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EKD-Zukunftsprozess

Klaus Krämer17. Mai 2014

Sinkende Mitgliederzahlen bei der evangelischen Kirche haben dazu geführt, dass sich die Verantwortlichen seit Jahren um Reformen bemühen. Dazu gab es jetzt ein Zukunftsforum, das Strategien diskutierte. Mit Erfolg?

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Evangelische Thomaskirche Wuppertal
Bild: Frank-Michael Theuer

Die Gründe für die kontinuierlich abnehmende Akzeptanz der evangelischen Volkskirche im 20. und beginnenden 21. Jahrhundert sind vielfältig: Traditionsabbruch, eine Säkularisierung der Gesellschaft, zwei kirchenfeindliche Diktaturen, stark gestiegene Konkurrenz auf dem Markt religiöser Angebote, eine abschreckende Kirchensteuer, starre Strukturen, die die Menschen immer schlechter erreichen. Dass in den 1990er Jahren bis zu 300.000 Mitglieder jährlich der evangelischen Landeskirche den Rücken kehrten, ließ bei den Verantwortlichen die Alarmglocken schrillen. Denn mit jedem Austritt wird die Kirche ärmer – in puncto menschlicher Vielfalt und erst recht in finanzieller Hinsicht.

Dieser Exodus führte dazu, dass in Kirchenhaushalten seit mehr als 20 Jahren zunehmend der Rotstift regiert. Den umfangreichen Sparmaßnehmen fielen etwa Aufgaben in den Bereichen Soziales, Bildung und Medien zum Opfer. Somit waren auch Nicht-Kirchenmitglieder betroffen, die von kirchlichen Angeboten profitierten. Die Sparhaushalte haben zudem bis heute Folgen für die Ortsgemeinden. Stellen für Pfarrer, Diakone, Jugendarbeiter oder Kirchenmusiker mussten zum Teil drastisch reduziert werden. So manche Bücherei schloss ihre Tür für immer.

All dies führte dazu, dass es die evangelische Kirchen seltener schaffte, ihre biblische Botschaft mitsamt christlicher Ethik im Denken der Menschen und in der Gesellschaft insgesamt zu verankern. Der glückliche Umstand, dass die deutsche Wirtschaft trotz weltweiter Krise vergleichsweise gut aufgestellt war, verhinderte Schlimmeres. So flossen immer wieder höhere Kirchensteuermittel in die klerikalen Kassen als berechnet. Neben dieser Haupteinnahmequelle sind es vor allem die freiwilligen Kollekten und Spenden der Mitglieder, die das Überleben der Kirchen sichern. Dagegen bedeutet jeder Kirchenaustritt auch einen finanzieller Verlust.

Katholische Kirche Kirchenaustritt
Kirchenaustritt - ein MassenphänomenBild: picture-alliance/dpa

Keine Alternative zu Reformen

Abfinden wollten sich die evangelischen Kirchen mit dieser Situation nicht. So hatten sie keine Wahl zum derzeitigen Reformprozess. Die Federführung übernahm die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), der Dachverband der 20 Landeskirchen. Der Startimpuls erfolgte im Jahr 2006 auf allen Ebenen. Unter dem Titel "Kirche der Freiheit" wird seither unter anderem für eine bessere Qualität kirchlicher Angebote und für Strukturanpassungen geworben.

In Kooperation mit den Landeskirchen wurden vier Reformzentren errichtet: für evangelische Predigtkultur (Wittenberg), für Qualitätsentwicklung im Gottesdienst (Hildesheim), für Führen und Leiten (Berlin) sowie für Mission in der Region (Dortmund/Stuttgart/Greifswald). Bei einem Zukunftskongress 2007 und einer Zukunftswerkstatt 2009 nahm der Reformprozess Fahrt auf. Innovative Ideen für die Praxis wurden vorgestellt und diskutiert. "Wir haben schon eine Menge Zwischenergebnisse", sagt Hans-Hermann Pompe, Leiter des Zentrums für Mission in der Region. Er beobachtet eine steigende Aufmerksamkeit der Kirche für missionarische Prozesse, "also das Zugehen auf Menschen, die wenig oder keinen Kontakt zum Glauben haben und für die Frage, was ihnen helfen würde, eine gelingende Gottesbeziehung zu entwickeln.

Mittlere Ebene einbeziehen

Bisher haben sich vor allem Kirchenleiter, Synoden und Fachgremien mit der Reform der Kirche beschäftigt. In Wuppertal und etlichen Ruhrgebietsstädten ging es nun darum, die Mittlere Ebene einzubeziehen in den Ideen- und Innovationstransfer von der Spitze zur Basis. Bis Samstag wollten sich rund 800 Superintendenten, Kreispfarrer, Dekane und ehrenamtliche Leitungsmitglieder, die auf der regionalen Ebene Verantwortung tragen, der Frage stellen: Wie kann Kirche künftig präsent sein? Das Motto lautete: "informieren - transformieren - reformieren". "Mit guten Impulsen hat die mittlere Ebene eine Schlüsselfunktion", betont Hans-Hermann Pompe im Gespräch mit der DW, "weil sie eine Art Verteiler ist".

Hans-Hermann Pomp
Spezialist für Mission - Pfarrer Hans-Hermann PompeBild: ZMiR

Kompetenz erworben

Im Erneuerungsprozeß der Kirche erfahre man schnell die "Mühen der Ebene", so Pompe. Vieles dauere länger als gedacht, doch immerhin: "Was wir angestoßen haben, ist ein Prozess, dessen Ergebnisse nicht sofort geerntet werden können."

Acht Jahre nach dem Start des Reformprozesses und fünf Jahre nach der Eröffnung der Kompetenzzentren sei es wichtig, die Menschen, die in Kirchenbezirken, Kirchenkreisen, Verantwortung tragen, besser auszurüsten und zu vernetzen. Nicht die Strukturen stünden im Vordergrund, sondern Vertrauen, Kooperation und Unterstützung auf der menschlichen Ebene.

Sichtbare Erfolge

Patentrezepte haben auch die EKD-Reform-Spezialisten nicht. Wie wichtig die vor fünf Jahren installierten Kompetenzzentren sind, verdeutlicht ein Beispiel aus Sachsen-Anhalt. Das EKD-Zentrum für Qualitätsentwicklung hat mit dem Kirchenkreis in Köthen überlegt, wie Gottesdienste in den einzelnen Gemeinden so aufeinander abgestimmt werden können, dass die Menschen bei abnehmenden kirchlichen Ressourcen dennoch die Möglichkeit haben, einen Gottesdienst zu besuchen und ihn so zu feiern, dass er sie anspricht und ihnen hilft.

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Ob der Reformprozess die Kirchen füllt?Bild: picture-alliance/dpa

Keine goldene Regel

Eine goldene Regel für die Zukunftsgestaltung der Kirche gebe es nicht, sagt Hans-Hermann Pompe. Das Engagement spiele sich zwischen zwei Polen ab. "Der eine ist, dass wir uns nicht selber, sondern dass uns Jesus Christus den Auftrag gegeben hat, den Menschen die Nachricht von der Liebe Gottes zu sagen und dass er ein hohes Interesse daran hat, ihr Leben positiv verändert." Der andere Pol sei der, dass Kirche nah bei den Menschen sein müsse. "Wir können nicht für ein fiktives Publikum arbeiten, sondern müssen verstehen, wie die Menschen sind. Wir müssen ihre Ängste, ihre Freuden teilen." Das ist Hans-Hermann Pompes Anliegen für die evangelische Kirche von Morgen.