EU taktiert in der Frage des Waffenembargos
9. Dezember 2004Die Stimmung war prima, aber in der Sache hat sich eigentlich nichts bewegt. Das war, kurz gefasst, das Ergebnis der europäisch-chinesischen Gespräche am 8. Dezember 2004 über die mögliche Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen das Reich der Mitte. In Den Haag sagte der EU-Ratsvorsitzende Jan-Peter Balkenende, man arbeite an der Sache und überlege. Das tut die Europäische Union bereits seit einem Jahr. Wieder und wieder haben sich die EU-Außenminister während ihrer regelmäßigen Sitzungen mit dem Waffenbann gegen China beschäftigt.
Deutschland und Frankreich werben seit langem bei den EU-Partnern für die Aufhebung der Sanktionen, die sie für nicht mehr zeitgemäß halten, jetzt wo doch China der zweitwichtigste Handelspartner Europas geworden ist. Nicht zeitgemäß - kontern die Befürworter des Embargos - sei die Missachtung der Menschenrechte, wie Meinungs- und Pressefreiheit, durch das kommunistische Regime in Peking. Großbritannien, Schweden und auch die EU-Kommission gehören zu diesem Kreis. Daran habe sich auch 15 Jahre nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung nichts geändert, die zum Waffenembargo Anlass gab.
Frankreich blockiert
Zwischen diesen Gruppen zeichnet sich kein Kompromiss ab, zumal die bislang erhobene Forderung an die Adresse Chinas, sich nicht nur wirtschaftlicher Freiheit, sondern auch politischer Freiheit stärker zu öffnen, nicht erfüllt wurde. Die zweite Bedingung für eine Aufhebung des Waffenembargos wäre die Einigung auf einen Verhaltenskodex auf Waffenexporte für die gesamte EU. Die Verhandlungen darüber sollen im Endstadium angelangt sein, doch angeblich blockiert ausgerechnet Frankreich eine Einigung. Die Franzosen möchten zwar Waffen verkaufen, sich aber nicht in die Karten schauen lassen.
Trotz aller vollmundigen Forderungen, die er während seiner China-Reise von sich gegeben hat, würde Bundeskanzler Gerhard Schröder große Schwierigkeiten mit seinem grünen Koalitionspartner bekommen, sollte er unbeschränktem Waffenhandel zustimmen. Auch die Beschwichtigungen, Deutschland werde wegen seiner strengen nationalen Exportbestimmungen sowieso nichts nach China ausführen können, helfen da bislang wenig.
Chinesen an deutscher Technologie interessiert
Dem chinesischen Gast Wen Jiabao wurde beim Gipfeltreffen klar gemacht, dass in der EU niemand zusagen könne, dass sich innerhalb der nächsten sechs Monate, also unter luxemburgischer Präsidentschaft, die Positionen irgendwie annähern werden. Wen Jiabao nahm es gelassen hin, rezitierte Gedichte und Konfuzius. Motto: Schwamm drüber, wir müssen das große Ganze sehen. Er ließ keinen Zweifel aufkommen, dass das leidige Waffenembargo zwar ein Ärgernis ist, aber keinesfalls ein Hindernis für den weiteren zügigen Ausbau der "strategischen Partnerschaft" der beiden Wirtschaftsblöcke. So wurden in Den Haag denn auch gleich mehrere Abkommen unterzeichnet, um eben dies zu tun.
Richtig ist, dass die chinesische Armee auch ohne europäische Waffen die dominierende militärische Kraft in Asien ist. Deshalb ist glaubwürdig, wenn der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao erklärt, man habe ja gar nicht vor, größere Mengen von Waffen einzukaufen. Masse nicht, wohl aber Klasse. Denn die Chinesen sind angeblich scharf auf hochwertige Steuerelektronik und Radarsysteme, wie sie - welch Zufall - von deutschen und französischen Unternehmen vertrieben werden.
USA sind misstrauisch
Die USA und Japan hatten die Europäer gedrängt, ihr Waffenembargo vorerst aufrecht zu halten. Washington sieht seine strategischen Interessen in Südostasien berührt und befürchtet, die Chinesen könnten mit europäisch aufgetakelten Systemen - vielleicht eines Tages auch mit extrem leisen U-Booten aus Deutschland - Taiwan stärker bedrohen, als sie es ohnehin schon tun.
Und man sollte nicht vergessen: Die USA bauen derzeit ein gewaltiges Abwehrsystem gegen Langstreckenraketen auch aus China auf (Missile Defense). Da passt es schlecht, wenn der strategische Rivale China mit der EU einen neuen Rüstungspartner bekommen könnte. Aus derselben Überlegung heraus sehen die USA auch die europäisch-chinesische Partnerschaft beim Aufbau des Satelliten-Navigationssystems Galileo skeptisch. Das ließe sich von China natürlich auch militärisch nutzen. Bislang verfügen die USA mit ihrem Global Positioning System (GPS) über ein Monopol.
Da sich die Europäer nicht einig werden, wie es mit dem Waffenbann weitergehen soll, ist auch der sich abzeichnende Streit mit der US-Regierung zunächst abgewendet, oder besser: verschoben. Wie lange, das weiß, wie Ministerpräsident Jan-Peter Balkenende glaubhaft versicherte, niemand.