EU streitet über Haushalt nach dem Brexit
23. Februar 2018"Beim Geld hört die Freundschaft auf." Das besagt ein bekanntes deutsches Sprichwort. Das gilt auch für die Europäische Union, wenn alle sieben Jahre über den "mittelfristigen Finanzrahmen" gestritten wird. Der Sieben-Jahres-Plan legt fest, wofür die EU das Geld aus der Gemeinschaftskasse ausgeben will, wie viel die Nettozahler in den kommenden Jahren löhnen müssen und wie viel die Nettoempfänger einstreichen können. Die Haushaltsverhandlungen zählen erfahrungsgemäß zu den härtesten Gipfelveranstaltungen der Europäischen Union. Die Staats- und Regierungschefs ringen zäh - tage- und nächtelang. Sie schenken sich nichts, denn es geht um insgesamt 1000 Milliarden Euro für die Jahre 2021 bis 2027.
Der informelle Gipfel der 27 EU-Staaten ohne das scheidende Großbritannien an diesem Freitag ist der Startschuss für eine Kette von Verhandlungen, die Mitte 2019 zu einem Haushaltsplan führen sollen. Der mittelfristige Rahmen muss dann auch vom Europäischen Parlament gebilligt werden, das in Haushaltsfragen gleichberechtigt mitreden darf. Der Etat muss von den Staats- und Regierungschefs einstimmig gebilligt werden. Das ermöglicht jedem noch so kleinen Staat ein Veto, wenn seine Interessen nicht berücksichtigt werden. In der Vergangenheit haben sich besonders Polen und Großbritannien beim Blockieren von Haushaltsverhandlungen hervorgetan.
Mehr Beiträge von den Reichen?
EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger hat einen groben Fahrplan für die Haushaltsgespräche aufgestellt. Der Brexit, also der Ausstieg des bisherigen drittgrößten Nettozahlers Großbritannien, reißt eine Lücke von bis zu zehn Milliarden Euro auf der Einnahmenseite. Diese will Oettinger halb durch Einsparungen und Umschichtungen schließen. Die andere Hälfte soll durch höhere Beiträge für die verbliebenen Nettozahler gedeckt werden. Die Staaten, die mehr in den EU-Haushalt einbezahlen als sie herausbekommen, wären nach dem Brexit Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Schweden, Belgien, Österreich, Dänemark und Finnland.
Einige dieser Staaten haben bereits erklärt, dass sie nicht bereit sind, ihre Beiträge zu erhöhen. In einem Positionspapier der niederländischen Regierung etwa heißt es, "die Niederlande könnten eine Erhöhung ihres Bruttobeitrages nicht hinnehmen." Nach dem Brexit müsse das Volumen des EU-Haushalts insgesamt sinken. Auch die Regierung von Österreich hat sich dieser Haltung angeschlossen. EU-Haushaltskommissar Oettinger dagegen will das Gesamtvolumen des Haushalts nicht großartig senken. Er argumentiert, dass mit Migration, Grenzschutz, Verteidigung und mehr Investitionen neue Aufgaben zu finanzieren seien. Die Masse der Gelder fließt derzeit immer noch als Zuschüsse an Landwirte oder als Strukturhilfen in ärmere Regionen der EU.
Kleinere EU mit anderem Haushalt?
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat diese Struktur des EU-Haushalts in Frage gestellt. Sie sagte in ihrer Regierungserklärung am Donnerstag in Berlin, der Brexit biete die Chance, grundsätzlich über die Ausgaben der EU nachzudenken. "Wir brauchen einen neuen Aufbruch für Europa", sagte die Kanzlerin. "Bei der Neuverteilung der Strukturfonds müssen wir darauf achten, dass die Verteilungskriterien auch das Engagement vieler Regionen und Kommunen bei der Aufnahme von Flüchtlingen widerspiegeln. (...) Solidarität kann in der EU keine Einbahnstraße sein."
Diese Aussage läßt bei Staaten wie Polen oder Ungarn, die keine Flüchtlinge oder Asylbewerber aufnehmen wollen, die Alarmglocken schrillen. Sie sind die größten Nettoempfänger im jetzigen System und lehnen jegliche Änderung der Kritieren ab. Die EU-Kommission schlägt außerdem vor, die Rechtsstaatlichkeit eines EU-Mitglieds zur Bedingung für die Auszahlung von Zuschüssen zu machen. Auch da hätte Polen ein großes Problem, da die EU-Kommission gerade ein Verfahren gegen das Land wegen systematischer Gefährdung des Rechtsstaates betreibt.
Der größte Netto-Zahler Deutschland will mehr geben
Die Bundesrepublik ist aber anders als andere Nettozahler bereit, mehr in den EU-Haushalt einzuzahlen. So steht es wenigstens im neuen Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD. EU-Haushaltskommissar Oettinger taxiert den Mehrbetrag für Deutschland auf drei bis 3,5 Milliarden Euro jährlich. In den letzten Wochen vor dem Sondergipfel am Freitag ist Oettinger durch viele EU-Staaten gereist, um die Stimmung auszuloten. Bei seinem Besuch in Österreich machte ihm der nationalkonservative Bundeskanzler Sebastian Kurz freundlich, aber bestimmt klar, dass er nicht mehr zahlen wird. Oettingers Fazit in Wien: "Beim Geld gibt es Streit."
Der Haushaltsexperte der deutschen Konservativen im Europäischen Parlament, Reimer Böge, hat düstere Vorahnungen für die kommenden Verhandlungen. Der zu erwartende Streit im Europäischen Rat, also unter den Mitgliedsstaaten, könnte sich Jahre hinziehen und jedwede Zeitpläne ins Wanken bringen. Böge spricht sich für beschleunigte Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament aus, um den Haushalt noch vor den nächsten Europawahlen im Juni 2019 unter Dach und Fach zu bringen.
Das sei unrealistisch, heißt es dazu von Diplomaten im Europäischen Rat. Außerdem gibt es noch weitere politische Minenfelder, die Ratspräsident Donald Tusk nur mal kurz antippen will. Was wird eigentlich aus den Mitgliedsrabatten, die einige Staaten genießen, weil Großbritannien ebenfalls eine Ermäßigung seiner Beiträge erstritten hatte? Mit dem Brexit fielen diese Rabatte auf den Briten-Rabatt logischerweise auch weg. Auch hier geht es um viel Geld.