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"Es muss noch viel getan werden"

30. August 2004

Helga Konrad, OSZE-Sonderbeauftragte zur Bekämpfung des Menschenhandels, über den Umgang mit diesem Problem in den GUS-Staaten

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Bonn, 25.8.2004, DW-RADIO/ Russisch, Andreas Brenner

Frage:

Frau Konrad, seit vier Monaten sind Sie im Amt der Sonderbeauftragten der OSZE zur Bekämpfung des Menschenhandels. Welche Erkenntnisse haben Sie in dieser Zeit über das Ausmaß des Menschenhandels gemacht?

Konrad:

Meine Arbeit als Sonderbeauftragte der OSZE ist zwar neu, aber die Arbeit im Bereich Menschenhandel ist natürlich nicht neu für mich. (...) In den letzten vier Jahren habe ich speziell in Südosteuropa gearbeitet, im Rahmen des Stabilitätspaktes. (...) Menschenhandel ist das globalisierteste kriminelle Geschäft weltweit. Kein Land ist ausgenommen davon. Jedes Land der Welt ist vom Menschenhandel betroffen. Entweder sind die Länder stärker als Ursprungsländer oder als Transitländer oder als Zielländer betroffen. Vielfach sehen wir neuerdings, dass viele Länder nicht nur Zielland oder Ursprungsland sind, sondern beides. Deshalb ist es wichtig, dass sich alle Länder mit diesem Thema auseinandersetzen. Was die Länder tun, ist allerdings sehr unterschiedlich. In manchen Ländern fangen die Verantwortlichen dort erst überhaupt an, zu verstehen, was denn Menschenhandel ist, dass das ein riesiges kriminelles Verbrechen ist, dass das eine riesige Verletzung von Menschenrechten ist. In manchen Ländern wurden schon Aktionspläne erstellt. Es gibt schon bessere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren, die Menschenhandel bekämpfen sollen. Aber generell ist es so, dass sehr viel mehr getan werden muss. Wenn wir das UN-Protokoll uns anschauen, das ist jetzt vier Jahre her, dass es verabschiedet wurde. In der Zwischenzeit hat sich natürlich einiges getan. Aber es ist uns bis jetzt jedoch nicht gelungen, den Menschenhandel ernsthaft einzudämmen oder zu verringern.

Frage:

Wie sind vom Problem Menschenhandel die GUS-Staaten (Russland, Ukraine, Belarus oder Moldova) betroffen?

Konrad:

Ich möchte vielleicht nicht einzelne Länder herausgreifen. Meine Aufgabe ist, (...) mit den Ländern zu arbeiten, mit ihnen gemeinsam an den Aktionsplänen zu arbeiten, mit ihnen gemeinsam Strukturen aufzubauen, damit sie in die Lage versetzt werden, sich selbst erfolgreich dem Kampf gegen Menschenhandel zu widmen. Tatsache ist jedoch, dass nur einige Länder ihre Gesetze entsprechend reformieren. Da ist sicher Russland positiv zu nennen. Es gibt auch in der nächsten Zeit eine Menschenhandelskonferenz in Armenien zum Beispiel. Ich war vor einiger Zeit in Aserbaidschan. Da ist auch die Zusammenarbeit zwischen den NGOs und der Regierung zum Thema Menschenhandel diskutiert und ein erster Aktionsplan aufgestellt worden. Das heißt also, einige Länder haben das UN-Protokoll und die Konvention bereits ratifiziert, einige Länder arbeiten bereits daran, dieses UN-Protokoll auch in nationales Recht zu übersetzen. Aber generell muss man sagen, dass das Einzelaktivitäten sind, dass sicher noch nicht genug getan wird im Kampf gegen Menschenhandel.

(...)

Frage:

Was können Sie über die Zusammenarbeit mit den zentralasiatischen Ländern bei der Bekämpfung des Menschenhandels sagen?

Konrad:

Die Zusammenarbeit hat erst begonnen, die muss sicher intensiviert werden. Jedenfalls ist es meine Absicht, mich mit den Hauptverantwortlichen – und das sind nach wie vor die Regierungen und die Regierungsbehörden – zu treffen, um mit ihnen gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Wir werden sicher Strukturen aufbauen müssen, wir werden Mechanismen entwickeln müssen, die auf der einen Seite es möglich machen, in jedem Land national mit dem Problem umzugehen. Aber Menschenhandel ist vielfach, nicht ausschließlich, aber vielfach ein transnationales Verbrechen. Wir werden auch Mechanismen gemeinsam erarbeiten müssen, um die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Ländern zu forcieren, denn Menschenhandel beginnt irgendwo und da sind viele Mittelmänner und Kollaborateure mitbeteiligt. Wir werden das Problem als ein Kontinuum behandeln müssen und werden schauen müssen, dass wir Mechanismen finden, wie das gehen kann. Das muss auf politischer Ebene geschehen, dass muss auf polizeilicher Ebene geschehen, da haben der Zoll, da haben die Grenzwachebeamten eine wichtige Rolle, bis hin zur Justiz und den Opferschutzeinrichtungen.

Frage:

Gibt es in Zentralasien Unterschiede zu den anderen Regionen was den Menschenhandel angeht?

Konrad:

Es gibt wahrscheinlich keine ganz grundlegenden Unterschiede. Denn, was der Menschenhandel gemeinsam hat, ist, dass Menschen in sklavenähnliche Situationen gezwungen werden, dass die ausgebeutet werden, dass Kriminelle daraus Geld schlagen. (...)

Frage:

Aber laut Berichten aus Zentralasien werden dort oft eigene Mitbürger zu Sklaven gemacht. Stimmt das?

Konrad:

Da haben Sie vielleicht recht. Ich sollte erwähnen, dass interner Menschenhandel stark im Zunehmen ist. Und zwar nicht nur dort, sondern generell. Wir sehen zum Beispiel sogar auch in Südosteuropa, dass interner Menschenhandel zunimmt. Das ist richtig. Da mag der Schwerpunkt stärker auf dem internen Menschenhandel und nicht auf dieser transnationalen Kette liegen.

Frage:

Kann die OSZE als eine vor allem in Europa tätige Organisation überhaupt etwas gegen den Menschenhandel in dieser Region, ich meine Zentralasien, tun?

Konrad:

Zum Teil hat die OSZE Missionen, die vor Ort sind, oder Ansprechpartner dort. Aber noch einmal, meine Aufgabe wird es sein, mich mit den Verantwortlichen der Länder zusammenzusetzen und mit ihnen sehr genau zu besprechen, was bereits geschehen ist und was Schritt für Schritt im Kampf gegen Menschenhandel geschehen soll. (...) Es ist nicht so, dass ich das Problem Menschenhandel irgendwo lösen werde. Meine Aufgabe wird es sein, beizutragen – sozusagen als Katalysator – zu helfen beim Aufbau von Strukturen, beim Training, bei anderen Maßnahmen, damit eben die Verantwortlichen vor Ort selbst in die Lage versetzt werden, Menschenhandel effektiv, wirkungsvoll und nachhaltig zu bekämpfen. (lr)