Auf der Flucht
30. Januar 2008Man habe drei Boote tamilischer Rebellen versenkt und bis zu 18 Kämpfer getötet, teilte Sri Lankas Marine am Donnerstagabend (29.3.2007) mit. Wenige Stunden zuvor hatte das Heer erklärt, eine wichtige Stellung der "Befreiungstiger von Tamil Eelam" (LTTE) im Osten des Landes erobert zu haben.
Kritik an der Armee
Die Streitkräfte brauchen derzeit dringend solche Erfolgsmeldungen: Sie sind in die Kritik geraten, nachdem sie am Wochenende wehrlos hatten zusehen müssen, wie die LTTE einen Luftwaffenstützpunkt am internationalen Flughafen von Colombo angriffen. In einem Überraschungscoup hatten die Separatisten mit vermutlich zwei Kleinflugzeugen Bomben abgeworfen. Offiziellen Angaben zufolge starben drei Soldaten, 17 wurden verletzt.
"Das war ein sehr kleiner Luftangriff, ausgeführt von der ersten Generation unserer Kampfflugzeuge", sagt Irasaiah Ilanthirayan, militärischer Sprecher der LTTE, am Telefon. "Aber ich glaube fest daran, dass die Luftwaffe von Tamil Eelam die Erwartungen unserer Führung und unseres Volkes erfüllen wird."
Tausende auf der Flucht
Vor allem aber war die Aktion ein psychologisch wichtiger Sieg für die Rebellen, die für einen Tamilen-Staat im Norden und Osten der Insel kämpfen. Insbesondere im Osten sind sie seit Monaten in der Defensive, den Großteil des von ihnen zuvor kontrollierten Gebietes mussten sie der Armee überlassen. Anhaltende Bombardierungen ihrer Stellungen haben sie zudem geschwächt.
Unter den Kämpfen hat vor allem die Zivilbevölkerung zu leiden, wie Amnesty International in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht warnt. Mehr als 3000 Zivilisten seien seit dem Wiederaufflammen des Bürgerkrieges vor einem Jahr getötet worden, 215.000 Menschen befänden sich auf der Flucht.
Angst vor der Parteibasis
Auch die Wirtschaft gerät zunehmend unter Druck. Allein im vergangenen Monat verzeichnete die Tourismus-Industrie einen Rückgang um 18 Prozent. Einige Länder, darunter Deutschland und Frankreich, warnen derzeit vor Reisen in das einstige Urlaubsparadies.
Dessen ungeachtet setzt die Regierung von Präsident Mahinda Rajapakse auf eine militärische Eskalation. Zu einem Plan für eine politische Lösung, den das hochrangige Expertengremium einer All-Parteien-Kommission unlängst vorstellte und der eine föderale Struktur für Sri Lanka vorsieht, hat sich die Regierung bislang nicht geäußert. "Rajapakse hat Angst, seine Basis in der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit vor den Kopf zu stoßen", glaubt Jehan Perera, Direktor des Nationalen Friedensrates in Colombo.
Militärisches Kräftemessen
Zudem will die Regierungspartei offenbar zunächst abwarten, wie das militärische Kräftemessen ausgeht. Doch dass sich der Konflikt, der in den vergangenen 20 Jahren fast 70.000 Tote gefordert hat, militärisch entscheiden lässt, ist höchst unwahrscheinlich. Im Osten der Insel konnte die Armee Erfolge erzielen, weil sie von einer abtrünnigen LTTE-Fraktion unterstützt wird und die vergleichsweise schwachen Rebellen der Guerrilla-Taktik folgen, sich schnell zurückzuziehen.
Im Norden jedoch sind die Separatisten ungleich stärker. "Hier können unsere Bodentruppen jeder Offensive entgegentreten", warnt der LTTE-Sprecher Ilanthirayan – ohne dabei allzu sehr zu übertreiben. Seit Jahren wird die Region von den Rebellen kontrolliert, die dort eine eigene Verwaltung aufgebaut haben und rund 20.000 Kämpfer aufbieten können.
Langwieriger Krieg
Ungeachtet der Erfolge der Armee bleiben die LTTE, die über eine Marine verfügen, eine der bestausgestatteten Rebellen-Organisationen weltweit – auch finanziell. In ihren Gebieten nehmen die LTTE "Steuern" ein; zeitweilig kassierten sie wie an einer internationalen Grenze auch Zoll. Vor allem aber sind es im Ausland lebende Tamilen, die enorme Mittel bereitstellen - teils aus Überzeugung, teils, weil sie unter Druck gesetzt werden. Dadurch können sich die Rebellen Extravaganzen wie die jetzt in Erscheinung getretenen Kleinflugzeuge mit selbst gebauten Abwurfmechanismen leisten.
"Sollte die Armee auch im Norden eine Offensive versuchen, müssen wir mit einem sehr langwierigen, konventionellen Krieg rechnen", glaubt der Friedens-Aktivist Perera. Doch möglicherweise führt daran kein Weg vorbei. Denn derzeit scheint keine der beiden Seiten gewillt, sich ernsthaft auf neue Verhandlungen einzulassen.