Europarat stellt Türkei unter verschärfte Aufsicht
25. April 2017Nach einer mehrstündigen kontroversen Debatte in Straßburg einigten sich die Abgeordneten darauf, das Mittelmeerland einem sogenannten Monitoring-Verfahren zu unterziehen. Dieses sieht vor, dass zwei Beobachter der Parlamentarischen Versammlung der Länderorganisationen regelmäßig in die Türkei reisen und sich dort über die politische Lage informieren. Dort sollen sie mit Regierungsvertretern, Parlamentariern, Oppositionellen und Nicht-Regierungsorganiationen sprechen.
Grund für die Maßnahme ist nach dem Beschluss der Versammlung die Menschenrechtslage in der Türkei, die sich seit dem Sommer des vergangenen Jahres deutlich verschlechtert habe. So seien die Medienfreiheit stark eingeschränkt und der Rechtsstaat geschwächt worden. Die Regierung unter Präsident Recep Tayyip Erdogan nutze den nach dem Putschversuch im Juli verhängten Ausnahmezustand unter anderem, um Oppositionelle mundtot zu machen.
Türkei spricht von "politischer Operation"
Unter voller Beobachtung stand die Türkei zuletzt zwischen 1996 und 2004. Der damalige Prozess wurde nach der Abschaffung der Todesstrafe beendet. Bei der Debatte in Straßburg sprachen sich türkische Abgeordnete vehement gegen eine Wiederaufnahme der verschärften Aufsicht aus. Ursprünglich sollte die Abstimmung im Januar stattfinden - vor dem umstrittenen Referendum über eine Verfassungsreform. Die Türkei hatte sich jedoch für eine Verschiebung eingesetzt.
Das türkische Außenministerium verurteilte den Beschluss umgehend als politisch motiviert. Die Entscheidung sei auf "bösartige Kreise" inder der Parlamentarischen Versammlung zurückzuführen und "eine Schande fpr das Organ, das behauptet, die Wiege der Demokratie zu sein". Die Türkei sei ein "entscheidender Verteidiger europäischer Ideale und Werte". Der Beschluss lasse dem Land keine andere Wahl, als ihre Beziehungen zur Parlamentarischen Versammlung zu überdenken. Bereits am Montag hatte der Sprecher Erdogans, Ibrahim Kalin, die bevorstehende Abstimmung als "politische Operation" bezeichnet.
Unterdessen scheiterte die türkische Opposition mit ihrem Versuch, gerichtlich gegen das Verfassungsreferendum vom 16. April vorzugehen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Anadolu erklärte sich der Staatsrat, eines der höchsten türkischen Gerichte, für nicht zuständig. Die sozialdemokratische Oppositionspartei CHP hatte mit ihrer Klage versucht, die Entscheidung des Höchsten Wahlausschusses (YSK) zu kippen, bei der Volksabstimmung ungestempelte Wahlzettel zur Auszählung zuzulassen. Europäische Wahlbeoachter hatten dies kritisiert.
hk/kle (dpa, rtr, afp)