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„Europa muss im Kosovo mehr Verantwortung übernehmen“

27. Januar 2005

Im Interview mit DW-RADIO fordert Rainer Stinner, der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, eine größere Rolle für Europa bei der Lösung des Kosovo-Problems.

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Rainer Stinner ist der Balkan-Experte der FDP


DW-RADIO/Albanisch: Die „Internationale Krisengruppe“ hat eine rasche Unabhängigkeit für Kosovo gefordert. Teilen Sie diese Position?

Rainer Stinner: Ich glaube zunächst, dass Kosovo alleine nur sehr schwer lebensfähig sein wird. Ich sehe zweitens, dass in diesem Schritt, wenn er im Jahre 2005 kommt, dass dadurch Impulse auf andere Regionalkonflikte ausgehen, und diese Regionalkonflikte ja in der Schwebe sind. Beispielsweise Montenegro. Das hat auch Auswirkungen auf andere Regionen. Deshalb glaube ich, zum Beispiel, dass die Russen hier sehr vorsichtig sein werden, diesem Modell zuzustimmen, u. a. auch wegen der Tschetschenien-Frage. Was ich hier vermisse, ist in der Tat eine verstärkte Rolle der EU. Die EU hat in Thessaloniki ein eindeutiges Statement abgegeben, dass diese Region zu Europa gehört und an die EU herangeführt wird. Und ich glaube, dass die EU die Pflicht hat, hier stärker am Lösungsansatz beteiligt zu sein, als das in dem Vorschlag der International Crisis Group (ICG) vorkommt.

Sie haben sich auch früher für eine europäische Verwaltung in Kosovo eingesetzt. Würden die USA so eine Schlüsselrolle der EU im Kosovo zulassen?

Ich spreche über dieses Thema häufig mit Amerikanern. Sie würden sie zulassen. Sie sagen ganz klar: Wenn ihr Europäer wirklich Dinge in die Hand nehmen wollt und wirklich nachweist, dass ihr Dinge auch verantwortlich gestaltet, dann ist uns das sehr recht, wenn ihr das tut in eurer Region. Die Amerikaner haben so viele Baustellen und andere Probleme, dass sie froh wären, wenn die Europäer diese Aufgabe im Kosovo verantwortungsvoll übernehmen würden. Ich glaube, dass dieser europäische Vorschlag auch für Belgrad der einzige Vorschlag ist, der politisch verdaubar ist. Ich glaube, dass diese unmittelbare Unabhängigkeit, die die ICG jetzt vorschlägt für Belgrad politisch unverdaubar ist, und mir liegt daran, soweit wie möglich zu versuchen, Belgrad einzubeziehen. Es gibt aus Belgrad im Augenblick durchaus widersprüchliche und zum Teil fragwürdige Signale, aber wir müssen daran arbeiten, dass wir Serbien-Montenegro und Belgrad in diesen Prozess mit einbeziehen.

Die Bundesregierung hat dazu eine andere Meinung. Bisher hat der Außenminister gesagt, die UNMIK mache ihre Aufgabe sehr gut. Und man weiß es immer noch nicht, wie die Gespräche ausgehen werden. Haben Sie eine Vorstellung davon?

Ich glaube, dass die Bundesregierung inhaltlich durchaus der EU-Lösung, wie die Kontaktgruppe insgesamt, der stärkeren europäischen Verantwortung auch zuneigt, dies aber im Augenblick nicht öffentlich sagt, dass aber sicherlich dieser Lösungsweg intensiv diskutiert wird. Dass wir Mitte 2005 eine Überprüfung (der Standards) haben, das steht schon fest. Die Frage ist, mit welchen Intentionen und welchen Richtungen gehen wir dann aus dieser Prüfung heraus. Da schlagen wir vor, dass die EU auf absehbare Zeit eine stärkere Rolle spielen sollte. Genauso wie wir erwarten, dass die Afrikanische Union im Sudan stärkeren Einfluss ausübt und die Dinge regelt, genauso wie ich der arabischen Welt vorwerfe, dass sie sich bis jetzt zu wenig um den Konflikt Israel - Palästina inhaltlich gekümmert hat, genauso sage ich, hier handelt es sich um ein Konfliktfeld innerhalb Europas, und im Auftrag der Vereinten Nationen müssen die Europäer hier eine stärkere Verantwortung übernehmen.

Das Interview führte Anila Shuka

DW-RADIO/Albanisch, 26.1. 2005, Fokus Ost-Südost