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Politik

Österreich klagt gegen "grünes AKW-Label"

8. Oktober 2022

Bis 2050 will die Europäische Union klimaneutral werden - auch durch eine mögliche Förderung des Neubaus von Atomkraftwerken. Die Regierung in Wien geht nun juristisch gegen diese Pläne vor.

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Atomkraftwerk Isar 2 (bei Landshut)
Atomkraft ist aus Sicht Österreichs "weder grün noch nachhaltig"Bild: Armin Weigel/dpa/picture alliance

Österreich zieht vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Die Regierung in Wien klagt wegen der Pläne der EU-Kommission, Kernergie als "nachhaltig" einzustufen. "Atomkraft und Gas sind weder grün noch nachhaltig. Deshalb haben wir wie angekündigt eine Klage gegen die Taxonomie-Verordnung der EU-Kommission eingereicht", teilte Österreichs Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Freitag mit. Sie bestätigte damit einen Bericht der österreichischen Zeitung "Kurier" und macht eine länger angekündigte Drohung war.

Die Ministerin hat die Klassifizierung wiederholt "Greenwashing" genannt. Die seit 2020 geltende Taxonomie umfasst bisher regenerative Energien wie Wind- und Sonnenkraft, und soll ein europäisches Gütesiegel für nachhaltige Finanzprodukte schaffen. Der Schritt käme also einer offiziellen Empfehlung für private Investitionen in Atom- und Gasprojekte gleich. Das ist umstritten, da beim Verbrennen von Gas klimaschädliches Kohlendioxid entsteht und es keine endgültige Lösung für den radioaktiven Müll von Atomkraftwerken gibt.

Zu große Tragweite, zu wenig Zeit

Die Frist für eine Klage endet am kommenden Montag. Dann werde die österreichische Regierung "alle Details" zu ihrer am Freitag eingereichten Klage veröffentlichen, kündigte Gewessler an. Eine Sprecherin hatte zuvor bereits für Montag eine Pressekonferenz angekündigt.

 Leonore Gewessler
Österreichische Klimaschutzministerin Gewessler: "Greenwashing"Bild: Michael Indra/IMAGO

Österreich hatte sich von Anfang an gegen die Einstufung von Gas und Atomenergie als nachhaltig ausgesprochen und mit einer Klage gedroht. Dem "Kurier" zufolge argumentiert die Regierung in Wien, dass die Kommission Entscheidungen von solcher Tragweite nicht treffen dürfe. Es werden auch Verfahrensmängel angeführt, da die EU-Staaten zu wenig Zeit gehabt hätten, die Maßnahmen zu bewerten.

Teil des "Green Deal"

Auch Umweltschutzorganisationen haben bereits mit Klagen gedroht. Die Einstufung von Gas und Atomkraft als nachhaltig soll zum Jahreswechsel in Kraft treten. Mit der Taxonomie-Verordnung sollen wirtschaftliche Aktivitäten nach ökologischen Standards klassifiziert werden, um so Investitionen anzukurbeln.

Bestimmte Investitionen gelten dann künftig als nachhaltig, wenn sie die modernsten Technologien nutzen und - im Fall von Gas - noch klimaschädlichere Kohlekraftwerke ersetzen. Dem Kommissionsvorschlag zufolge könnten etwa bis 2045 erteilte Genehmigungen für neue Mailer unter die Taxonomie-Verordnung fallen. Mithilfe dieser Verordnung will die Europäische Union ihren "Green Deal" umsetzen und bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden. Jährlich werden dafür nach Angaben der EU-Kommission 350 Milliarden Euro benötigt. Die Taxonomie soll dabei helfen, private Gelder für die Klimaziele zu mobilisieren.

EU-Mehrheit für neue Verordnung

Von den 27 EU-Mitgliedstaaten hatten nur acht ihre Ablehnung gegen die Verordnung zum Ausdruck gebracht, darunter Deutschland, Österreich und Luxemburg - viel zu wenige, um das Projekt zu blockieren. Auch das Europa-Parlament hatte die Bewertung von Gas und Atom als umweltverträglich im Juli gebilligt.

Österreich hat schon 1978 die Atomenergie im Land verboten und dies 1999 auch in die Verfassung aufgenommen. Die Republik mit ihren neun Millionen Einwohnern bezieht derzeit mehr als drei Viertel ihres Stroms aus erneuerbaren Quellen, hauptsächlich aus Wasserkraft. Österreich importiert aber auch weiterhin anders gewonnenen Strom, darunter Atomstrom.

AR/cw (afp, efe, lusa)