Grünes Licht für Euro-Rettungsschirm
27. November 2012Sie ließen sich Zeit, die Richter des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg, als sie am Dienstagmorgen (27.11.2012) zur Urteilsverkündung schritten. Der irische Abgeordnete Thomas Pringle hatte im Frühjahr 2012 ein Verfahren gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) angestrengt.
Nun unterlag er vor dem Europäischen Gerichtshof. Gerichtspräsident Vassilios Skouris fasste den Tenor der Entscheidung in kargen Worten zusammen: "Es hat sich aus der Prüfung nichts ergeben, das die Gültigkeit des Beschlusses 2011/199 des Europäischen Rates berühren könnte." Anders ausgedrückt: Die Staats- und Regierungschefs dürfen den Euro-Ländern erlauben, einen dauerhaften Stabilitätsmechanismus einzurichten.
EU-Recht nicht verletzt
Thomas Pringle hatte in seiner Klage argumentiert, durch diese Vereinbarung - noch dazu durch Ratsbeschluss und damit im vereinfachten Verfahren - werde der Vertrag über die Arbeitsweise der EU, also das EU-Recht, verändert. Der Europäische Gerichtshof wies das zurück: Im konkreten Fall ginge es um interne Politikbereiche, in denen im vereinfachten Verfahren entschieden werden dürfte.
Die Etablierung eines Stabilitätsmechanismus, erklärten die Richter, sei kein Instrument zur Gewährleistung der Währungsstabilität sondern eine wirtschaftspolitische Maßnahme. Diese Unterscheidung ist wichtig. Denn die Währungspolitik fällt in die ausschließliche Zuständigkeit der Union und darf nicht im vereinfachten Verfahren beschlossen werden. Stattdessen ist ein ordentliches Änderungsverfahren notwendig - und zwar unter Beteiligung eines Konvents von Vertretern der nationalen Parlamente, der Staats- und Regierungschefs, des Europäischen Parlaments und der Kommission.
Das sei aber in diesem Fall nicht nötig gewesen, so die Richter: Der ESM habe das Ziel, die Stabilität des Euro-Währungsraums zu bewahren, indem er Staaten Finanzhilfen gewährt. Nur weil diese Finanzhilfen auch mittelbare Auswirkungen auf die Stabilität des Euro haben könnten, dürfe man sie nicht als Teil der Währungspolitik ansehen, heißt es in der Urteilsbegründung.
"Bail-Out" unter Bedingungen
Pringles zweites Argument gegen den ESM lautete, dass der Stabilitätsmechanismus gegen bestehendes EU-Recht verstoße. Dabei bezog er sich vor allem auf das "No-Bail-Out-Verbot", also das Verbot für die Schulden eines anderen Mitgliedsstaates einzutreten. Auch diese Sichtweise wies das Luxemburger Gericht zurück: "Die fraglichen Vorschriften der EU-Verträge stehen dem nicht entgegen, dass die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, den ESM-Vertrag abschließen", so Gerichtspräsident Skouris. Das "No-Bail-Out-Verbot" werde nicht verletzt. Denn die Klausel verbiete nicht jede Finanzhilfe an Mitgliedsstaaten. Voraussetzung für eine solche Hilfe sei allerdings, dass sie an Auflagen geknüpft sei, die zu einer soliden Haushaltspolitik führten. Der bedürftige Mitgliedsstaat wäre nach der Argumentation der Luxemburger Richter auch nicht alle Schulden auf Kosten der ESM-Unterzeichnerstaaten los, sondern hätte vielmehr nun eine neue Schuld gegenüber dem Rettungsschirm.
Außerhalb des EU-Rechts
Blieb also die letzte kritische Frage des Iren Thomas Pringle: Kann es rechtens sein, dass Entscheidungen des ESM-Finanzierungsmechanismus gerichtlich nicht überprüfbar sind? Schließlich entscheidet der ESM-Gouverneursrat, also die Finanzminister der Euro-Länder, über ein maximales Darlehensvolumen von 500 Milliarden Euro. Konkret prangerte Pringle die Verletzung des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes an, der in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union festgeschrieben steht.
"Die Mitgliedsstaaten führen aber nicht das Recht der Union durch, wenn sie den ESM einrichten, für dessen Einrichtung die EU-Verträge keine spezielle Zuständigkeit einräumen", heißt es dazu lapidar in der Urteilsbegründung. Oder anders gesagt: Einmal eingerichtet, befindet sich der ESM außerhalb des EU-Rechts, also gibt es auch keine Möglichkeit, sich gerichtlich auf der Basis des EU-Rechts gegen seine Entscheidungen zu wehren.