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KriminalitätFinnland

Estlink 2: Ermittler entdecken Schleifspur am Ostseegrund

30. Dezember 2024

Seit Weihnachten ist das Ostsee-Stromkabel Estlink 2 beschädigt. War es Sabotage? Unter Verdacht steht ein mutmaßliches Schiff der russischen "Schattenflotte". Nun nähren neue Ermittlungen diesen Verdacht.

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Finnland Porvoo | Festgesetzter Tanker "Eagle S" hinter einem Boot der Küstenwache  (30.12.2024)
Festgesetzter Tanker "Eagle S"Bild: Jussi Nukari/Lehtikuva/dpa/picture alliance

Hat der Öltanker "Eagle S" ein Stromkabel in der Ostsee mit seinem Anker beschädigt? Und womöglich absichtlich? Seit Tagen halten finnische Ermittler das Schiff fest, um diese Fragen zu klären. Inzwischen haben sie am Meeresboden eine verdächtige Schleifspur entdeckt.

"Die Spur ist Dutzende Kilometer lang", sagte der zuständige Ermittler Sami Paila am Sonntag. Man habe aber noch keinen fehlenden Anker gefunden. Finnische Behörden hatten am Donnerstag den mit russischem Öl beladenen Frachter "Eagle S" aufgebracht.

Finnland, Helsinki: Chefermittler Sami Paila informiert über Untersuchung des Estlink-2-Kabelausfalls (26.12.2024)
Ermittler Paila: "Die Spur ist Dutzende Kilometer lang"Bild: Jussi Nukari/Lehtikuva/IMAGO

Das Schiff steht im Verdacht, für den Ausfall der Leitung Estlink 2 verantwortlich zu sein und auch vier Ostsee-Datenkabel beschädigt zu haben. Und zwar dadurch, dass der Tanker seinen Anker absichtlich über den Meeresboden schleifte. Finnische Ermittler hatten am Donnerstag mitgeteilt, dass bei der festgesetzten "Eagle S" ein Anker fehlte.

Estlink 2 ist eine 170 Kilometer lange Stromverbindung, die Finnland mit Estland am Südufer der Ostsee verbindet. Die "Eagle S" war zuvor vom Hafen der russischen Ostseemetropole St. Petersburg in See gestochen.

Einsatz einer "Schattenflotte", um Sanktionen zu umgehen

Das auf den südpazifischen Cookinseln registrierte Schiff soll nach Einschätzung finnischer Zollbehörden zur russischen "Schattenflotte" gehören. Der Begriff bezeichnet Tanker und andere Frachtschiffe, die Russland benutzt, um Sanktionen infolge der Invasion in die Ukraine zu umgehen. Dazu gehören auch Öllieferungen.

Finnland Porvoo 2024 | Bug der "Eagle S" mit fehlendem Anker (30.12.2024)
"Eagles S" in finnischem Gewahrsam bei Porvoo: Wo ist der Anker?Bild: Jussi Nukari/Lehtikuva/AFP/Getty Images

Der Regierung in Moskau wird seit langem vorgeworfen, beim Transport und der Verschleierung seiner Exporte auf Frachter zu setzen, die undurchsichtige Eigentümerstrukturen aufweisen. Schiffe, die oft die Flagge wechseln, unter der sie fahren. Dazu würden Länder mit Gesetzen genutzt, die deutlich laxer seien als die im Westen. Es handelt sich um Schiffe, die nicht in der Hand westlicher Reedereien oder von westlichen Versicherungen versichert worden sind.

Experten in Moskau weisen darauf hin, dass der Begriff "Schattenflotte" ein westlicher sei, weil der Westen von seiner eigenen Rechtsprechung ausgehe und nicht immer vom Flaggenstaat ausgehe. Einer Analyse der School of Economics in Kyjiw zufolge sollen Hunderte solcher Schiffe im Einsatz sein.

Warnungen von der Europäischen Union

Nach der möglichen Sabotage vor Finnland Küste warnt die Europäische Union vor Russlands "Schattenflotte". Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sagte der Tageszeitung "Welt", die EU werde jetzt "stärkere Maßnahmen ergreifen, um den Risiken, die von diesen Schiffen ausgehen, entgegenzuwirken". Die russische "Schattenflotte" bedrohe die Umwelt und fülle Russlands Kriegskasse. Jetzt stünden diese Schiffe auch unter dem Verdacht, Sabotageakte durchzuführen.

Finnland: Kaja Kallas bei einer Pressekonferenz (22.12.2024)
EU-Außenbeauftragte Kallas: "Teil eines Musters"Bild: Antti Aimo-Koivisto/Lehtikuva/AP Photo/picture alliance

Die EU-Chefdiplomatin und ehemalige Ministerpräsidentin Estlands sagte weiter, Sabotage in Europa habe zugenommen, seitdem Russland seinen Krieg gegen die Ukraine begonnen habe. "Die jüngsten Sabotageversuche in der Ostsee sind keine Einzelfälle. Sie sind vielmehr Teil eines Musters von absichtlichen und koordinierten Aktionen, um unsere Digital- und Energieinfrastruktur zu beschädigen."

Am Samstag hatte bereits Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock vor der russischen "Schattenflotte" gewarnt und weitere EU-Sanktionen gefordert. Es gelte, kritische Infrastruktur noch stärker zu schützen. Fast im Monatsrhythmus beschädigten Schiffe derzeit wichtige Unterseekabel in der Ostsee.

Im aktuellen Fall erschwert schlechtes Wetter die Untersuchungen am Meeresgrund. Die Polizei befragte parallel die Crewmitglieder der festgesetzten "Eagle S", hält sich aber eher bedeckt.

Die Ermittler äußerten sich weder zu einem Bericht des Branchendiensts "Lloyd's List", an Bord sei Spionagezubehör gefunden worden, noch zur Vermutung der Zeitung "Helsingin Sanomat", das Schiff hätte womöglich auch die andere Stromleitung Estlink 1 und die Gaspipeline Balticconnector beschädigen können. Diese waren schon 2023 gekappt worden - höchstwahrscheinlich vom Anker eines Containerschiffs aus China.

AR/haz (rtr, dpa)