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EU für Beitritt Rumäniens und Bulgariens

7. Oktober 2004

- Stand der Verhandlungen mit Sofia und Bukarest

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Bonn, 7.10.2004, DW-RADIO/Rumänisch/Bulgarisch, Robert Schwartz, Alexander Andreev

Der EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens soll, wie vorgesehen, am 1. Januar 2007 erfolgen. Das war die wichtigste Botschaft, die in Bukarest und Sofia dem am Mittwoch (6.10.) veröffentlichten Länderbericht der Europäischen Kommission entnommen wurde. Die darin enthaltenen Kritiken - Korruption, Kriminalität, mangelnde Unabhängigkeit der Justiz - wurden zwar auch akzeptiert, gingen aber in der generellen Euphorie zuweilen etwas unter. Einzelheiten über den Stand der Verhandlungen dieser beiden Staaten mit der EU von Robert Schwartz und Alexander Andreev.

Sowohl in Bukarest als auch in Sofia klopften sich die regierenden Politiker mit Genugtuung auf die Schulter: Auch der letzte Schritt in Richtung EU-Integration war geschafft. Der für die EU-Osterweiterung zuständige Kommissar Günter Verheugen hätte es deutlicher nicht zum Ausdruck bringen können:

"Für Bulgarien und Rumänien erklärt die Kommission, dass sie für das Jahr 2007 die Beitrittsreife vorsieht. Die Verhandlungen mit Bulgarien sind bereits technisch abgeschlossen. Wir unterstützen den Wunsch, sie auch mit Rumänien noch vor Ende dieses Jahres abzuschließen. Es wird schwierig, aber es ist nicht ausgeschlossen. Dann folgen zwei Jahre, in denen beide Länder ihre Verpflichtungen ausfüllen müssen. Das wird sehr streng beobachtet werden, darüber wird regelmäßig berichtet werden. Und falls sich in diesen zwei Jahren herausstellen sollte, dass eines der Länder oder beide diese Bedingungen nicht erfüllen können, dann sieht eine 'Super-Safeguard-Klausel' vor, dass der Beitritt um ein Jahr verschoben werden kann."

Für die rumänischen Sozialdemokraten unter Ministerpräsident Adrian Nastase bot diese Botschaft Anlass zur Freude: Rumänien wird in dem Bericht nach Jahren zähen Ringens der Status einer funktionierenden Marktwirtschaft bescheinigt. Bulgarien hatte dieses Ziel vor zwei Jahren erreicht. Überhaupt war man in Bukarest gespannt auf den Fortschrittsbericht der EU-Kommission, um zu sehen, ob Bulgarien wegen der bereits abgeschlossenen Verhandlungen mit der EU den Vortritt erhält oder weiterhin vom "Tandem" mit Rumänien die Rede ist. Und das "Tandem" bleibt bestehen, trotz der vier Kapitel - Justiz, Umwelt, Konkurrenz und Verschiedenes - die Bukarest noch in diesem Jahr abschließen muss.

Die rumänische Regierung hat bei den letzten Verhandlungen und vor allem bei der Umsetzung der beschlossenen Reformen allerdings ein großes Problem: Am 28. November sind Präsidentschafts- und Parlamentswahlen. Harte Reformen in einem Wahljahr durchzusetzen - das ist für jede Regierung eine schmale Gratwanderung. Doch ohne die Beibehaltung der Reformdynamik ist der Beitritt 2007 gefährdet. Das weiß auch Staatspräsident Ion Iliescu, wenn er von den Bemühungen beispielsweise bei der Änderung der Gesetzgebung und des Wirtschaftsklimas spricht:

"Die letzten zehn Jahre waren wie ein Fegefeuer. Wir mussten die rumänische Wirtschaft für diesen Moment des EU-Beitritts gründlich vorbereiten. Und das heißt, unzählige Elemente mussten geändert und EU-kompatibel gemacht werden, vor allem im Bereich der Gesetzgebung. Ich glaube, wir befinden uns jetzt in der Phase, in der wir die Verhandlungen mit der EU abschließen können. Wir haben unsere Gesetzgebung völlig angepasst, die neuen Änderungen schaffen ein Gefühl der Stabilität."

Bei all den positiven Botschaften und Interpretationen: Die EU-Kommission zeigte sich in ihrem Bericht besorgt über Defizite bei der Pressefreiheit und der flächendeckenden Korruption in Rumänien, die bis in die Spitzen der Politik reichen soll. Bukarest sollte nicht vergessen, dass der Beitritt um ein Jahr verschoben werden könnte, falls erkennbar werde, dass die Beitrittsbedingungen zum 1. Januar 2007 nicht erfüllt würden, hieß es in Brüssel. Deshalb wolle die EU-Kommission in den nächsten zwei Jahren Rumänien einer strengen Beobachtung unterziehen.

Der rumänische Politologe und Journalist Emil Hurezeanu ist der Ansicht, dass Brüssel den richtigen Ton gefunden hat, um Bukarest unter Druck zu setzen, den Reformprozess zu beschleunigen:

"Es ist ein grundsätzlich positiver Bericht, den wir erwartet haben. Rumänien bleibt an der Seite Bulgariens. Die rumänische Gesellschaft sollte aber optimistisch auch auf die zusätzliche Sicherheitsklausel blicken, die besagt, dass Rumänien ein Jahr später aufgenommen werden könnte. Die rumänische Regierung kann nur durch derartige Aussagen angetrieben werden, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Es ist gut, dass die EU Rumänien auch die gelbe Karte zeigt."

In Bulgarien ist der Fortschrittsbericht mit ungewöhnlicher Spannung erwartet worden. Die meisten Politiker und Beobachter sind von der Einführung der Super-Safeguard-Klausel unangenehm überrascht. Das sei ein Versuch, die eventuelle Abkoppelung von Rumänien zu blockieren und Sofia wegen der Verspätung Bukarests ein zusätzliches Jahr warten zu lassen, heißt es in der bulgarischen Hauptstadt. Ansonsten werden die kritischen Befunde im Bericht allgemein akzeptiert.

Die Unabhängigkeit der bulgarischen Justiz lässt in der Tat zu wünschen übrig, das Niveau der Korruption im Lande ist immer noch für europäische Verhältnisse zu hoch, die Situation der Roma-Minderheit bleibt unverändert schlecht. Zur Zeit versucht das bulgarische Parlament, im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung - vor allem in der Ermittlungsphase - die EU-Kriterien rasch in die Gesetzgebung zu übernehmen. Was aber die von der Kommission kritisierte starke politische Einflussnahme auf die unabhängige Justiz anbetrifft, da ist kaum ein baldiger Fortschritt in Sicht.

Die bulgarische EU-Ministerin Meglena Kuneva sagte zum Kommissionsbericht:

"Es gibt Kritik in einigen Bereichen, da muss Bulgarien sich zusätzlich anstrengen. Das gilt auch für die Landwirtschaft und die Regionalpolitik. Die 'Super-Safeguard-Klausel' gefährdet keinesfalls Bulgariens EU-Mitgliedschaft - natürlich angenommen, wir tun das, was alle EU-Mitglieder tun: sich an den EU-Vertrag halten." (fp)