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EU steht vor schwierigem Jahr

Bernd Riegert1. Januar 2004

Verfassungsstreit, EU-Erweiterung, außenpolitische Meinungsverschiedenheiten und finanzpolitische Kuhhändel - auf die Europäische Union warten im Jahr 2004 viele Herausforderungen und Probleme. Ein Blick nach vorn.

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Eher Gegen- als Rückenwind droht der Europäischen Union
Premierminister Bertie Ahern Irland
Bertie AhernBild: AP

Noch bevor der irische Premier Bertie Ahern am 1. Januar als neuer EU-Ratspräsident für sechs Monate in den Ring steigt, dämpft er die Erwartungen. Die vorerst gescheiterte Verfassungsdebatte der Europäischen Union bald wieder aufzunehmen, hält er für unrealistisch. Zu zerstritten sind die Europäer, zu tief die Gräben.

Vor den Parlamentswahlen im März in Spanien, dessen Regierung den Verfassungsentwurf ablehnt, wird sich sowieso nichts bewegen. Statt den Streit zu lösen, wird Ahern alle Hände voll zu tun haben, die Risse in der EU, die sich im Mai auf ingesamt 25 Mitglieder erweitern wird, nicht noch tiefer werden zu lassen. Ahern lehnt ein Europa der zwei Geschwindigkeiten oder Pioniergruppen, wie Frankreich und Deutschland sie jetzt ventilieren, ab. Dennoch könnte es schon in wenigen Wochen ein erstes Treffen der so gwenannten "Kern-Europäer" geben, die sich um den deutsch-französischen Motor gruppieren wollen. Angeblich bastelt Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker bereits an einem entsprechenden Vorstoß.

Drohung der "Kerneuropäer"

Die ersten Absetzbewegungen kamen nur Stunden nach dem gescheiterten Verfassungs-Gipfel von Brüssel. Sechs der zehn EU-Zahlmeister ließen wissen, dass sie nicht bereit sind, mehr Geld in die EU zu pumpen. Jetzt müssten die bisherigen Empfänger Gelder an die neuen Mitglieder im Osten abgeben. Das würde vor allem Spanien und Polen treffen, die beiden Länder also, die nach Lesart der "Kerneuropäer" das Debakel von Brüssel mit ihrem Beharren auf gewichteten Stimmrechten verursacht haben. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt? Die ohnehin schon heiklen Finanzverhandlungen werden mit den Machtfragen aus der Verfassung vermengt. Damit ist abzusehen: Der Integrationswillen und die Integrationsfähigkeit der Europäer werden im Erweiterungsjahr 2004 auf eine harte Probe gestellt werden.

EU Kommission in Brüssel
EU-Kommission in BrüsselBild: Audiovisual Library European Commission

Die zerstrittenen Staats- und Regierungschefs müssen einen neuen EU-Kommissionspräsidenten auswählen, der dann eine EU-Verwaltung mit 25 Kommissaren - je einem pro Mitgliedsland - führen wird. Als heißer Kandidat wird Jean-Claude Juncker gehandelt, doch der bekennt sich zum Ärger von Italien und vieler kleinerer Mitgliedsstaaten, die bei der Gründung der EU nicht dabei waren, zum Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Am Ende des Jahres steht dann die Entscheidung an, ob mit der Türkei Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden sollen. Ein Schritt, der im Lichte der institutionellen und finanziellen Erweiterungslasten, die die EU schon jetzt kaum bewältigt, sicherlich umstritten sein wird.

Außenpolitik

Die einheitliche europäische Außenpolitik, deren Ansätze im Irak-Konflikt verkümmerten, wird es auch 2004 nicht einfach haben. Den gemeinsamen Außenminister, den die Verfassung vorsah, wird es auf absehbare Zeit nicht geben. Ende 2004 steht auch der Stabilitätspakt zum Euro wieder auf der Tagesordnung. Die Niederlande haben sich geschworen, die Verpflichtungen zur Haushaltskonsolidierung, die Deutschland und Frankreich beim Aussetzen des Stabilitätspaktes eingegangen sind, unbedingt einzufordern. Zufälligerweise werden die Niederlande im zweiten Halbjahr 2004 die Präsidentschaft von den Iren erben.

Die EU, die auf ihren 50. Geburtstag zusteuert, hat schon viele Krisen überlebt. Rückschlägen folgten heilsame Schocks und neue Schübe bei der Integration. Auch die Drohung mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, die es de facto in vielen Politikbereichen schon gibt, ist nicht neu. Im Klartext: Zerbrechen wird die größer werdende Union auch diesmal nicht - aber 2004 wird ein schwieriges Jahr.