EuGH: Auslieferung nach Polen mit Auflagen
25. Juli 2018Eine gewisse Kritik an den Zuständen in Polen lässt sich aus dem Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofes herauslesen, das sich mit der Auslieferung eines mutmaßlichen Straftäters von Irland an Polen beschäftigt. Nach diesem Urteil müssen europäische Strafverfolgungsbehörden vor einer Auslieferung künftig prüfen, ob ein faires Verfahren gewährleistet ist. Die Richter schrieben in ihrer Begründung, dass die systematische Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit, die die EU-Kommission der polnischen Regierung seit Jahren vorwirft, "besonders relevant" sein kann bei der Beurteilung einzelner Auslieferungsfälle.
Der Europäische Gerichtshof hat es aber vermieden, sich direkt in die harte Auseinandersetzung zwischen Warschau und Brüssel um die Justizreform in Polen einzumischen. Der EuGH nennt Rechtsstaatlichkeit und funktionierende unabhängige Gerichte als eine Grundvoraussetzung dafür, dass ein mutmaßlicher Straftäter, der mit europäischem Haftbefehl gesucht wird, ausgeliefert werden kann.
Das höchste europäische Gericht trägt deshalb den Behörden im Auslieferungsland auf, zwei Dinge zu prüfen:
1. Besteht eine Gewähr dafür, dass im Zielland der Auslieferung rechtsstaatliche Gerichtsbarkeit funktioniert?
2. Falls nein: Gibt es Fakten, die belegen, dass der Mensch, der ausgeliefert wird, tatsächlich Nachteile erleiden könnte und keinen fairen Prozess bekäme?
Bedingungen gelten nicht nur für Polen
Diese beiden Hürden sind sehr hoch. Der Europäische Gerichtshof fragt zum Beispiel, ob ein mutmaßlicher Straftäter, der ausgeliefert werden soll, nachweisen kann, dass das für ihn zuständige Gericht nicht unabhängig urteilen kann. In seinem Urteil bezieht sich der Europäische Gerichtshof nicht nur auf Polen; seine Feststellungen gelten für sämtliche EU-Staaten. In anderen Fällen hat der EuGH schon Zweifel daran geäußert, ob zum Beispiel Abschiebungen nach Rumänien oder Ungarn statthaft sind, weil dort die Haftbedingungen in den Gefängnissen katastrophal seien.
Die Richter in Luxemburg stellen fest, dass im vorliegenden Fall das Verfahren der EU-Kommission gegen Polen nach Artikel 7 des Vertrages von Lissabon berücksichtigt werden muss. Mängel im polnischen Justizsystem scheint das Gericht nicht auszuschließen. Allerdings betonen die Richter auch, dass die Weigerung, einen europäischen Haftbefehl zu vollstrecken und einen Beschuldigten nach Polen abzuschieben, auf jeden Fall die Ausnahme sein müsse und nicht zur Regel werden dürfte.
Irische Behörden müssen Rechtsstaatlichkeit in Polen prüfen
Im konkreten Fall muss nun das zuständige Gericht in Irland prüfen, ob der von den polnischen Justizbehörden ausgestellte Haftbefehl gegen den mutmaßlichen polnischen Drogenhändler Arthur C. zu einer Auslieferung führen kann oder nicht. Der polnische Staatsbürger hatte sich in Irland gegen eine Auslieferung nach Polen mit dem Argument gewehrt, in seiner Heimat sei wegen mangelnder Rechtsstaatlichkeit ein faires Verfahren nicht garantiert. Das irische Gericht hatte den Europäischen Gerichtshof, wie in solchen Fällen üblich, um eine europarechtliche Klärung gebeten.
Jetzt liegt der Ball wieder im irischen Feld. Die Behörden dort müssen nun prüfen, ob Arthur C. in Polen kein faires Gerichtsverfahren in einem Drogenprozess erwarten würde. Die pauschale Annahme, die Justiz in Polen sei nach den Eingriffen der Regierungspartei PiS nicht mehr unabhängig, reicht alleine nicht aus.
Die polnische Zeitung "Gazeta Wyborcza" schrieb in einem Kommentar nach dem Urteil, dass jetzt "die Gefahr besteht, dass Polen aus dem Rechtssystem der EU herausfällt." Wenn polnischen Gerichten nun grundsätzlich misstraut werden müsse, sei das kein gutes Zeichen.