licht und Schatten
Die fünf Experten erkennen an, dass es zuletzt Fortschritte gegeben hat: "Der Trend des Rückgangs der Treibhausgasemissionen von 2014 bis 2023 hat sich im Vergleich zur Dekade 2010 bis 2019 beschleunigt." Dies gelte vor allem für den Energiesektor und teils auch für die Industrie. Bei letzterer wirkten aber die Energiekrise und die Wirtschaftsflaute. Es sei unklar, ob dies dauerhaft sei.
Bei Gebäuden und Verkehr seien die Aussicht dagegen düster: Es würden noch zu viele Verbrenner-Autos zugelassen, die auch in vielen Jahren noch auf der Straße sein würden. Die Wirkungen des Deutschlandtickets im Nahverkehr seien noch nicht zu beziffern.
Zudem würden in Deutschland zu wenig Wärmepumpen eingebaut, sodass auch hier fossile Energie eine zu große Rolle einnehme. Die CO2-Abgabe auf Gas, Heizöl oder Sprit, die in den nächsten Jahren steigen wird, könne allein nicht ausreichend sein, schreiben die Experten.
Deutschland drohen so Milliarden-Zahlungen, da die Sektoren Gebäude und Verkehr eigene Jahresziele haben, die die Europäische Union kontrolliert. Werden hier in den nächsten Jahren weiter Vorgaben verfehlt, muss Deutschland CO2-Verschmutzungsrechte von anderen Staaten kaufen.
Eine weitere Erkenntnis des Expertenrats: Von Fördermaßnahmen für mehr Klimaschutz profitieren eher wohlhabendere Haushalte. Privathaushalte seien vor allem in den Bereichen Gebäude und Verkehr von finanziellen Auswirkungen betroffen, sagte die stellvertretende Vorsitzende, die Physikerin und Klimawissenschaftlerin Brigitte Knopf. "Zudem weisen einige Maßnahmen ein soziales Ungleichgewicht auf, so wurden bisher primär einkommensstarke Haushalte gefördert."
Experten: Soziale Auswirkungen stärker berücksichtigen
Diese negativen Verteilungswirkungen könnten durch den steigenden CO2-Preis, der Heizen und Tanken mit fossilen Brennstoffen teurer macht, verstärkt werden, so Knopf. "Daher sind zusätzliche Unterstützungs- und Kompensationsmaßnahmen erforderlich."
Künftig sollten soziale Auswirkungen bei der Gestaltung klimapolitischer Maßnahmen stärker einbezogen werden, empfiehlt der Rat. Er legt der Bundesregierung auch eine bessere Planung der Ausgaben für den klimafreundlichen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft nahe und eine Koordination der Maßnahmen unterschiedlicher Ministerien aus dem Kanzleramt.
AR/se (rtr, dpa, epd)
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