Europa: Zu milde gegenüber Afrikas Geldwäschern?
19. Februar 2019Jean-Jacques Lumumba will die Wahrheit wissen. Doch das ist in seinem Heimatland, der Demokratischen Republik Kongo, nicht gern gesehen. In Kinshasa leitete Lumumba die Kreditabteilung einer gabunischen Bank, als ihm verdächtige Buchungen auffielen. Als er die Geschäftsführung darauf hinwies, änderte sich sein Leben von einem Tag auf den anderen: Unter vorgehaltener Pistole wurde er zum Stillschweigen gezwungen, kurz darauf floh er nach Frankreich.
Dort machte Lumumba den Fall publik, wurde zum Whistleblower. Eine Summe von mehr als 40 Millionen Euro soll mithilfe seines früheren Arbeitgebers BGFI gewaschen worden sein: "An diesen Transaktionen waren Unternehmen beteiligt, die dem damaligen Präsidenten Joseph Kabila nahestanden", sagt Lumumba im DW-Interview. "Die Bank wurde damals von einem engen Vertrauten des Präsidenten geleitet."
David gegen Goliath
Nun hat Lumumba, ein Großneffe des kongolesischen Unabhängigkeitshelden Patrice Lumumba, den Fall vor einem französischen Gericht zur Anklage gebracht. Es sei ein Kampf "David gegen Goliath", sagt sein Anwalt Henri Thulliez. Aber man hoffe, dass David gewinnen werde.
Es ist kein Einzelfall, dass Korruptionsfälle afrikanischer Machthaber vor europäischen Gerichten landen. So wurde Teodorin Obiang, Sohn des Präsidenten von Äquatorialguinea, im Oktober 2017 der Veruntreuung öffentlicher Gelder und der Geldwäsche für schuldig befunden: Ein französisches Gericht verurteilte ihn in Abwesenheit zu drei Jahren Haft. Seine französischen Besitztümer - darunter eine Villa im Wert von rund 100 Millionen Euro - wurden konfisziert.
Das Urteil ist ein Erfolg für die Anti-Korruptions-Organisationen Sherpa und Transparency International, die sich für eine Aufklärung des Falls einsetzten - und bisher eine der wenigen Erfolgsgeschichten. Ein Schweizer Verfahren gegen Obiang endete diesen Februar mit einer Art Vergleich. Das ölreiche Äquatorialguinea zahlte eine Million Euro Prozesskosten. Außerdem werden 25 beschlagnahmte Luxusautos versteigert, die dem Präsidentensohn gehören. Der Erlös soll sozialen Zwecken in Obiangs Heimatland zugute kommen. Doch eine Hundert-Millionen-Euro-Luxusyacht, die im Zentrum des Verfahrens stand, darf Obiang behalten.
Für Sarah Saadoun von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch steht dieser verhältnismäßig glimpfliche Ausgang in krassem Gegensatz zum Jetset-Leben des Präsidentensprosses, den dieser offen in den Sozialen Netzwerken teilte. Zu den jetzt konfiszierten Autos gehören laut Schweizer Medien seltene Modelle wie ein Bugatti Veyron oder ein schwedisches Koenigsegg One:1, von dem weltweit nur ein halbes Dutzend existieren. Verkaufswert jeweils rund zwei Millionen Euro.
Es fehlt an einheitlichen Regelungen
"Die Korruption im Land trug unmittelbar zur Vernachlässigung des Bildungs- und des Gesundheitssektors bei", sagt Saadoun im DW-Gespräch. "Äquatorialguinea hat das höchste Bruttoinlandsprodukt pro Kopf auf dem Kontinent, aber die weltweit niedrigste Impfquote." Das Land war in den 1990er-Jahren durch die Erdöl-Förderung zu unverhofftem Reichtum gekommen. Doch die Bevölkerung profitiert davon bis heute nicht, wie Human Rights Watch in einem Bericht offenlegte.
"Es gibt zu wenig Fortschritt auf diesem Gebiet", sagt auch Gillian Dell von Transparency International. Ihre Organisation bemüht sich in mehreren Fällen von Korruption und Geldwäsche um Aufklärung. Die von ihr in Frankreich angestoßenen Ermittlungen gegen den gabunischen Präsidenten Ali Bongo wurden jedoch 2017 aus Mangel an Beweisen eingestellt. "Wir brauchen Fortschritte nicht nur bei der Strafverfolgung, sondern auch bei der Vorbeugung von Geldwäsche", sagt Dell. Dabei müssten nicht zuletzt auch die Finanzunternehmen mitwirken und die Behörden über Verdachtsfälle informieren. Transparency International bemüht sich seit Jahren um einheitliche gesetzliche Regelungen in Europa.
Die Gerichte in Europa seien immer noch zu zurückhaltend, wenn es um die Aufarbeitung solcher Fälle gehe, sagt der portugiesische Anwalt Rui Verde. Es bestehe die Angst, mit dem Vorwurf des Neokolonialismus konfrontiert zu werden. Auch auf die ehemalige Kolonialmacht Portugal treffe das zu. Vergangenen Dezember hatte das Land einen portugiesischen Staatsanwalt zu sechs Jahren und acht Monaten Haft verurteilt, weil er Gelder von Angolas Vizepräsidenten Manuel Vicente erhalten habe, um Ermittlungen gegen ihn wegen möglicher Korruptionsfälle einzustellen. Die Ermittlungen gegen Vicente selbst hat Portugal jedoch an Angola abgegeben.
Jean-Jacques Lumumba, der Whistleblower aus Kinshasa, klagt derweil auf Wiedergutmachung für die Ungerechtigkeiten, die ihm durch die Bank widerfahren sind. So muss Lumumba auch fern der Heimat um sein Leben fürchten, doch er lässt sich nicht verunsichern: "Die Wahrheit kennt keinen Preis", sagt er. "Selbst, wenn ich nicht mehr sein werde, wird mein Kampf weitergehen - ein Kampf, den ich nicht nur für mich, sondern für viele Kongolesen kämpfe." Der Kabila-nahe Bankdirektor wurde inzwischen in die Konzernführung in Gabun befördert - nach Aussagen der Bank ein ganz normaler Vorgang.