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PolitikEuropa

EU: Künftige Kommissare auf dem Prüfstand

13. November 2024

Wer soll in der künftigen EU-Kommission einen Vizepräsidentenposten übernehmen? Insgesamt sechs Kandidaten wurden dazu von EU-Parlamentariern befragt. Einige der Kandidaten bleiben umstritten.

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Frankreich | PK Ursula von der Leyen zur Vorstellung der neuen EU-Kommission in Straßburg
Im September stellte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihr Personalpaket für ihre zweite Amtszeit vor. Derzeit werden die Kandidaten vom EU-Parlament befragt. Bild: Philipp von Ditfurth/dpa/picture alliance

Diese Woche Dienstag wurden die letzten sechs Kandidaten für die neue EU-Kommission auf den Prüfstand gestellt. Die jeweils zuständigen Ausschüsse des Europaparlaments befragten die von der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ernannten Kommissar-Kandidaten und prüften ihre persönliche und fachliche Eignung.

19 Kandidaten wurden bereits in der vergangenen Woche durch die zuständigen Fachausschüsse bestätigt; einzig der ungarische Kandidat Oliver Varhelyi, der als Verbündeter Viktor Orbans  gilt, muss noch auf eine Entscheidung warten. Um die Bestätigung zu bekommen, braucht jeder Kandidat eine Zwei-Drittel-Mehrheit im jeweiligen Fachausschuss und danach noch die Zustimmung einer Mehrheit im gesamten EU-Parlament.

Nun wurden die letzten sechs Kommissionskandidaten angehört; sie sollen auch Vizepräsidenten der EU-Kommission werden. Zusammen mit der bereits feststehenden alten und neuen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ergibt sich daraus die 27-köpfige EU-Kommission - falls alle Kandidaten den Eignungscheck im Europäischen Parlament auch tatsächlich bestehen.

Anhörungen gehen in die letzte Runde

Es ist ein Moment, bei dem den Parlamentsabgeordneten viel Macht zukommt. In der Vergangenheit haben sie schon mehrfach Kommissionskandidatinnen und -kandidaten abgelehnt. Entsprechend selbstbewusst befragten die Abgeordneten nun auch den Italiener Raffaele Fitto. Er gehört zur Rechtsaußen-Partei "Brüder Italiens" von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Seine Ernennung zum Vizepräsidenten mit den Zuständigkeitsbereichen EU-Reformen und Regionalpolitik gilt insbesondere unter den Mitte-Links Parteien im EU-Parlament als umstritten.

So hatte Fitto, laut der Abgeordneten Raquel Garcia Hermida van der Welle, in seiner Zeit als EP-Abgeordneter gegen die Eröffnung eines Rechtsstaatsverfahrens gegen Ungarn gestimmt. Auch habe er einer Gesetzesinitiative für einen besseren Schutz von Frauen vor Gewalt nicht zugestimmt. Die liberale niederländische Abgeordnete fragte ihn nun, ob er sich mittlerweile davon distanziere. Fitto antwortete ausweichend und wollte sich zu Details seines früheren Abstimmungsverhaltens nicht äußern. 

Raffaele Fitto sitzt bei seiner Anhörung vor dem EU-Parlament auf einem Podium und spielt mit seiner Brille
Der designierte Vizepräsident für Regionalpolitik und Reformen Raffaele Fitto bei seiner Anhörung am Dienstag im EU-Parlament. Bild: Nicolas Tucat/AFP/Getty Images

Bereits im Vorfeld machten die Sozialdemokraten deutlich, dass sie sich insbesondere an der starken Rolle Fittos als Vizepräsidenten stören. Der Grünen-Abgeordnete Rasmus Andresen schrieb aus dem Sitzungssaal auf X, dass Raffaele Fitto einer solchen Rolle "unwürdig" sei. Auch der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner sagte der DW, er sei nicht vollständig überzeugt von dem Kandidaten.

Dafür gilt als wahrscheinlich, dass die konservative Europäische Volkspartei, der auch Ursula von der Leyen angehört, Fitto unterstützen wird. Im September hatte der EVP-Vorsitzende Manfred Weber Fitto noch als "Brückenbauer" bezeichnet und der Deutschen Presse-Agentur erklärt, keine Zweifel an seinen Fähigkeiten zu haben.

Kaja Kallas nennt Sieg der Ukraine "Priorität für uns alle"

Zur selben Zeit stellte sich auch die ehemalige estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas den Fragen der Abgeordneten. Sie soll als Nachfolgerin von Josep Borrell Europas neue Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik werden. "Es gibt zwei dringende Prioritäten in unmittelbarer Nähe: Russlands Krieg gegen die Ukraine und den offenen Konflikt im Mittleren Osten", beginnt Kallas ihre Anhörung. Dabei sei der Sieg der Ukraine ein gemeinsames Ziel Europas.

Kaja Kallas sitzt bei ihrer Anhörung vor dem EU-Parlament auf einem Podium, vor ihr ein Schild mit ihrem Namen
Kaja Kallas will die nächste Außenbeauftragte der EU werden. Bis zur Entscheidung wird sie sich aber noch etwas gedulden müssen. Bild: Virginia Mayo/AP Photo/picture alliance

Um dieses Ziel zu erreichen, solle die EU die Ukraine so lange mit militärischer und humanitärer Hilfe versorgen wie nötig, führte die Kandidatin des liberalen Lagers aus. Auf eine Frage des AfD-Europaabgeordneten Alexander Sell der Rechtsaußen-Fraktion ESN, ob sie einen Friedensplan des designierten US-Präsidenten Trump akzeptieren werde, machte sie deutlich, dass sie einen "nachhaltigen Frieden" wolle. Aus ihrer Sicht bestünde dieser gerade nicht darin, Russland nachzugeben. Diese Antwort wurde von einigen Abgeordneten mit Applaus bedacht.

Weiter führte Kallas aus, dass sich in den letzten Jahren das Verhältnis der EU zu China verändert habe. Es sei nun viel mehr ein Wettbewerber und systemischer Rivale. "Ohne Chinas Unterstützung wäre Russland nicht in der Lage, den Krieg mit der gleichen Stärke fortzusetzen," sagte Kallas im EU-Parlament. Kritische Fragen musste sich die Kommissions-Anwärterin zu ihrer Position im Nahostkonflikt anhören, auf die sie eher zurückhaltend antwortete.

Die Nominierung von Kaja Kallas gilt gemeinhin als unproblematisch. Sie wurde bereits im Sommer durch die Staats- und Regierungschefs für den Posten nominiert. Auch dies dürfte ihre Position stärken.

Noch ist keine Entscheidung gefallen

Am Dienstag wurden noch vier weitere Kandidaten für die Vizepräsidentschaftsposten angehört. Darunter der liberale Franzose Stephane Sejourne, der sich in seiner zukünftigen Rolle mit dem Wohlstand in der EU und der europäischen Industrie befassen soll. Auch die spanische Sozialdemokratin Teresa Ribera Rodriguez wurde angehört. Sie soll den wichtigen Posten der Wettbewerbskommissarin bekommen.

Allerdings wurde keine Entscheidung über die Besetzungen getroffen, diese wurde vertagt und könnte demnächst über alle sechs Vizepräsidenten-Posten gemeinsam getroffen werden könnte. Eine solche Vereinbarung könnte beinhalten, dass die Fraktionen ihre jeweilige Zustimmung für Kandidaten der Gegenseite daran knüpfen, dass diese auch ihr OK zum jeweils eigenen Kandidaten gibt.

Eine Entscheidung könnte sich aber auch noch länger hinziehen. Denn auch über den Kandidaten Oliver Varhelyis muss noch entschieden werden. Und zu guter Letzt muss die neu aufgestellte Kommission noch vom gesamten Parlament gebilligt werden. Dies ist derzeit für Ende November vorgesehen. Die EU-Kommission könnte dann im Dezember ihr Amt antreten.

DW Mitarbeiterin Lucia Schulten
Lucia Schulten Korrespondentin in Brüssel