1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

EU droht Moskau

Christoph Hasselbach23. Juni 2014

Die Außenminister der Europäischen Union verlangen von Russland mehr Zusammenarbeit mit der Ukraine. Doch Moskau könnte versuchen, die EU zu spalten.

https://p.dw.com/p/1COS0
Außenminister Schwedens, Spaniens und Luxemburgs, Bildt, Garcìa Margallo und Asselborn, stehen zusammen (Foto: John Thys/AFP/Getty Images)
Bild: John Thys/AFP/Getty Images

Die EU erwartet von Russland, dass es die Ukraine nicht weiter destabilisiert und den Friedensplan des neugewählten ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko unterstützt. Das ist die Botschaft der EU-Außenminister von ihrem Treffen in Luxemburg. Als Gast nahm an der Sitzung auch der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin teil. Zeigt sich Russland nicht bereit zur Kooperation, könnten die EU-Staats- und Regierungschefs bereits bei ihrem Gipfel am kommenden Freitag in Brüssel umfangreiche Wirtschaftssanktionen über Russland verhängen.

Der britische Außenamtschef William Hague erklärte: "Wir sind zu erweiterten Sanktionen bereit, und niemand in Moskau sollte daran zweifeln." Solche Sanktionen würden für ganze Branchen gelten und Russland empfindlich treffen, allerdings auch EU-Länder. Deutschland zum Beispiel hat breitangelegte Handelsbeziehungen mit Russland; Frankreich will zwei Kriegsschiffe an Russland verkaufen. Deswegen vollführt die EU auch eine Gratwanderung: Sie will die russische Führung deutlich genug warnen, aber aus eigenem Interesse die dritte Sanktionsstufe vermeiden, wenn es irgend möglich ist.

Russische Bürger in Panzern

Bisher gibt es nur Einreiseverbote und Kontensperrungen gegen einige Dutzend Russen. Neu hinzu kommt jetzt ein Einfuhrverbot für Waren von der Krim. Russland hatte vor wenigen Wochen die ukrainische Halbinsel annektiert; für die EU gehört sie völkerrechtlich weiter zur Ukraine. Wenn Russland umfangreiche Wirtschaftssanktionen vermeiden will, dann erwartet die EU konkret, dass Russland in Zukunft weder Kämpfer noch Waffen oder anderes Kriegsgerät über die Grenze an die Separatisten in der Ostukraine durchlässt. Moskau bestreitet die Vorwürfe.

Panzer auf einer Landstraße (Foto: picture-alliance/AP Photo)
Wo bekommen die Separatisten in der Ostukraine ihre Panzer her?Bild: picture-alliance/AP Photo

Der schwedische Außenminister Carl Bildt bemerkte dazu sarkastisch: "Ich weiß nicht, ob russische Bürger normalerweise mit T-64-Panzern ausgerüstet sind. Russische Bürger mit T-64 kommen jedenfalls über die Grenze, und bei jeder normalen Kontrolle sollte so etwas auffallen." Bildt hat allerdings wenig Hoffnung, dass Russland tatsächlich die Grenze für Separatisten schließt. Außerdem habe Moskau zwar die ukrainische Waffenruhe offiziell begrüßt, "aber es betreibt mit Volldampf einen Propagandakrieg".

Nachgeholtes Assoziierungsabkommen

Während die EU Russland die rote Karte zeigt, bereitet sie auf der anderen Seite eine weitere Annäherung an die Ukraine, aber auch an Georgien und Moldau vor. Im Fall der Ukraine hatte ein bevorstehendes EU-Assoziierungsabkommen noch unter dem Moskau-freundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch überhaupt erst zu den Spannungen mit Russland geführt. Jetzt, wo ein neuer, westlich orientierter ukrainischer Präsident gewählt ist, sieht die EU die Zeit gekommen, den Schritt nachzuholen. Die Unterzeichnung soll ebenfalls beim Gipfel am kommenden Freitag in Brüssel stattfinden.

Die EU will bald auch Polizeiberater in die Ukraine entsenden. Doch bei allen drei Ländern erwarten viele Europapolitiker russische Vergeltungsmaßnahmen, wenn sich die ehemaligen Sowjetrepubliken aus der russischen Umklammerung zu befreien versuchen. Der Schwede Carl Bildt klagte in Luxemburg: "Russland hat mit allen möglichen Handelssanktionen gedroht. Das untergräbt das Recht von Staaten, über ihre eigene Zukunft zu bestimmen."

Putin in Österreich

Bildt fürchtet aber auch um den innereuropäischen Zusammenhalt. Den Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Österreich am Dienstag, also noch vor der Brüsseler Sanktionsentscheidung, sieht er als russischen Versuch, die EU zu spalten: "Das versuchen sie immer, wenn sie in die Ecke getrieben werden." Sein österreichischer Amtskollege Sebastian Kurz verteidigte die Politik seines Landes: "Es ist legitim, mit beiden Seiten zu sprechen. Das ist kein Ausscheren."

Der deutsche Außenminister Steinmeier will am Dienstag ein weiteres Mal in die Ukraine fliegen und dabei auch mit Poroschenko sprechen, "damit man dann für den Rest der Woche etwas klarer sehen kann, wo Unterstützung von Seiten der europäischen Staaten und der Nachbarschaft möglich und notwendig ist." So dürfte bis zum EU-Gipfel am Freitag diplomatisch noch viel passieren. Es geht um die entscheidende Frage, ob die EU bis dahin die Zeit für Wirtschaftssanktionen gegen Russland gekommen sieht oder nicht. Nur eine Stimme dagegen reicht allerdings, um sie zu verhindern, weil die EU einstimmig entscheiden muss.

Angst vor dem Flächenbrand im Nahen und Mittleren Osten

Bei weiteren Syrien-Sanktionen steht die Einstimmigkeit dagegen schon fest. Die 28 Staaten einigten sich in Luxemburg, 12 Minister der syrischen Regierung "wegen ihrer Verantwortung für schwere Menschenrechtsverstöße" mit Einreise- und Kontensperrungen zu belegen. Nach einer langen Reihe von Sanktionsbeschlüssen im Laufe des syrischen Bürgerkrieges stehen jetzt fast 200 Personen aus dem Kreis um Präsident Baschar al-Assad auf der Sanktionsliste, dazu mehr als 50 Unternehmen und Organisationen. Gebracht hat das allerdings bisher so gut wie nichts.

Vermummte Männer halten arabisch beschriebene Spruchbänder hoch (Foto: "picture-alliance/abaca)
ISIS will einen riesigen, grenzüberschreitenden Gottesstaat erreichten.Bild: picture-alliance/abaca

Doch in der Region scheint Assad ohnehin inzwischen fast das kleinere Problem zu sein. Noch gar keine Antwort hat die EU nämlich auf den Vormarsch der sunnitisch-islamistischen ISIS-Rebellen im Irak. Die ISIS will einen islamischen Gottesstaat im Irak und Syrien errichten. Viele befürchten, dass der Irak mit seiner schiitischen Mehrheit zerfallen könnte. Das könnte neue Gewalt und riesige Flüchtlingsströme auslösen. Für den deutschen Außenminister Steinmeier hat die bisherige Regierung des Irak zu wenig Rücksicht auf die Minderheiten genommen: "Worauf es jetzt ankommt, ist die Bildung einer Regierung im Irak, die alle Regionen und Religionen einschließt." Doch ein gemeinsames Konzept der EU, wie sie und ob sie überhaupt einen Beitrag zur Lösung dieser jüngsten Krise leisten will, fehlt bisher. "Die EU ruft alle Akteure der Region auf, die Bemühungen für Stabilität im Irak und der Region zu unterstützen", heißt es etwas hilflos in der Schlusserklärung der Ministerrunde.