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"Euro-Ausstieg wäre eine Katastrophe"

Interview: Emma Wallis, Samantha Early /sst10. Juli 2015

In Griechenland Geschäfte zu führen, ist durch die Krise schwierig geworden, sagt Christian Scheemann, Geschäftsführer der Firma Jordan Olivenöl. Wie bezahlt man etwa Mitarbeiter, wenn Banken geschlossen sind?

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Bastian Jordan bei der Olivenernte (Foto: Daniel Esswein)
Bild: Daniel Esswein

Dasdeutsche Familienunternehmen Jordan Olivenöl wurde 1989 auf der griechischen Insel Lesbos gegründet. Die Großeltern von Bastian Jordan, einem der Firmengründer, wanderten in den 80er Jahren nach Griechenland aus. Der Großvater begann schon früh, Oliven zu ernten. Heute arbeitet die Familie mit rund 100 griechischen Familien zusammen, die jeweils ihre eigenen Olivenhaine haben. Christian Scheemann ist der Geschäftsführer der Firma, die ihren Sitz in Solingen hat.

DW: Wenn man zurzeit in die Zeitungen schaut, werden Deutschland und Griechenland stets gegeneinander ausgespielt. Wie sind Ihre Erfahrungen als ein deutsches Unternehmen, das in Griechenland arbeitet? Ist es schwierig für Sie?

Christian Scheemann: Es ist so ziemlich das Gegenteil zu dem, was man in den Medien lesen kann. Es war absolut kein Arbeiten gegeneinander, sondern eine Zusammenarbeit basierend auf Vertrauen und Zuverlässigkeit. Das haben wir erlebt. Der Besitzer der Olivenpresse, mit dem wir in Griechenland zusammenarbeiten, ist auch ein Olivenölproduzent in dritter Generation und wir haben ein sehr gutes Verhältnis. Er ist zuverlässig und qualitätsorientiert.

Was, denken Sie, sind einige der größten Irrtümer, die Leute hier von Griechenland und den Griechen haben?

Um ehrlich zu sein, glaube ich, dass viele von uns eine enorme Selbstgerechtigkeit an den Tag legen, wenn wir über Griechenland sprechen. Wir sagen immer "Ah, sie machen keine Abstriche, keine Reformen" - was aber nicht stimmt. Seit vier oder fünf Jahren verdienen sie immer weniger. Die meisten von ihnen mussten Kürzungen von rund 30 Prozent ihres Nettoeinkommens hinnehmen.

Wir haben so viele Freunde, die ihre Häuser nicht abbezahlen können und umziehen müssen, die ihren Job verlieren, die gefeuert werden und dann für denselben Job für den halben Lohn bei der gleichen Firma wieder eingestellt werden.

Das größte Problem ist, dass wir es doch einfach nicht mehr sehen wollen, dass sie wirklich leiden. Es ist eine wirklich schlimme Situation und wir wollen davon einfach nichts mehr hören, weil wir irgendwie gelangweilt sind nach fünf Jahren Krise.

Zwei Arbeiter schleppen Jute-Säcke mit Oliven (Foto: Daniel Esswein)
Zwei Arbeiter schleppen Jute-Säcke voller Oliven - ein Sack wiegt dabei zwischen 20 und 30 KilogrammBild: Daniel Esswein

Inwiefern schätzen Griechen die Deutschen falsch ein?

Ich denke, Stereotype tauchen auf beiden Seiten auf. Nicht mit unseren Freunden, aber mit der breiten Masse an Leuten. Die Menschen in Griechenland sind viel emotionaler [in Bezug auf die Krise], weil sie davon betroffen sind.

Freunde fragen mich immer: "Was denkst du über [die deutsche Bundeskanzlerin] Angela Merkel, was denkst du über [den deutschen Bundesfinanzminister Wolfgang] Schäuble?" Diese zwei sind mehr oder weniger die Gesichter der Krise [in Griechenland] und das merkt man auch, wenn man vor Ort ist.

Sie arbeiten auf eine sehr traditionelle Art und Weise - Sie pressen Olivenöl und betreiben Landwirtschaft. Haben Sie beobachtet, dass einige Menschen in der Krise wieder zu solcher Arbeit zurückkehren, weil Jobs in der Stadt einfach nicht mehr da sind?

Absolut, vor allem, da in Athen und auch in Thessaloniki, den beiden größten Städten in Griechenland, so viele Jobs gestrichen worden sind und so viele Geschäfte schließen mussten. Seit drei, vier Jahren kann man diese Entwicklung feststellen, dass Leute wieder zurück aufs Land ziehen - nicht nur, um Geld zu machen, sondern um einfach zu überleben. Da können sie wenigstens ihre eigene Nahrung anbauen, was wirklich wichtig ist zurzeit. Die meisten haben kein Geld für gar nichts.

Deutschland Christian Scheemann bei der Deutschen Welle in Bonn
Geschäftsführer Scheemann im Studio der Deutschen Welle in BonnBild: DW/S. Early

Seit zwei Wochen sind die Banken geschlossen. Wie beeinflusst das Ihr Geschäft?

Es beeinflusst uns ziemlich stark. Bastian, der Besitzer der Firma, wird mit einem Haufen Bargeld nach Griechenland fliegen müssen, weil wir unsere Leute vor Ort bezahlen wollen.

Die deutschen Banken raten ihren Kunden, keinerlei Geldtransfers an griechische Banken anzuweisen. Sie verbieten es nicht, aber sie raten davon ab, weil sie nicht garantieren können, dass das Geld am Ende auch da ist. Da beeinflusst uns und jeden anderen stark.

Fast nichts passiert da drüben. Die Menschen haben kein Geld, um für Benzin zu bezahlen, um die Lastwagen zu bewegen - das ist ein riesiges Problem im Moment und es wird erst dann gelöst, wenn die Banken wieder aufmachen.

Denken Sie, es wäre hilfreich oder nicht hilfreich, wenn Griechenland die Eurozone verließe?

Das wäre definitiv nicht hilfreich, es wäre eine Katastrophe für uns alle. Die Insel Lesbos ist einer der Orte, die die meisten Flüchtlinge in Griechenland beherbergt. Sie ist nur sieben Kilometer von der türkischen Küste entfernt. Im Januar hatten wir 500 Flüchtlinge, die herübergekommen sind. Im Mai waren es 5000. Die Zahlen steigen und steigen und es wird erwartet, dass Griechenland am Ende des Jahres mehr Flüchtlinge hat als Italien.

Falls Griechenland wirklich die [Eurozone] verlassen würde oder sogar die Europäische Union, das wäre eine Katastrophe. So oder so wird Geld aufgewendet werden müssen und ich bevorzuge, wieder gute Geschäftsbeziehungen aufzubauen und gute Kontakte zu haben und für Erfolg zu sorgen. Und nicht, es erst kaputtzumachen und dann doch Geld wieder Geld zahlen zu müssen.