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ESC-Feeling trotz Coronavirus-Pandemie

Silke Wünsch
15. Mai 2020

Der ESC wurde wegen der COVID-19-Pandemie abgesagt. Statt eines Finales in Rotterdam gibt es nun jede Menge Ersatzshows im Fernsehen und im Internet. So soll wenigstens ein bisschen ESC-Gefühl aufkommen.

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Eurovision Song Celebration 2020
Bild: EBU

Die Europafanfare ertönt und auf dem Bildschirm erinnern Bilder an den Eurovision Song Contest 2019 in Tel Aviv. Publikum, Jubel, Fähnchen, Party. Und dann wird der Siegertitel 2019 - "Arcade" - gesungen. Nicht vom niederländischen ESC-Gewinner Duncan Laurence - sondern von vielen anderen jungen Künstlern, zusammengeschnitten im Splitscreen-Modus, so wie wir es in den letzten Monaten schon so oft gesehen haben. Der erste Gänsehautmoment - besser hätte es eine Liveregie kaum hinkriegen können. Und dann steht der Moderator plötzlich da und begrüßt das Publikum: "Good evening, Europe - and good morning Australia". Ganz ohne Glanz und Glamour, im dunkeln Pullover erklärt "Chucky" uns, was wir da gerade sehen: Den Eurovision Song Contest 2020.

Screenshot YouTube The Grand Final of our Eurovision Song Contest 2020 (YouTube/ Byle Do Maja)
Professionell gemachtes Finale im InternetBild: YouTube/ Byle Do Maja

Liebe zum Detail

Es ist ein besonderer ESC, von Fans in ihren Wohnzimmern zusammengestellt, initiiert vom größten polnischen Eurovision-Onlinemagazin "Dziennik Eurowizyjny" - und nur auf YouTube zu sehen. Alle Videos der 41 Teilnehmer, die in Rotterdam aufgetreten wären, wurden gezeigt. Im Netz stimmten die Fans in zwei Semifinals ab, wer ins Finale kommen sollte.
Beim Finale hatten sich die Macher nicht vor der spannenden, den Zuschauern so wohlbekannten Punktevergabe gescheut - zugeschaltet wurden Freunde und Bekannte und deren Kinder, die standesgemäß die Punkte verlesen haben, das komplizierte Verfahren wurde detailgetreu nachgestellt. Spannender als beim "echten" ESC, schrieb ein User in die YouTube-Kommentare. Gewonnen hat die Schweiz knapp vor Litauen. Deutschland hat es auf den 8. Platz gebracht.

Eurovision Song Celebration

Der verhinderte Gastgeber aus den Niederlanden hat sich in dieser Woche ebenfalls ins Zeug gelegt. Auf dem offiziellen Youtube-Kanal des Eurovision Song Contest findet seit Dienstag die "Eurovision Song Celebration" statt. Hier werden auch in zwei Halbfinals alle 41 Teilnehmer vorgestellt. Ganz ohne Wettbewerb. Es geht nur darum, den 41 Songs eine Ehre zu erweisen - denn die Lieder werden im nächsten Jahr nicht zugelassen. Am Ende kommen auch hier die Fans aus der ganzen Welt wieder ins Spiel: Sie werden in kleinen Clips eingeblendet - Fans aus der Türkei, den USA, Indonesien, Kolumbien singen ihre Lieblingssongs des ESC 2020.

Duncan Laurence aus den Niederlanden beim Israel Eurovision Song Contest 2019 in Tel Aviv |
Duncan Laurence, ESC Sieger für die NiederlandeBild: Reuters/R. Zvulun

Mehrere Sendungen im TV und im Netz

Natürlich waren auch die ESC-Experten in den vergangenen Wochen nicht untätig. Der Sender Norddeutscher Rundfunk, der den deutschen ESC-Beitrag betreut, bringt in dieser Woche Songchecks, bei denen Lieder werden vorab getestet werden, und stellt sie ins Netz. Auch hier wird den 41 eingereichten Liedern der Respekt entgegengebracht, der in Corona-Zeiten möglich ist. Nach diesen Songchecks steht fest: Die Acts aus Dänemark, Island und Litauen gehören zu den diesjährigen ESC-Favoriten in Deutschland.

ESC Teilnehmer aus Deutschland Ben Dolic
Ben Dolic ging für Deutschland ins RennenBild: picture-alliance/dpa/H. Hartmann

Als feststand, dass der Eurovision Song Contest auch ohne Livepublikum nicht stattfinden kann, wurde die ESC-Blase aktiv und plante Ersatz-Events. So wird es am kommenden Samstag direkt drei TV-Sendungen und Livestreams geben, die teilweise versetzt ausgestrahlt werden: In "Eurovision Song Contest 2020 - das Finale aus der Elbphilharmonie" werden zehn im Vorfeld ausgewählte Acts auftreten, darunter auch der deutsche Teilnehmer Ben Dolic - und Michael Schulte, der vor zwei Jahren in Lissabon auf den sensationellen vierten Platz gekommen war, wird singen und zusammen mit ESC-Urgestein Peter Urban kommentieren. Hier können die Zuschauer ihren "Sieger der Herzen" ermitteln.

Danach geht es nahtlos weiter ins niederländische Hilversum: Von dort wird die internationale Sendung "Europe Shine A Light" ausgestrahlt. In 120 Minuten wird es viel Musik, Überraschungsauftritte ehemaliger ESC-Kandidaten und Schalten quer durch Europa geben.

Und wer dann noch nicht genug hat, der kann sich nach Mitternacht nochmal die Show von vor genau zehn Jahren anschauen - am 29. Mai 2010 gewann Lena Meyer-Landrut den Contest überraschend für Deutschland und hob sich und ihren Produzenten Stefan Raab damit in den ESC-Olymp.

Lena Meyer-Landrut und Stefan Raab
Lena Meyer-Landrut und Stefan RaabBild: dapd

Stefan Raab mit eigenem Konzept

Und jener Stefan Raab, der sich vor Jahren in den Ruhestand zurückgezogen hatte, der meldet sich jetzt auch wieder: Auf dem privaten TV-Kanal Pro7 wird er am Samstag Abend eine ganz eigene Show veranstalten - den "Free European Song Contest". 15 Künstler aus 15 Ländern treten gegeneinander an - mit anderen Songs und Überraschungspotenzial - denn die Künstler sollen keine Unbekannten sein. Nur wenig hat Raab bisher durchsickern lassen: Durch die Sendung wird die ESC-Siegerin von 2014, Conchita Wurst, an der Seite von Moderator Steven Gätjen führen - und für den deutschen Beitrag wird laut Raab "eine echte Legende antreten, die alle bisherigen deutschen Teilnehmer an europäischen Musikwettbewerben künstlerisch und charakterlich überstrahlt". Zudem sehe dieser Künstler auch noch unglaublich gut aus. Es wird heftig spekuliert, ob er sich selbst damit meint.

Conchita Wurst beim ESC 2014
Conchita Wurst gewann 2014 den ESC in KopenhagenBild: Getty Images/R. Singsaas

Warum diese Sendung zeitgleich mit anderen ESC-Sendungen läuft - das ist zwar nicht sehr Fan-freundlich, aber das ist eben auch das Konkurrenzgeschäft im Fernsehen.

Der 16. Mai, der Tag, an dem der Eurovision Song Contest 2020 nicht stattfinden sollte, wird nun doch ein unterhaltsamer ESC-Abend werden, und allen Fans, denen das Live-Gefühl fehlt, sei versichert: Der ESC 2021 wird in Rotterdam nachgeholt.

Wuensch Silke Kommentarbild App
Silke Wünsch Redakteurin, Autorin und Reporterin bei Culture Online