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Serbien verklagt Kroatien

4. Januar 2010

Durch die Festnahme von Kriegsverbrechern will Belgrad seine EU-Reife beweisen. Gleichzeitig erhebt Serbien Völkermordklage gegen Kroatien und hofft auf einen außergerichtlichen Vergleich.

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Flaggen von Kroatien, Serbien und Bosnien-Herzegowina (DW-Grafik: Per Sander)
Kriegsschuld vor Gericht - Muss es eine Lösung vor dem EU Beitritt geben?Bild: DW
Serbiens Präsident Boris Tadić übergibt den EU-Aufnahmeantrag an den damaligen EU-Ratspräsidenten Fredrik Reinfeldt (Foto: dpa)
Tadić (links) übergibt den EU-Aufnahmeantrag an Reinfeldt (rechts)Bild: dpa

Erst kurz vor Weihnachten (22.12.2009) hatte der serbische Präsident Boris Tadić den formellen Aufnahmeantrag in die EU in Stockholm an EU-Ratspräsident Fredrik Reinfeldt übergeben. Keine zwei Wochen später (31.12.2009) kündigte die Regierung öffentlichkeitswirksam eine Völkermordklage gegen Kroatien an.

Die serbische Regierung veröffentlichte in Belgrad eine Erklärung, in der sie bekanntgab, sie wolle eine "Gegenklage" gegen Kroatien einreichen. Denn vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) ist bereits seit 1999 eine Völkermordklage der kroatischen Regierung gegen Serbien anhängig, die das Gericht im November 2008 auch angenommen hat.

Kroatien wirft Serbien vor, zwischen 1991 und 1995 durch organisierte Kampagnen "ethnischer Säuberungen" Völkermord verübt zu haben. Dabei seien 20.000 Kroaten umgekommen. Serbien wirft Kroatien nun im Gegenzug vor, 1995 systematisch mehr als 200.000 Serben vertrieben zu haben.

Außergerichtliche Einigung unwahrscheinlich

Tadić regte an, Serbien und Kroatien sollten sich außergerichtlich einigen. Beobachter gehen davon aus, dass Belgrad damit einerseits mögliche Reparationszahlungen abwenden möchte und andererseits versucht, die Rolle der Kriegsparteien im Jugoslawienkrieg gleichzusetzen.

Gerade deshalb ist die Regierung in Zagreb zu einem außergerichtlichen Vergleich nicht bereit. Premierministerin Jadranka Kosor machte deutlich, dass Kroatien vor Gericht "beweisen kann, dass der Krieg auf eine serbische Aggression unter dem Dirigentenstab von Slobodan Milosevic" zurückging. Kroatien sei "in einen Krieg hineingezogen worden, den es nicht wollte, und gegen den es sich verteidigen musste".

Kosor bemühte sich aber auch um Schadensbegrenzung und erklärte, die Klage werde die Beziehungen beider Staaten nicht belasten: "Das ist ein Teil der Geschichte, aber wir haben eine gemeinsame Zukunft", sagte Kosor. "Wir wollen hier wirklich als gute Nachbarn zusammenleben."

Bereits 2006 hatte der IGH eine Völkermordklage Bosniens zurückgewiesen. Es könne kein direkter Befehl Belgrads zum Massaker an bis zu 8000 muslimischen Männern und Jungen im ostbosnischen Srebrenica im Jahr 1995 nachgewiesen werden, hatte das Gericht geurteilt. Serbien habe jedoch nicht genügend getan, um dieses zu verhindern.

Der Screenshot vom niederländischen Fernsehen zeigt holländische UN-Soldaten in Potocari vor Hunderten von moslemischen Zivilisten, die aus dem nahegelegenen Srebrenica geflüchtet sind(Foto: dpa)
Srebrenica 1995 - Blauhelmsoldaten scheiterten beim Schutz von FlüchtlingenBild: dpa

Zusammenarbeit mit dem Tribunal trägt Früchte

Die Regierung in Belgrad bemüht sich unterdessen, durch die Verhaftung von Kriegsverbrechern deutlich zu machen, dass sie die juristische Aufarbeitung der Kriege vorantreibt. Am Sonntag (03.01.2010) verhaftete die Polizei den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Darko Janković. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm die Ermordung von mindestens 19 muslimischen Zivilisten in der Region um Zvornik zu Beginn des Bosnienkrieges 1992 vor.

Der Erfolg von Belgrads EU-Bestrebungen hängt nicht zuletzt davon ab, wie glaubwürdig die Regierung sich bei der Verfolgung gesuchter Kriegsverbrecher präsentiert. Denn trotz des EU-Aufnahmeantrages hat Serbien noch kein Assoziierungs- und Stabilisierungsabkommen mit der EU geschlossen. Die Niederlande blockieren das Abkommen bis zur Auslieferung des ehemaligen bosnischen Serbengenerals Ratko Mladic. Mladic gilt neben dem bereits ausgelieferten früheren Präsidenten der bosnischen Serbenrepublik Radovan Karadzic als Hauptverantwortlicher des Massenmordes von Srebrenica. Neben Mladic verlangt das internationale Kriegsverbrechertribunal auch noch die Auslieferung des früheren kroatische Serbenführers Goran Hadžić.

Chefermittler tritt zurück

Serbiens Chefermittler für Kriegsverbrecher, Rasim Ljajić bei einer Pressekonferenz nach Bekanntgabe seines Rücktritts (Foto: AP)
Ljajić: Rücktritt trotz guter Zusammenarbeit mit Den HaagBild: AP

Der Leiter des Verfolgerteams Rasim Ljajić erklärte kurz vor dem Jahreswechsel (29.12.2009) seinen Rücktritt und begründete dies damit, dass er sein Versprechen nicht einlösen konnte, Mladic bis Jahresende zu fassen. Dennoch beschrieb er 2009 als "ohne Zweifel das erfolgreichste Jahr" für Serbiens Kooperation mit dem internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag.

Ljajić, ein Vertreter der muslimischen Minderheit in Serbien und langjähriger Menschenrechtsaktivist, nahm seine Mitarbeiter damit auch in Schutz und bescheinigte den serbischen Sicherheitskräften, dass sie "alles tun, um die übrigen Flüchtigen zu verhaften". Er fügte hinzu, die internationale Gemeinschaft habe das "auch anerkannt" und verwies darauf, dass Brüssel auch ohne die Ergreifung der Männer im Dezember den Visumszwang für Serbien abgeschafft und Handelserleichterungen gewährt habe.

Autor: Fabian Schmidt (dpa, AP, AFP)
Redaktion: Nicole Scherschun