Europawahl 2024: AfD hat Erfolg bei Jungwählern
10. Juni 2024Die AfD hat bei der Europawahl 2024 in fast allen Bevölkerungs- und Altersgruppen dazugewonnen, aber den größten Zuwachs schaffte sie bei der Jugend. Unter den 16 bis 24-Jährigen wählten 16 Prozent die Alternative für Deutschland, die vom deutschen Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtet wird. Damit liegt die AfD bei den Jungwählern fast gleichauf mit den konservativen Unionsparteien von Christdemokraten und Christsozialen.
Die AfD ist damit zwar weit davon entfernt, die Mehrheit der Jungwähler anzusprechen - beachtlich ist aber eben der Zuwachs an Wählerstimmen. Bei den Europawahlen im Jahr 2019 kam die Rechtsaußen-Partei auf gerade einmal fünf Prozent der Stimmen junger Wähler. Jetzt konnte sie ihren Stimmenanteil in dieser Wählergruppe mit 16 Prozentpunkten also mehr als verdreifachen.
Dabei stand die AfD der Jugend, vor allem dem Absenken des Wahlalters auf 16, ursprünglich skeptisch gegenüber. Sie sah in jungen Wählern eher eine Bedrohung als eine Chance für gute Wahlergebnisse. Im Jahr 2018 klagte die AfD deswegen im Land Thüringen gegen eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Die Partei schimpfte, dass die regierenden Linken, Sozialdemokraten und die Grünen sich mit der Absenkung von 18 auf 16 Jahre nur ihre Macht sichern wollten, weil junge Leute eben links seien. Die Klage wurde abgewiesen.
AfD - die TikTok-Partei
Seitdem hat sich die AfD so strategisch wie keine andere deutsche Partei um die Jugend bemüht - und das mit Erfolg. Mit gezielten Kampagnen auf TikTok, Instagram und Co versucht die AfD den Nerv junger Menschen zu treffen: Die Botschaften sind emotional, klar und direkt: "Sei selbstbewusst", "Guck geradeaus", "Schau keine Pornos", "Steh zu Dir". Damit wirbt der umstrittene AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah auf TikTok. Seine Botschaften verknüpft er mit simplen politischen Positionen: "Echte Männer sind rechts". Auch wenn Maximilian Krah mit seinen biederen Anzügen samt Einstecktuch auf einer Plattform für junge Menschen eher eine Art Anti-Influencer zu sein scheint, hat er gewaltigen Erfolg. In seinen Videos verknüpft er die knackigen Punchlines mit Humor und erreicht mit seiner Strategie am Ende ein Millionenpublikum.
Doch Maximilian Krah ist mehr als nur ein bloßer TikTok-Polit-Influencer. Er hat für handfeste Skandale gesorgt. Der AfD-Spitzenkandidat steht im Verdacht, Gelder aus russischen Propaganda-Kanälen angenommen und einen chinesischen Spion beschäftigt zu haben. Und kurz vor der Wahl relativierte er die Verbrechen der deutschen SS im Zweiten Weltkrieg. Einer Organisation also, die in der Zeit des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 wie keine andere für den industriellen Massenmord an den europäischen Juden verantwortlich war. Die Empörung über Krahs Relativierung kam aus ganz Europa und selbst von befreundeten rechtsextremen Parteien.
Die AfD-Parteispitze verbannte Maximilian Krah deswegen aus dem Europawahlkampf. Möglicherweise hat das die AfD sogar Wählerstimmen gekostet - angesichts der starken Stimmenzuwächse im Vergleich zur vergangenen Europawahl lässt sich das aber aus Sicht der AfD verkraften. Junge Menschen scheinen die Skandale entweder nicht zu interessieren oder sie bekommen sie gar nicht mit.
Demokraten ohne Strategie
Die demokratischen Parteien in Deutschland haben der AfD und ihrer modernen Social-Media-Strategie bislang nur wenig entgegengesetzt. Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz auf seinem frisch angelegten TikTok-Kanal versucht, den jungen Menschen den Charme seiner abgewetzten Aktentasche näherzubringen ("Da drin sind...Akten"), dann ist das fast rührend, wirkt aber auch recht verloren in der grellen TikTok-Welt. Am Ende erreicht die AfD auf der chinesischen Plattform so viele junge Menschen in Deutschland wie alle anderen Parteien zusammen: CDU, CSU, SPD, Grüne, FDP und Linke.
Das starke Abschneiden der AfD bei den Jungwählern hat möglicherweise auch einen inhaltlichen Grund: noch vor fünf Jahren war die größte Sorge der Jugend der menschengemachte Klimawandel und seine Folgen. Im Jahr 2024 ist das Thema in den Hintergrund geraten. Laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung sorgen sie sich vor allem um den Frieden in Europa. "Frieden sichern" nannte eine Mehrheit der 16- bis 25-Jährigen als wichtigste Aufgabe. Entsprechend versuchte sich die AfD in den vergangenen Monaten als "Friedenspartei" zu inszenieren - und hatte bei der Jugend damit offensichtlich Erfolg.